Die totale Identifikation

Ueli Maurer bei den Zuger Bauern: Kampf der Ökologie!

Guter Dinge: Bundesrat Ueli Maurer beim Zuger Bauerntag.

(Bild: fam)

Zum Jubiläum hat die Zuger Landwirtschaftsschule Schluecht LBBZ ein ganzes Quartett von Politikern gewinnen können. Darunter auch: Bundesrat Ueli Maurer. Eine gute Wahl. Denn Maurer identifiziert sich so stark mit den Bauern, dass er eine flammende Aufstandsrede hält.

Der Schneesturm Egon lässt in Rotkreuz die Kräne schwanken und bläst den Jungbauern Graupel über den Faserpelz. Der Zuger Bauerntag vom 13. Januar hätte nicht an einer landwirtschaftsloseren Ecke im Kanton stattfinden können – draussen bauen Pharmafirmen Hochhäuser, drinnen im Dorfmattsaal trinkt man Ramseier und das Licht ist gedimmt, wie bei einem Diaabend. Aber statt Ferienbilder gibt’s ein Staraufgebot.

Die Landwirtschaftsschule LBBZ Schluecht in Cham wird 100 Jahre alt, und sie hat sich ins Zeug gelegt: Bundesrat Ueli Maurer kommt bald, die Regierungsräte Heinz Tännler (SVP) und Matthias Michel (FDP) sind schon da, der Rischer Gemeindepräsident Peter Hausheer (CVP) gibt sich die Ehre, und Ständerat Peter Hegglin (CVP) ist für die Moderation zuständig.

Der Saal ist voller Jungbauern und arrivierter Landwirte. Die «Bauernzeitung» und der «Schweizer Bauer» sind da, offenbar alte Freunde trotz der Konkurrenzsituation, und man scherzt noch über den zu erwartenden Informationsgehalt («wohl nicht sehr hoch»). Aber wartet nur, Freunde: Es kommt ein wenig anders. «Ich bin doch positiv überrascht, wie bodenständig die Politiker da vorne sind», wird ein junger Bauer am Ende sagen, nachdem er über die Starthilfe für Bauern geklagt hat (zu harte Rückzahlungskonditionen).

Kann das eine Vision sein?

Denn was da kommt, das ist die totale Identifikation. Gleich von Anfang an. Peter Hausheer, Gemeindepräsident von Risch, beendet seine Begrüssungsrede mit ein paar Politikerwitzen, um den Landwirtschaftsnachwuchs freundlich zu stimmen: «Kein Wunder, sagen die Politiker in Bern immer: Unsere AHV ist sicher», sagt Hausheer: «Und nicht eure AHV.» Der Saal wärmt sich auf. «Ueli Maurer ist ja noch nicht da», doppelt Hausheer nach, «aber der nächste Witz geht um ihn: Ueli Maurer sagt zu seinem Chefbeamten: Du siehst so abgearbeitet aus in letzter Zeit. Weiter so.» Der Saal lacht. Das ist lustig, weil: Die Politik reguliert in der Landwirtschaft offenbar alles viel zu stark. Finden die Bauern.

«Ich möchte euch als Laie fragen: Ist die Situation für euch als Unternehmer so wirklich befriedigend?»

Heinz Tännler, Finanzdirektor Kanton Zug

Über diesen Regulationsüberschuss ist sich die versammelte Polit-Mannschaft einig – das wird später klar. Und das ist schon seltsam genug, da die Politik ja für die Regulation verantwortlich ist.

Noch überraschender allerdings wird die Veranstaltung mit dem Votum von Heinz Tännler. Denn der ist erfrischend frech: «Ich möchte euch als Laie fragen: Ist die Situation für euch als Unternehmer so wirklich befriedigend?», fragt Tännler. Die Abhängigkeit der Bauern vom Staat sei viel zu gross und hemme die Innovationskraft. «Kann das eine Vision sein? Vom Staat abhängig zu sein?» Die «Bauernzeitung» und der «Schweizer Bauer» nicken anerkennend, im Publikum wird man etwas nervös.

Freier als Unternehmer

«Gibt es nicht eine Möglichkeit, dass sich die Landwirtschaft auch anders weiterentwickeln könnte? Ich denke, die Bauern müssen anfangen, die Produktionskette mehr in Beschlag zu nehmen», sagt Tännler. «Und damit bessere Preise zu erhalten. Es ist mir klar, dass das einfacher klingt, als es getan ist. Aber ich möchte diese Frage nun in den Raum stellen. In anderen Branchen gibt es Strategien, um effizienter und konkurrenzfähiger zu werden – ich glaube, auch in der Landwirtschaft könnte es andere Strategien geben als die Abhängigkeit vom Staat. Denn diese Abhängigkeit bringt Regulierungen mit sich – und schränkt Ihre unternehmerische Freiheit massiv ein.»

Kurze Pause. Entrüstung? Alles falsch? Verletzte Gefühle? Nichts da, die jungen Bauern bleiben ruhig. «Das stimmt schon», sagt Marco Matter (23) aus Cham, der gerade im dritten Lehrjahr steckt und eines Tages den Betrieb seiner Eltern übernehmen will. «Stimmt schon, dass es besser wäre, wenn wir unabhängiger wären. Aber das haben ja schon vor uns viele Bauern zu ändern versucht. Es ist offenbar unmöglich, bessere Preise zu erzielen.» Aber wer könnte das, wenn nicht die junge Generation? «Wir sind dafür verantwortlich, wie wir die Zukunft gestalten wollen», sagt  Matter. «Aber ich glaube, das wird sehr schwierig.»

Auftritt: Maurer

Die Pause ist vorbei. Das Klicken der Kameras sagt deutlich: Maurer ist da. Und der Bundesrat hat eine noch bessere Erklärung für die Probleme der Bauern – weil es bei ihm einen Schuldigen gibt: «Ich denke, das Gleichgewicht zwischen Ökologie und Ökonomie ist aus den Fugen geraten», sagt Ueli Maurer. «Wir gewichten die Ökologie sehr stark und die Produktion zu wenig stark. Wir müssen nun schauen, dass wir das korrigieren können. Den Hebel können wir zwar nicht herumreissen, aber wenigstens korrigieren.»

Maurer sagt oft «wir». «Wir müssen uns wehren und schauen, dass wir den Ökologiebüros mit ihren guten Ideen das Heft aus der Hand nehmen können und sagen können: Wir sind die Profis in Sachen Ökologie.» Denn die Landwirte würden das Land seit Jahren behutsam pflegen. «Wir haben das nötige Wissen.» Und vor allem: «Wir brauchen eine Ökologie, die wir auf die Bedingungen der Produktion stellen.»

Dass da ein Bundesrat spricht, und nicht ein Bauernvertreter, stellt Maurer dann auch noch klar: «Und mit wir meine ich natürlich euch.»

Gebäude zu teuer, Tierschutz ist schuld

Klar, es gäbe auch Potenzial für die Bauern, günstiger zu arbeiten: «Wir haben ein grosses Potenzial bei den Gebäuden und Geräten», sagt Maurer, «die sind zu teuer.» Zudem gebe es sicher neue Wege, die Produkte mit Swissness weiter zu fördern, sodass nicht nur «Coop und Migros und Aldi davon profitieren». Aber die Ökologie bleibt zentral: «Ich weiss, auch bei den Kosten von Gebäuden und Maschinen spielen Regulationen eine Rolle, der Tierschutz etwa.» Deshalb müsse man sich überlegen, neue Bedingungen festzulegen: «Dass wir zum Beispiel für gewisse Gebiete andere Bedingungen festlegen als für andere, die dann eine andere Aufgabe haben.» Rentablere Produktion müsse wieder möglich werden.

Denn wenn man ins Ausland schaue, dann müsse man sich überlegen, ob das Ausmass an Ökologie nötig sei, das die Produktion so verteure. Denn der Wettbewerb ist gross: «Die Tendenz geht dahin, dass andere Akteure wieder vermehrt auf den Transport und die Produktion von Nahrungsmitteln setzen», sagt Maurer, hier ganz Bundesrat. «China etwa hat vorausschauend Tausende von Quadratkilometern Land gekauft. Sie wollen ihre Bevölkerung ernähren können.»

«Wir müssen die Landwirtschaft zu einem staatspolitischen Thema machen.»

Ueli Maurer, Bundesrat

Zudem würden einige Nationen ihre Marine aufrüsten, so Maurer. «Das bedeutet, dass der Seetransport von Nahrungsmitteln wichtiger werden wird.» Für die Produktion von Nahrung brauche es Boden und Wasser. «Um diese Ressourcen wird es in Zukunft wohl den einen oder anderen Konflikt geben.»

Landwirtschaft sei «sicherheitsrelevant»

Harte Kost für die Zuger Jungbauern. «Wir müssen die Landwirtschaft zu einem staatspolitischen Thema machen», sagt Maurer. Im Moment werde sie im Bundesrat «ungefähr zweimal im Jahr eine Viertelstunde diskutiert». Das müsse sich ändern.

«Die Landwirtschaft bearbeitet drei Viertel der Fläche dieses Landes. Wenn jemand für drei Viertel der Fläche verantwortlich ist, dann ist das ein wichtiges Thema.» Die Landwirtschaft müsse wieder als sicherheitsrelevant eingestuft werden. «Wir brauchen eine Mindestversorgung, auf der wir im Notfall aufbauen können. Wenn die Landwirtschaft ein sicherheitsrelevantes Thema ist, bekommt sie auch die nötige Aufmerksamkeit.»

«Also ich finde eigentlich auch»

So weit so gut. In der folgenden Podiumsdiskussion ist man sich recht einig. Ständerat und Landwirt Peter Hegglin formuliert seine erste Frage als Aussage: «Also ich finde eigentlich auch, dass das Gleichgewicht zwischen Ökonomie und Ökologie nicht mehr stimmt.» Das finden auch die anderen. Matthias Michel schlägt vor, für industrielle Betriebe andere Regeln einzuführen als für kleinere. Heinz Tännler trägt eine Zuger Episode um die Ausbreitung von Aushub in der Neuheimer Moränenlandschaft bei. «Da sind die ökologischen Massnahmen omnipräsent: Hecke hier, Hecke da, Hecke dort.» Der Saal lacht. Und Tännler etwas versöhnlicher: «Es wird immer schwieriger werden, im kleinen Kanton Zug alle Interessen unter einen Hut zu bringen.»

Zuallerletzt kommt Maurer nochmal dran. Die Frage: Was sollten junge Landwirte in der Ausbildung noch besser lernen? «Die Ausbildung ist wohl eine der besten, die es gibt», so Maurer. «Man lernt nicht nur einen Beruf, sondern auch, zu arbeiten.» Das hört man hier gerne. «Aber neben dem Buchhalterischen sollten die Landwirte auch ein juristisches Grundverständnis haben. Das fehlt oft komplett.» Und daneben sollten sie sich um Beziehungsfragen kümmern können. «Sie sollten sich überlegen: Wie gehe ich mal mit einer Frau und Familie um. Es gibt in jungen Bauernfamilien so viele Konflikte, weil sie sich zu wenig damit befassen.»

Das Podium beim Zuger Bauerntag: Die beiden Regierungsräte Heinz Tännler und Matthias Michel, Bundesrat Ueli Maurer, Ständerat Peter Hegglin.

Das Podium beim Zuger Bauerntag: Die beiden Regierungsräte Heinz Tännler und Matthias Michel, Bundesrat Ueli Maurer, Ständerat Peter Hegglin.

(Bild: fam)

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon