Luzern/Thun: So regeln andere Städte das Problem

Velo fahren am Quai? In Thun ist das Realität

Am Aarequai in Thun gibt es schon lange kein Fahrverbot mehr für Velos.

(Bild: zVg Tiefbauamt Stadt Thun)

In Luzern wird das Fahrverbot für Velos am Quai kontrovers diskutiert. Erfahrungen mit der gleichen Situation hat die Stadt Thun. Seit Jahren teilen sich hier Fussgänger und Velofahrer den Aarequai entlang des Sees. Das funktioniert. Wenn auch nicht ganz problemlos. 

Erboste Fussgänger, die Velofahrer mit dem Schirm attackieren, und hässige Bemerkungen. «Hier gilt Fahrverbot! Rowdy!» Solche Situationen gibt es in Luzern. Und es gab sie auch in Thun. Das ist allerdings lange her, denn dort ist es Velofahrern heute gestattet, die schöne Seepromenade entlangzufahren.

Das möchten manche auch in Luzern erreichen: Grüne und SP haben vor Kurzem ein entsprechendes Postulat beim Stadtparlament eingereicht. Sie fordern, dass auf dem Quai zwischen Luzernerhof und Verkehrshaus das Fahrverbot aufgehoben wird (zentralplus berichtete).

Etappenweise Lockerung für Velos

In Thun hat dieser Prozess vor 20 Jahren begonnen. Die Öffnung des Aarequais für Velofahrer wurde damals etappenweise eingeleitet. Zuerst wurde das Fahrverbot an Wochentagen aufgehoben. Und auch das nur auf bestimmten Abschnitten des Quais. Über die Jahre wurden die Vorschriften und Verbote dann langsam, aber stetig gelockert und heute heisst es: Freie Fahrt für die Velos am Quai. 

«Die Gegner sagten dem Salamitaktik, für die Befürworter war es ein Miteinander.»
René Lüthi, Präsident Pro Velo Region Thun

So kann jetzt in Thun die ganze rund zwei Kilometer lange Strecke befahren werden, selbst an Wochenenden. «Die Gegner sagten dem Salamitaktik, für die Befürworter war es ein Miteinander», sagt René Lüthi, Präsident Pro Velo Region Thun. Bis es so weit war, war der Weg steinig: Das Thema ist emotional, die Diskussionen extrem kontrovers. «Auf beiden Seiten wurde mit harten Bandagen gekämpft.» Der passionierte Velofahrer weiss, wovon er spricht: Lanciert wurde die Forderung für die Aufhebung des Veloverbots damals von ihm und der Pro Velo.«Es brauchte unglaublich viel Überzeugungsarbeit, Energie und Zeit!», sagt er.

Der Prozess für die Mischzone Fussgänger/Velofahrer hat vor 20 Jahren begonnen.

Der Prozess für die Mischzone Fussgänger/Velofahrer hat vor 20 Jahren begonnen.

(Bild: zVg Tiefbauamt Stadt Thun)

Logische Alternative zur Hauptstrasse

Dass der Aarequai für Velos geöffnet werden sollte, hatte in Thun die gleichen Gründe wie in Luzern: Die parallel verlaufende Hauptstrasse ist extrem stark befahren und gefährlich. Der Quai hingegen ist ruhig und bietet erst noch eine schöne Aussicht. «Darum ist es völlig logisch, dass Velofahrer auf diese Alternative zur gefährlichen Strasse ausweichen.»

Was verboten war, sollte legalisiert werden, und dafür kämpfte Lüthi mit Gleichgesinnten jahrelang. Er selber wohnt im Nachbarort Hünibach und fährt die Strecke nach Thun mehrmals täglich hin und zurück. «Ich kenne den Aarequai bestens. Und es war mir auch ein persönliches Anliegen, eine Verbesserung für Velofahrer zu erwirken», sagt er.

«Es lässt sich nicht abstreiten, dass den Fussgängern etwas weggenommen wurde.»
René Lüthi

So ähnlich die Situation in Luzern und Thun ist, es gibt einen wesentlichen Unterschied: Der Aarequai ist viel schmaler als jener in Luzern. Das verunmöglicht eine Extraspur für die Velos. Stattdessen wird auf Rücksicht bei Tempo und Fahrweise der Velofahrer gesetzt. Das klappe aber nicht immer

Ein «Grüessech!» in Thun

In Thun gelten diese Regeln für Velos am Aarequai:

  • Die Fussgängerinnen und Fussgänger haben Vortritt.
  • Der Quai ist auch ein Spielort. Achtung: Fussgänger, insbesondere Kinder bewegen sich oft überraschend.
  • Aufpassen ist vorab Sache der Velofahrenden.
  • Auf dem Quai gilt: langsam fahren, beim Überholen genügend seitlichen Abstand halten, notfalls absteigen und das Velo schieben.
  • Ein nettes Grüessech und Merci kommen viel besser an als aufdringliches Klingeln.
  • Wer es mit dem Velo eilig hat oder zügig mit dem E-Bike unterwegs ist, fährt besser über die Hofstettenstrasse.
  • E-Bikes mit gelber Nummer gelten als Mofas und sind auf dem Quai nicht zugelassen.
und für Fussgänger ist die Situation teilweise unbefriedigend. «Es lässt sich nicht abstreiten, dass den Fussgängern etwas weggenommen wurde. Für sie ist die Situation jetzt schlechter als vorher», gibt René Lüthi unumwunden zu. Dafür verantwortlich sind seines Erachtens jedoch weder die Radler noch die Passanten, sondern die Zustände im Verkehr. «Der Strassenverkehr wird immer dichter und gefährlicher. Das geht auf die Kosten des Langsamverkehrs und es ist schade, dass sich diese dann stellvertretend bekämpfen.

E-Bikes sind teils rasant am Quai unterwegs

In Thun setzt man auf Toleranz und Rücksichtnahme von Velofahrern und Fussgängern, das zeigen auch die Kampagnen der Stadt: Auf Flyern und Plakaten wird auf witzige Art darauf aufmerksam gemacht, dass man nicht alleine an der Promenade unterwegs ist. «Grundsätzlich funktioniert die Rücksichtnahme und das Miteinander von Fussgängern und Velos gut», sagt Beat Hämmerli, Projektleiter Tiefbauamt Thun. Dass nicht alle Freude daran haben, sei zwar nicht wegzudiskutieren. «Aber auf den vorhandenen Flächen sind nun mal verschiedene Leute unterwegs und es geht nur miteinander.»

«Damit eine Mischzone funktionieren kann, ist das Tempo das A und O.»
Beat Hämmerli, Projektleiter Tiefbauamt Thun

Alles in Butter also am Aarequai? Durchaus nicht, zeigt ein Blick in die Lokalzeitung «Thuner Tagblatt». «E-Bikes sorgen für Kontroverse», titelte das Blatt kürzlich einen Bericht dazu. Demnach sind viele der schnellen Flitzer auch am Quai unterwegs und verärgern die Passanten. Die schnellen Elektrovelos sind am Aarequai geduldet, jene mit gelber Nummer allerdings nicht – sie müssten wie Mofas auch die Strasse benützen. «Das zu kontrollieren, ist für die Polizei jedoch nicht immer einfach: Stellt ein solches Bike den Motor aus, gilt es als Velo und darf also auch hier fahren», erklärt Hämmerli.

Aus der Plakatkampagne der Stadt Thun: «Nein Danke! Rücksicht statt Wadenwickel».

Aus der Plakatkampagne der Stadt Thun: «Nein Danke! Rücksicht statt Wadenwickel».

«Damit eine Mischzone funktionieren kann, ist das Tempo das A und O», sagt Hämmerli. Die Erfahrungen diesbezüglich zeigen in Thun, dass das an Wochenenden gut funktioniert: «Wenn viele Spaziergänger unterwegs sind, reguliert sich das selber: Für die Velos ist es mühsam und darum fahren sie dann entweder doch auf der Strasse oder passen ihr Tempo eben entsprechend an.»

Davon will man in Luzern nichts wissen

Nichts wissen von solchen Mischzonen am Quai in Luzern will man beim Fachverband Fussverkehr Region Luzern: «Die Fussgänger haben das Trottoir und die Radfahrer den Radstreifen. Und der Quai ist ein Trottoir, das in der Touristenstadt exklusiv Touristen und einheimischen Fussgängern zur Verfügung stehen soll», sagte Kurt Aeschlimann, Präsident von Fussverkehr Region Luzern gegenüber zentralplus. Der Fachverband reichte auf das Postulat der Grünen und SP denn auch postwendend eine Petition bei der Stadt ein: «Der Quai zu 100 Prozent den zu Fuss Gehenden! Für die Beibehaltung des Fahrverbotes auf den Quai-Anlagen.» 

Die Kontroversen für oder gegen eine Fahrverbot am Quai in Luzern dürften also weitergehen. Dass solche Anliegen seitens Befürworter viel Geduld und Überzeugungsarbeit brauchen, zeigt das Beispiel Thun. In Luzern kann man darauf gespannt sein, wie sich die Situation entwickeln wird.

Am Quai zwischen Luzernerhof und Verkehrshaus gilt ein Fahrverbot für Velos. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Am Quai zwischen Luzernerhof und Verkehrshaus gilt ein Fahrverbot für Velos. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

 

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