Weihnachtsgeschichten aus der Zuger Redaktion

Angesengtes Grosi, reinliche Windeln und Katzen statt Liebe

Achtung: Gleich brennt die Bude. Katze am Weihnachtsbaum. Nicht unsere Katze. Das ist ein Symbolbild. Das passt zu Weihnachten. Denn da werden wir immer ganz symbolisch.

(Bild: fotolia)

Ja, an Weihnachten kann man was erleben. Stimmt nicht, denken Sie? Völlig falsch. Da brennen Bäume. Und da brennen die Sicherungen durch bei den Verwandten. Und bei den Katzen. Plus: Da kommt das herzigste Baby der ganzen Welt zum Zug. Wirklich. Das herzigste.

Weihnachten ist auch die Zeit der grossen Familiengeschichten. Hier sind unsere.

Kater setzt Grosi in Brand

Valeria Wieser – In diesem Stück spielen mit: Der liebe, weisse Kater Basil, der arrogante, schwarze Kater Zorro. Ein labiler Baum. Eine überforderte Familie und eine beherzte Grossmutter namens «Grosi».

Da sitzen wir vor dem kerzenerleuchteten Baum, sinnen kummervoll darüber nach, ob denn der gewünschte, flauschige Elefant überhaupt in eines der unzähligen Pakete hineinpasst, die da unter der Tanne liegen. Zwischen den Kisten Zorro und Basil, die sich genau einmal im Jahr vertragen. Und zwar unterm Tannenbaum, denn da ists flauschig und geborgen und die ätherischen Tannendüfte erledigen den Rest.

Doch der Frieden ist trügerisch. Eine falsche Bewegung des behäbigen weissen Katers, der schwarze juckt auf, wetzt die Krallen und setzt zum Hechtsprung gen Basil an. Dieser knallt gegen den Baumstamm, und ganz langsam, mit wehenden Kerzen, beginnt die Tanne zu fallen. Halt- und wurzellos geht sie zu Boden. Die Katzen machen sich vom Acker. Der Baum liegt, die Tannenästlein beginnen zu brutzeln, die Kinder kreischen.

Schon rennen wir Gofen in Richtung Haustüre. Und glotzen aus sicherer Distanz zurück zum gefällten Tannli, auf dem mittlerweile das Grosi mit ihren Moccasins und finsterer Miene herumtrampelt. Irgendwann ist Ende Feuer, die Katzen keifen sich in der Küche an, das Grosi riecht leicht angesengt. Der Feuerlöscher wird prominent in der Stube platziert, auch wenn an diesem Abend bestimmt kein Lichtlein mehr brennt.

Bestimmt nicht, Jesus! Übertreib mal nicht

Falco Meyer – Erste Weihnachten mit Baby. Man stellt sich das im Vornherein wunderbar vor. Alle sprechen Babysprache. Die grossen Kinderaugen sind wieder da, wenn die Geschenke kommen. Da ist endlich eine dabei, die sich von den Kerzen verzaubern lässt. Und die mitsingt, wenn gesungen wird. Oder zumindest begeistert mitkrächzt. Nicht so wie die Verwandtschaft, die man dazu nötigen muss. Also nicht alle. Du machst das fantastisch, Cousine. Team mehrstimmig. Check. Team «los noch mal ein Lied!». Check. Team «haltet mal die Klappe ich will Geschenke». Äh nein, das sind die anderen.

Endlich wieder jemand dabei, dem man die ganze Sache mit dem Christkind erklären kann, das die Geschenke bringt. (Es ist halbdurchsichtig und deshalb sieht mans nicht so gut, das nennt sich Ektoplasma.) Jemand, der Mordsspass am ganzen Geschenkpapier hat, das man zerreissen kann, solange es nicht von besorgten Schönheits-Sammlern in Sicherheit gebracht wurde. Jemand dem man die Schuld geben kann, dass man selber keine Geschenke hat: Sorry, Mädels, ihr wisst schon, grad extrem viel um die Ohren mit der Kleinen. Aber danke für den schönen Hut. Und sie ist ja auch so ein Geschenk an die Welt, nicht wahr? Weil sie so unglaublich herzig ist. Nicht wahr?

Und bei «in reinlichen Windeln das himmlische Kind» kann ich jetzt endlich auch böse mitlachen wie meine Mama und die Tante. Bestimmt nicht, Jesus! Erst unbefleckt und dann noch reinliche Windeln? Übertreibs mal nicht. Ich weiss jetzt, wie das läuft. Die sind immer voll.

Dummerweise heisst «im Vornherein», bevor man Kinder hat. Jetzt, da die Kleine da ist, bezweifle ich, dass ichs überhaupt bis zum Lieder singen schaffe. Ich fürchte, wenn jemand für den Weihnachtsbaum das Licht ausmacht, fallen mir sofort die Augen zu. Und dann schlaf ich durch bis ins nächste Jahr. Bestimmt.

Er bringt uns Liebe! Brecht ihm die Beine!

Markus Mathis – Weihnachten ist das Fest der Liebe, sagt man, und deshalb wollte auch ich vor zwei Jahren Liebe verbreiten. Von meinem Wohnort Zug aus brachte ich nämlich eine Bekannte mit dem Auto zu einer Weihnachtsfeier ins Zürcher Oberland. Ich hatte keine Ahnung, dass am 24. Dezember auf den Strassen die Hölle los ist. Auf der Zürcher Nordumfahrung blieb ich im Stau stecken, und schon war meine Bekannte sauer, dass sie zu spät kam. Danach sollte ich an unsere traditionelle Familienfeier in Kastanienbaum/Luzern.

Um den Verkehrskollaps im Glatt- und Limmattal zu umfahren, schlug ich mich durchs Zürcher Oberland und wollte über den Seedamm in die Zentralschweiz zurückkehren. Vor Rapperswil steckte ich dann wieder fest – und zwar gründlich. Als ich – ordentlich verspätet – in der weihnachtlich geschmückten Stube meiner Eltern einlief, waren meine Angehörigen nicht froh mich zu sehen, sondern sauer. Liebe gesät, das Gegenteil geerntet – Weihnachten hatte begonnen.

Die Franzosen machen wieder alles falsch

Marc Benedetti – Mein speziellstes Weihnachtserlebnis hatte ich mit 17. Damals verbrachte ich die Feiertage ausnahmsweise nicht in der Schweiz, sondern in Paris, bei meiner Familie väterlicherseits. Und ich erlebte dort einen Kulturschock. Weihnachten feierte man bei uns traditionell mit einem echten Tannenbaum mit ebenso echten Kerzen. Darunter stand eine kleine Krippe und lagen hübsch verpackte Geschenke, nicht zu vergessen die Weihnachtsklänge vom Plattenspieler oder TV.

Meine Familie in Paris machte hingegen keinerlei Anstalten, das Fest so zu feiern. Stattdessen hatten meine französischen Grosseltern ein kitschiges Plastikbäumchen mit geschäumtem Kunstschnee und einer Lichterkette im Wohnzimmer stehen. Igitt, schoss es mir durch den Kopf, das ist ja fürchterlich. Wo bleibt denn da Weihnachten? Heiligabend wurde dort gefeiert wie bei uns Sylvester. Mit einer Flasche Schämpis und der obligaten foie gras (von gequälten Gänsen, aber darüber regt sich in Frankreich fast niemand auf).  

Für mich war das alles damals ein Schock, denn ich wusste schlicht nicht, dass es verschiedene Arten gibt, wie dieses Fest gefeiert wird. Damals jettete man weniger in der Welt herum als heute, man hatte also auch weniger interkulturelles Know-how. Niemals mehr Weihnachten in Paris, schwor ich mir. Heute würde ich das ein wenig lockerer sehen.

Kafkaeske Gewaltfantasien in der Kirche

Lionel Hausheer – Es gab eine Zeit, da ging meine Familie noch an heilig Abend in die Kirche. Nicht aus Pflichtgefühl oder Tradition, sondern weil meine Schwester in diesem süssen Chor sang, der mein übermotivierter Primarlehrer zu Selbstvermarktungszwecken dirigierte. Ich fasste es wahrscheinlich eher mit «der ist doof» zusammen, aber so genau weiss ich das nicht mehr.

Dabei konnte die Kirche nichts dafür, Weihnachten konnte nichts dafür, der Chor war völlig unschuldig und sogar der arme Primarlehrer bereitete mit dem Schülerchor an heilig Abend einer vollen Kirche Freude. Allen, ausser mir, denn ich reagierte ziemlich unversöhnlich auf einen gewissen Mathe-Abschlusstest aus dem Juni desselben Jahres.

Aber Sie müssen verstehen: Hätte dieser Sturkopf meine, naja «aussergewöhnlichen» Lösungsvorschläge mit ein klein bisschen mehr Wohlwollen korrigiert, wäre mir damals eine mittlere Krise mit meinen Eltern erspart geblieben. Und nichts hätte meine Weihnachtsstimmung in den folgenden Jahren getrübt. Vielen Dank.

Für meine Eltern und meine Geschwister waren diese Messen wahrscheinlich eine aufregende Mischung zwischen besinnlicher Stimmung und Stolz. Schliesslich sang die Schwester teilweise sogar Solos vor der ganzen Gemeinde. In meinem Kopf waren aber weder Besinnlichkeit noch Chorgesang. Mehr so kafkaeske Folterfantasien mit dem Dirigenten in der Hauptrolle.

Naja, Weihnachtszeit, Zeit der Besinnung und Vergebung, und heute bin ich ja auch älter und weiser geworden. Heute mag ich Chöre und gönne meiner Familie die schönen Erinnerungen. Und den Primarlehrer würde ich auch verschonen. Jedenfalls vor dem Schlimmsten.

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