Bewohner sollen sich Freiraum selbst aneignen

Städtebau-Podium ruft in Zug zur Rebellion

Von links nach rechts: Angelus Eisinger, Hans-Jörg Riwar, Joelle Zimmerli und Guido Haber.

Das Zuger Bauforum hat ein Podium zum Thema «Sehnsucht nach Freiräumen» organisiert. Die vier markigen Statements der Profis für die zukünftige Städteplanung hatten es in sich. Etwas kühler reagierte das Zuger Amt für Raumplanung.

Das Wort «Freiräume» hat ein Problem: Man kann sich nichts wirklich darunter vorstellen. Das Podium des Zuger Bauforums roch wohl auch deshalb bereits im Voraus stark nach einer Meta-Ebene-Diskussion. Eine Sozialwissenschaftlerin, ein Landschaftsarchitekt, der Direktor Planungsdachverband Zürich und ein Zuger Pfarrer näherten sich dem Thema an und sorgten dennoch für inspirierende Statements für die Städteplanung von morgen.

«Ein Park ist nicht, was man übrig lässt»

Der Landschaftsarchitekt Guido Hager machte den Anfang. Und er rührte gleich mit dem grossen Löffel an, als er ein Plädoyer auf die Grosszügigkeit hielt. «Ein Park, ein Freiraum ist nicht, was man rundherum übrig lässt. Sondern ein Ort, an dem jeder frei ist zu tun, was er will. Ein Ort, an dem man die Vögel singen hört und vergessen kann.» In eine ähnliche Bresche schlug die Sozialwissenschaftlerin Joelle Zimmerli.

Ein Abhang zwischen Quartierstrasse und Hauseingang, auf dem Kinder sich runterrollen lassen: Das sei ein Beispiel für das, was eben einfach nur übrig gelassen wurde, meint Joelle Zimmerli. «Niemand hat geplant, dass Kinder je auf diesem Abhang runterrollen werden.» Die Gestalter sollten weniger gestalten und Mut zu ungeplanten Räumen beweisen. «Menschen, die ein Bedürfnis nach Freiraum haben, gehen hin und holen ihn sich», schliesst die Sozialwissenschaftlerin.

Freiräume als Akt der Befreiung

Hans-Jörg Riwar, Pfarrer der reformierten Kirche Zug, spricht lieber aus einer anderen Perspektive: Er stellt mit Liegestühlen in der stillen Kirche gleich selbst Freiräume zur Verfügung, man muss sich diese nicht selbst holen. «Freiräume bedeuten für mich auch eine Einladung zum einfach Sein», bringt er die Aktion auf den Punkt.

 «Freiräume verlangen immer wieder nach einem Akt der Befreiung.»
Angelus Eisinger

Die Bilder zur Illustration der bisherigen Reden zeigten eher viel Grün. Das Bild von Angelus Eisinger, Direktor des Planungsdachverbandes Zürich, ist zwar keine Autobahn, doch wenigstens eine ehemalige: In Madrid hat man die zehnspurige Autobahn zwischen zwei Stadtteilen in einen Park umgewandelt. Die Anekdote wirkt inspirierend und so auch der eigentliche Kernsatz seines Statements: «Freiräume verlangen immer wieder nach einem Akt der Befreiung.»

Tote Winkel werden attraktiv

Dieser Akt der Befreiung zog sich als roter Faden durch die folgende Diskussion. Joelle Zimmerli sagte beispielsweise: «Gestaltung engt ein, man muss sich die Freiräume einfach holen.» Das klingt beinahe nach einem Aufruf zur Rebellion. Guido Haber formuliert etwas sanfter und brachte das Bild eines Handels in die Diskussion: «Wenn Freiräume genutzt werden, dann werden gleichzeitig auch oft ehemals tote Winkel einer Stadt attraktiv.» Eine Win-Win-Situation also.

«Man erwartet, dass solche Akte der Rebellion bei kantonalen Ämtern eher stirnrunzelnd angenommen werden, doch im Gegenteil …»

Doch was sagt die Stadt Zug zu diesen abstrakten Ideen und dem Aufruf, sich die Freiräume einfach zu holen? Man erwartet, dass solche Akte der Rebellion bei kantonalen Ämtern eher stirnrunzelnd angenommen werden, doch im Gegenteil: Martina Brennecke arbeitet für das Amt für Raumplanung des Kanton Zug und findet genau diesen Punkt interessant. «Dass die Bewegung, die Aneignung von Freiraum aus der Bevölkerung selbst kommen muss, das fand ich einen interessanten Aspekt.»

Ein wenig Realismus bitte!

Wie es sein müsste, ist schnell gesagt, in der Praxis tanzen die Puppen dann doch meist nicht so brav nach Drehbuch. Deswegen meint Martina Brennecke auch, man müsse auch ein wenig realistisch sein. Ein gutes Beispiel sei die Lorzenebene. «Die Landwirte in der Lorzenebene verstehen sich eben nicht als Naherholungsgebiet, sondern als Landwirte.» Was selbstverständlich klingt, sei ein Grund für den Tod vieler guter Ideen des Abends, die man auf den Kanton Zug hätte übertragen können. «Da sind realistische Einschätzungen gefragt», sagt Martina Brennecke.

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