Luzern schneidet in Studie schlecht ab

Hier klemmt’s in Luzern für die Fussgänger

Wie komme ich hier als Fussgänger durch? Der Bundesplatz in Luzern bekommt schlechte Noten.  (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Wie viel Platz bleibt den Fussgängern? Eine neue Studie vergleicht acht Schweizer Städte miteinander. Luzern schneidet im Vergleich nicht gut ab. Strassen zu queren ist oft mühsam – und es kommt zu Konflikten mit Velos.

Die Organisation Umverkehr wollte herausfinden, wie fussgängerfreundlich die Fusswege in Schweizer Städten sind. Deshalb führte sie im Sommerhalbjahr 2016 in acht Deutschschweizer Städten einen Test durch. Neben Luzern waren das Basel, Bern, Biel, St. Gallen, Thun, Winterthur und Zürich.

Und man kann es drehen und wenden, wie man will – Luzern kommt nicht gut weg. Die Stadt belegt im Ranking den unschmeichelhaften letzten Platz – auch wenn die Diskrepanz nicht riesig ist (hier geht’s zum 70-seitigen Papier).

Eine Fülle von Anforderungen

Den Test hat Umverkehr zusammen mit dem Verkehrsplaner Klaus Zweibrücken entwickelt. Die verkehrspolitische Schweizer Umweltschutzorganisation Umverkehr ist parteipolitisch unabhängig und setzt sich für eine Reduktion des motorisierten Individualverkehrs in den Städten ein. Man wählte nach vorgegebenen Kriterien in jeder Stadt eine beispielhafte Route aus und bewertete sie nach folgenden Merkmalen: «Abschnitte», «Hauptstrassenquerungen», «Plätze» und «Haltestellen».

In Luzern führte die Beispielroute vom Bahnhof zum Helvetiaplatz – allerdings über Umwege: via Bahnhofplatz–Seebrücke–Schwanenplatz–Ledergasse–Sternenplatz–Theilinggasse–Weggisgasse–Hirschenplatz–Weinmarkt–Kramgasse–Krongasse–Franziskanerplatz–Hirschmattstrasse–Bundesplatz–Moosstrasse.

«Innenstadtplätze sind immer noch deutlich zu stark vom Verkehr besetzt, statt den Menschen als Aufenthaltsraum zu dienen.»

Studie Umverkehr

«Das Fussverkehrsnetz dient einer Vielzahl von Nutzergruppen, die teilweise völlig unterschiedliche Anforderungen haben. Deshalb sind die Anforderungen, die erfüllt werden müssen, nirgends grösser als beim Fussverkehrsnetz», schreibt Umverkehr in der Studie.

Fragen, die in die Bewertung einflossen, waren etwa: Wie viele Umwege muss man gehen? Gibt es ausreichend Platz? Wie sicher und störungsfrei kann ich laufen? Sind die Wege übersichtlich? Wie ist die Orientierung? Wie können sich Personen mit Mobilitätseinschränkungen bewegen?

Keine Stadt ist «sehr gut»

Zusammenfassend kommt Umverkehr zum Schluss: Luzern erfüllt zwar immerhin 63 Prozent der Anforderungen, liegt damit in der Gesamtbewertung jedoch am Schwanz. Am besten schnitt Zürich (72%) ab, knapp vor Basel (71,3%) und Winterthur (69,1%).

Das Prädikat «Sehr gut» erhielt keine Stadt, dafür hätten 80 Prozent der Anforderungen erfüllt werden müssen. Zürich und Basel erfüllten immerhin ein «Gut» (mindestens 70%), die restlichen – auch Luzern – ein «Genügend» (mindestens 60%). «Tendenziell schneiden die grösseren Städte fussgängertechnisch besser ab als die kleineren», so Umverkehr. Und Luzern gehört hier klar zu den kleineren.

Lange Wartezeiten bei Strassen

Luzern schnitt bei Strassenquerungen als einzige Stadt nur genügend ab. Die Studie kritisiert die oft zu langen Wartezeiten bei Querungen mit Lichtsignal: in Luzern etwa bei der Pilatusstrasse oder beim Schweizerhofquai. Hier sei die Wartezeit mit über 60 Sekunden «deutlich zu lang». Das heisst: nicht erfüllt.

Der Mast mitten im Wartebereich bei der Pilatusstrasse wird bemängelt.   (Bild: Umverkehr)

Der Mast mitten im Wartebereich bei der Pilatusstrasse wird bemängelt.   (Bild: Umverkehr)

Und auch bei Querungen von Hauptstrassen ohne Lichtsignal erhält Luzern die Note «schlecht» – als einzige der acht Städte. Die Sichtverhältnisse seien meist zu eingeschränkt. Die Querung des Hirschengrabens in Luzern ist mit 50 Prozent (knapp genügend) gar die am schlechtesten bewertete Querung. «Verantwortlich für die Bewertung sind unter anderem die ungenügende Beleuchtung, die fehlende Schutzinsel und störende Velos, einerseits abgestellt in den Warteräumen und andererseits bei der Mitbenutzung der Querung.»

Die Studie nennt ein weiteres Negativ-Beispiel bezüglich Querung in Luzern: die Hirschmattstrasse, wo einmündende Autos oft das Trottoir blockieren. «Herrscht auf der Hirschmattstrasse viel Verkehr, müssen Autos auf dem Trottoir zum Teil lange warten und blockieren so die FussgängerInnen.»

Parkplatzzufahrt übers Trottoir bei der Hirschmattstrasse.   (Bild: Umverkehr)

Parkplatzzufahrt übers Trottoir bei der Hirschmattstrasse.   (Bild: Umverkehr)

Bahnhofplatz ist top …

Sehr gut weg bezüglich Querung kommt hingegen der Bahnhofplatz. Dieser schneidet sowieso als Ganzes gut ab, er erfüllt 85 Prozent der Anforderungen. Der zweitschlechteste Platz ist jedoch ebenfalls in Luzern: mit 41 Prozent (gerade noch ungenügend statt schlecht) der Schwanenplatz. Ebenfalls ungenügend sind Bundesplatz, Franziskanerplatz und Weinmarkt.

Bei letzteren beiden kritisiert die Studie: «Beide Plätze sind nicht autofrei, weisen einen störenden Fuss-Velo-Mischverkehr auf und weisen auch sonst bedeutende Mängel auf wie fehlende Sitzgelegenheiten, fehlenden Wetterschutz und Kopfsteinpflaster beim Weinmarkt und eine ungenügende Beleuchtung und Einsehbarkeit sowie eine wenig einladende Gestaltung beim Franziskanerplatz.»

Weinmarkt: Autos auf einem «theoretisch schönen Altstadtplatz», besagt die Studie.   (Bild: Umverkehr)

Weinmarkt: Autos auf einem «theoretisch schönen Altstadtplatz», besagt die Studie.   (Bild: Umverkehr)

… Hirschmattstrasse hingegen flop

Die Hirschmattstrasse kommt auch in anderen Kategorien schlecht weg: «Ein eindrückliches Beispiel für eine Nichterfüllung der Linienführung ist die Hirschmattstrasse in Luzern.» Dies, weil auf der Strecke vom Hirschengraben entlang der Hirschmattstrasse bis zum Bundesplatz die stark befahrene Pilatusstrasse gequert werden müsse, so die Studie. Im Extremfall müsse man, um über die Pilatusstrasse zu kommen, drei Mal die Strasse queren, da sie nicht wie eine normale Kreuzung vier, sondern nur drei Querungen aufweist.

Auch bezüglich «Hindernisfreiheit» erhält Luzern nur ein knapp genügend (51%), Spitzenreiter ist hier Bern mit über 80 Prozent. Positiv hebt die Studie hingegen die Brücken heraus, in Luzern erhält etwa die Seebrücke ein sehr gutes Ergebnis.

«Die Vernunft kehrt zurück»

Immerhin hält Umverkehr fest, dass man die Zeichen der Zeit erkenne. «Die Situation der Fussgänger in den Deutschschweizer Städten ist generell genügend bis gut», schreibt Umverkehr. Insgesamt habe sich die Situation in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten leicht verbessert.

Während der «verkehrspolitischen Planungs- und Bausündenzeit der 1960er- bis 1970er-Jahre» seien Unterführungen für Fussgänger noch düster und unsicher sowie gedanken- und schonungslos unter den Boden versenkt worden. «Seither kehrte bei Städte- und Verkehrsplanern viel Einsicht und Vernunft zurück», so die Organisation.

Querung Bahnhofplatz: Gute Noten, einzig die Abfallcontainer auf der anderen Seite stören.  (Bild: Umverkehr)

Querung Bahnhofplatz: Gute Noten, einzig die Abfallcontainer auf der anderen Seite stören.  (Bild: Umverkehr)

Es bleibe viel zu tun, kommt die Studie zum Fazit: «Vielerorts trafen wir auf zu schmale Trottoirs. Nach wie vor werden Autos legal und illegal auf Trottoirs parkiert. Innenstadtplätze sind immer noch deutlich zu stark vom MIV (Motorisierten Individualverkehr) besetzt, statt den Menschen als Aufenthaltsraum zu dienen.»

Velostreifen besser als Mischverkehr

Speziell hervor hebt die Studie auch die Konflikte zwischen Fussgängern und Velofahrern. Zu Konflikten führe zunehmend der im Mischverkehr geführte Velo- und Fussverkehr. Insbesondere Zürich und Luzern, aber auch die Velostadt Winterthur, schneiden schlecht ab, was Konflikte mit Velos angeht. Umverkehr schreibt: «Verantwortlich für das schlechte Abschneiden dieser Kategorie sind die vielen Mischzonen Velo-/Fussverkehr und die vielerorts auf den Trottoirs abgestellten Velos.»

Besonders für Luzern dürfte diese Kritik spannend sein. Dies, weil sie nicht von der Fussgängerlobby kommt, sondern von einer Organisation, die den Velos wohlgesinnt ist. Und auch, weil die linken Parteien im Stadtparlament aktuell fordern, den Quai für die Velos zu öffnen – und eine gemischte Zone einzuführen mit Vortritt für Fussgänger (zentralplus berichtete).

Umverkehr hält klar fest: «Die Führung des Veloverkehrs auf Fuss- beziehungsweise Gehwegen sollte wenn immer möglich vermieden werden. Eine Veloverkehrsführung auf Velostreifen ist immer die bessere Alternative.»

Querung Hirschengraben, nur knapp genügend.  (Bild: Umverkehr)

Querung Hirschengraben, nur knapp genügend.  (Bild: Umverkehr)

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


1 Kommentar
  • Profilfoto von Marina
    Marina, 15.11.2016, 22:26 Uhr

    Als Fussgängerin in der Stadt, die sich an Zebrastreifen, Lichtsignale usw. hält, fallen mir ebenfalls die grossen Umwege und teilweise lange Wartezeiten auf. Auch unangenehm: in der Mitte einer vierspurigen Strasse auf einem schmalen Asphaltstreifen auf die nächste Grünphase warten (z.B. Querung Pilatusplatz/Pilatusstrasse oder Paulusplatz/Bundesstrasse…).

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon