Ein behinderter Unternehmer kann nicht expandieren

IV hindert Zuger an nächstem Karriereschritt

Der Zuger Treuhänder Christian Plaschy beim Torbogen vor dem Bahnhof Luzern.

(Bild: pbu)

Der Zuger Treuhänder Christian Plaschy möchte vor allem eines: beruflich weiterkommen. Auch eine psychische Krankheit hinderte ihn nicht daran, ein eigenes Unternehmen aufzubauen. Ausgerechnet die IV steht ihm nun aber im Weg für seinen nächsten Karriereschritt.

«Jemand, der eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung hat, ist einfach ein besonderer Mensch.» Diese leicht pathetisch anmutenden Worte stammen von Christian Plaschy. Geäussert werden sie im neusten Film des Schweizer Regisseurs Jürg Neuenschwander (siehe Box). «Gleich und anders» lautet der Titel des Werks. Und Christian Plaschy ist einer der Protagonisten.

Plaschy sei ein Oberwalliser Geschlecht, erzählt uns der 38-jährige Zuger, den wir in einem Café in Luzern treffen. Der ausgebildete Treuhänder setzt sich uns gegenüber, ordert eine heisse Schokolade und ist entzückt, als ihm dazu noch ein Glas Leitungswasser gereicht wird. «Schön gemütlich ist es hier», sagt er, während er das braune Pulver sachte unter die Milch rührt.

Ordnungszwang in der Arbeitswelt

So entspannt war Plaschy in den vergangenen Jahren nicht immer. Der Zuger leidet an einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung und einer Zwangsstörung mit überwiegenden Zwangshandlungen. «Mein Handwaschzwang fällt beispielsweise unter die Zwangsstörung», erklärt er. Das sei nicht weiter problematisch. «Dann wasche ich mir halt etwas länger die Hände. So what?»

«Ich bin langsamer als andere, dafür aber genauer.»

Christian Plaschy, Treuhänder

Einschneidender ist allerdings die Persönlichkeitsstörung. Gerade im Arbeitsumfeld. Vor allem in der Treuhandbranche mit ihren Mandatsverhältnissen. Menschen mit dieser Diagnose haben einen Hang zum Perfektionismus, sind übervorsichtig, ständig am Kontrollieren und von grossen Unsicherheiten geplagt. Plaschy erklärt es so: «Es geht um Arbeitstempo-Schwankungen. Ich bin langsamer als andere, dafür aber genauer.»

In einer Arbeitswelt, die von Effizienz und hohem Zeitdruck geprägt ist, stellt das natürlich ein Problem dar. In seiner Ausbildungsstätte zum Treuhänder lief es zunächst noch gut, «weil ich dort einen verständnisvollen Arbeitgeber hatte», erzählt Plaschy. Ab dann nahmen die Probleme aber ihren Lauf.

Demütigende Diagnose

Mehrere Stellen musste er nach kurzer Zeit wieder aufgeben. «Es wurde jeweils etwas von mir verlangt, was ich nicht bieten konnte.» Immer wieder gab es Differenzen mit den Vorgesetzten. Ohne Überstunden konnte er sein Tagespensum nicht erfüllen. Seine Krankheit bestimmte seinen Rhythmus. «Ich passte nicht ins System der verrechenbaren Stunden», erklärt er.

«Ich wollte herausfinden, wie ich trotz meiner Andersartigkeit beruflich erfolgreich sein kann.»

Ende 2011 wollte Plaschy wissen, was genau eigentlich mit ihm los sei. Er wandte sich an die IV-Stelle Zug und bat um Hilfe. «Ich verspürte nicht unbedingt einen Leidensdruck. Aber ich lief gegen eine Mauer und wollte herausfinden, wie ich trotz meiner Andersartigkeit beruflich erfolgreich sein kann.»

Die IV liess von einem externen Psychiater ein Gutachten erstellen. Als Plaschy seine Diagnose erfuhr, war er zunächst froh, dass er etwas Konkretes in den Händen hielt. Der Gutachter kam allerdings zum Schluss, dass Plaschy zwar voll arbeitsfähig, aber nur zu 60 Prozent leistungsfähig sei. Plaschy erhielt eine IV-Viertelsrente zugesprochen – eine Demütigung für den strebsamen Zuger.

«Die IV hätte mir niemals eine Rente sprechen sollen.»

Auf sich alleine gestellt

Was ihm besonders sauer aufstösst, ist die Tatsache, dass er keinerlei Unterstützung erfuhr. Niemand fühlte sich laut Plaschy verpflichtet, das Gutachten mit ihm zu besprechen. Geschweige denn, ihn bei der Planung seiner beruflichen Zukunft zu unterstützen. Eine niederschwellige Arbeit in einem geschützten Rahmen kam für ihn nicht infrage.

Wenn die Psyche uns fordert

Im Film «Gleich und anders – Wenn die Psyche uns fordert» geben Menschen mit psychischen Krankheiten einen direkten Einblick in die Herausforderungen, die sich ihnen rund um das Thema Arbeit stellen. Sie äussern sich persönlich und authentisch zu ihren Abstürzen und Erfolgen, zu ihren oft gravierenden Geldsorgen, zu ihren unterschiedlichen Erfahrungen mit Arbeitgebern, Ärzten und Sozialinstitutionen.

In seinem Film porträtiert Jürg Neuenschwander 14 Menschen, die zeigen, dass sich Arbeit und psychische Behinderung nicht widersprechen. Weitere Informationen zum Film finden sich auf der Homepage «gleichundanders.ch».

«Die IV hätte mir niemals eine Rente sprechen sollen», sagt Plaschy rückblickend. «Man hätte mich auf der Suche nach dem richtigen Weg begleiten müssen.» Die zuständige IV-Beraterin habe ihm damals mündlich mitgeteilt, dass er sich mit seiner eingeschränkten Arbeitsfähigkeit abfinden müsse.

Der Wiedereinstieg

Plaschy wollte sich damit aber nicht abfinden. Also nahm er die Sache selbst in die Hand, denn er war überzeugt davon, dass er über Stärken verfügte, die im ersten Arbeitsmarkt sehr wohl gefragt sind. Er suchte also nicht mehr nach einer Anstellung bei einem verständnisvollen Arbeitgeber, sondern gründete kurzerhand seine eigene GmbH.

Das war im Mai 2012. Seit über vier Jahren bietet Plaschy nun seine Dienste über das eigene Beratungsunternehmen an. Kurze Zeit nach der Gründung seiner GmbH zog er auch schon einen Grosskunden an Land. Plaschy fasste wieder Fuss auf der Karriereleiter. «Heute bin ich beruflich relativ erfolgreich», sagt er. Seine Ein-Mann-Beraterfirma erwirtschaftet monatlich einen Umsatz von rund 10’000 Franken.

Christian Plaschy vor dem Bahnhof Luzern. Auf seiner Brust trägt er das Logo seines Social Music Networks «Plaschy Music». (Bild: pbu)

Christian Plaschy vor dem Bahnhof Luzern. Auf seiner Brust trägt er das Logo seines Social Music Networks «Plaschy Music». (Bild: pbu)

Neue Stolpersteine

Die IV-Viertelsrente bezieht er nach wie vor. Und das wird ihm nun zum Stolperstein. Neben seiner Beratertätigkeit möchte sich Plaschy mit dem Aufbau eines Social Music Networks nämlich ein zweites Standbein aufbauen. «Damit möchte ich letztlich auch Arbeitsplätze für psychisch beeinträchtige Menschen schaffen», sagt er. Weil er selber aber eine Rente bezieht, darf er selbst keine IV-Bezüger anstellen.

«Ich bin kein von der IV anerkannter Arbeitgeber», erklärt er. Die IV sei zu unflexibel und denke viel zu wenig unternehmerisch, so Plaschys Vorwurf. «Gerade in der heutigen Zeit, in der es eine massenhafte Zunahme an psychischen Störungen bei jungen Menschen gibt, muss dringend ein Umdenken stattfinden.»

«Unsere Gesellschaft hat die Tendenz, alles und jeden nach einer Norm auszurichten.»

Plädoyer fürs Unkonventionelle

Arbeitgeber nimmt er ebenfalls in die Pflicht. Wenn man seine Krankheit offen kommuniziere, bekäme man in 99,9 Prozent der Fälle eine Absage oder werde gar zum Vornherein aussortiert, so der Zuger. Er selbst bezeichnet sich als Ausnahmebeispiel für die erfolgreiche Eingliederung einer speziellen Arbeitskraft. «Unsere Gesellschaft hat die Tendenz, alles und jeden nach einer Norm auszurichten. Ich aber bin für Authentizität.»

Es brauche Leute mit einer unkonventionellen Sicht auf die Menschen. «So lassen sich Stärken ausmachen, die auf den ersten Blick vielleicht nicht ersichtlich sind», ist Plaschy überzeugt. «So wie das bei mir ja auch der Fall ist.» Diesbezüglich sei noch viel Aufklärungsarbeit nötig. Mit seinem Mitwirken im Film «Gleich und anders» möchte Plaschy zumindest einen kleinen Teil dazu beitragen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Christian Plaschy
    Christian Plaschy, 02.12.2016, 00:50 Uhr

    Nun bin ich die IV-Viertelsrente los, eine simple administrative Vertragsänderung, dass ich von meiner Haupteinnahmequelle nicht mehr Honorar, sondern direkt Lohn bekomme, hat dafür gereicht.

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