Ein gemeinsamer Kleiderschrank im Luzerner Neubad

Kleider tauschen statt kaufen

Shopping ohne Geld, ein altes Konzept in neuer Form – am Walk-in Closet im Neubad. (Bilder: WIC-Facebookseite)

Kleidertauschen – was sonst vor allem unter Geschwistern und Freunden üblich ist, funktioniert auch im grossen Rahmen. Beim erfolgreichen Projekt «Walk-in Closet» tauschen hunderte Menschen ihre Kleider. Doch viele Besucher interessieren sich kaum für den Hintergrund des Events.

Ein begeistertes Nicken oder ein kritisches «Jäääää?» von guten Freunden sagt alles – das Teil kommt mit an die Kasse oder wird zurück an die Stange gehängt. Neue Klamotten anprobieren kann so ganz schnell zum grossen Spass oder zum grossen Drama werden. Beim Kleidertauschen ist das Ganze nicht viel anders: Man bezahlt halt einfach nichts.

Kleidertauschen ist nichts Neues, viele kennen das aus der Kindheit oder aus dem Freundeskreis. Man trifft sich dafür, wenn mal wieder jemand umzieht oder eine Ausmist-Aktion gestartet hat. Doch Kleidertauschen kann man nicht nur im privaten Rahmen. Hat nämlich im Freundeskreis keiner ein ähnlich dimensioniertes Füdli oder ähnlich lange Arme wie man selbst, dann macht ein grösserer Kreis an Tauschenden definitiv mehr Sinn.

An der HSLU lanciert

Und wenn gleich mehrere hundert Menschen dabei sind, kann eine solche Börse zum richtigen Fashion-Erlebnis werden. Eine Kleidertauschbörse in diesem Rahmen nennt sich «Walk-in Closet» und wurde als Praxisprojekt von Jennifer Perez im Rahmen des Studiengangs Soziale Arbeit an der Hochschule Luzern lanciert.

Der Walk-in Closet begann 2011 als kleines Projekt und hat sich mittlerweile als grösste Organisation von Kleidertauschbörsen etabliert: In Zürich nahmen letztes Jahr knapp 1000 Personen daran teil, vergleichbar grosse Kleidertauschbörsen gibt es in der Schweiz sonst nicht.

In Luzern hat die Börse bisher zweimal im Neubad stattgefunden, vorher fand sie im Bourbaki statt. Um die 160 Tauschwütige waren zum Schluss dabei. Und diesen Herbst geht es im Neubad in die dritte Runde (siehe Box).

Viel Spass und voll im Trend

Doch wie hoch ist der Spassfaktor, wenn der private Rahmen fehlt? Der kommt auf keinen Fall zu kurz, betont Caroline Rey, Organisatorin des Walk-in Closet in Luzern. «Es ist immer jemand dabei, der Musik auflegt und für die entsprechende Stimmung sorgt. Auch ist die Stimmung im alten Schwimmbecken ziemlich ungezwungen, die Kleider werden auch schon mal grad im Pool anprobiert oder gleich anbehalten.»

Es stehe aber natürlich auch ein Raum zum Umkleiden zur Verfügung. «Und zum Tratschen kann man sich auf die Stühle und Barhocker rund um den Pool setzen und dem bunten Treiben zuschauen, das ist supergut möglich im Neubad.»

Tauschen im Neubad

Zum dritten Mal findet am 6. November von 14 bis 17 Uhr im Neubad Luzern der Walk-in Closet statt. Der Eintritt in den grossen Kleiderschrank kostet fünf Franken.

Die Spielregeln: Jeder Mann und jede Frau darf maximal zehn gut erhaltene Stücke zum Tauschen mitbringen und wieder mitnehmen. «Natürlich sind wir nicht so streng, wenn der eine oder die andere mal ein oder zwei Kleidungsstücke mehr mitnimmt. Das ist aber grundsätzlich nicht der Sinn der Sache», so Organisatorin Caroline Rey. Wenn mehr Kleidungsstücke mitgenommen werden, als gebracht wurden, dann ist sicher eine Spende erwünscht, mit welcher der Anlass querfinanziert werden kann.

Doch wie sind die Qualitätsansprüche an einem solchen Hol-und-bring-Markt? «Das Ziel ist, dass man nur Stücke mitbringt, die man selber auch noch tragen würde. Defekte, verwaschene Kleider sortieren wir sofort aus», sagt Rey.

Nicht mitgenommene Kleider, Taschen und Schuhe werden wohltätigen Organisationen gespendet oder je nach Aktualität in die jeweiligen Krisengebiete geschickt. So konnten schon die Winterhilfe, Flüchtlinge in Calais oder die Caritas unterstützt werden.

Konsum hinterfragen

Der Walk-in Closet geniesst immer mehr Medienpräsenz und täglich erhalten die Hauptkoordinatorinnen Anfragen per Mail. Das Interesse an solchen Events und am Thema «Fairer Konsum» scheint zuzunehmen. Organisatorin Rey wiegelt ab: «Es ist sehr unterschiedlich. Teilweise kommen die Leute wirklich einfach, weil sie ‹gratis› etwas mitnehmen können.» Das Ziel sei jedoch klar, die Leute für diese Themen zu sensibilisieren. «Beim nächsten Event wird der Fokus noch mehr auf dem Thema Nachhaltigkeit sein.»

Die Besucher sollen auf die Folgen von Billigmode aufmerksam gemacht werden, ihren eigenen Konsum reflektieren und Informationen über Alternativen erhalten. «Viele haben den Kleiderschrank voll mit Klamotten, die so günstig waren, dass man sie ohne gross nachzudenken kaufte, dann aber kaum je anzieht», so Rey. Wenn man sich bewusst mache, unter welch miesen Bedingungen die modischen Sachen meistens produziert werden, und welche Alternativen es dazu gibt, sei ein Umdenken nicht mehr so weit.

Sind die Jugendlichen noch nicht so weit?

2013 hiess es im Beschrieb des Walk-in Closets noch: «Die Börse soll Jugendlichen ermöglichen, sich trotz knappem Budget neu einzukleiden. Durch das Tauschen soll zudem das Umweltbewusstsein der Jugendlichen gestärkt werden.» Zu Beginn wurde der Event also noch klar für Jugendliche angepriesen – das scheint sich verändert zu haben. Rey bestätigt dies: «Ich finde die Zielgruppe Jugendliche mit diesem Angebot schwierig zu erreichen, weil Secondhand-Kleider oftmals noch einen schlechten Ruf haben bei dieser Altersgruppe. Mit zunehmendem Alter nimmt jedoch meines Erachtens der Fokus der Nachhaltigkeit zu. Das Publikum unserer Events würde ich zwischen 20 und 50 verordnen.»

Wollen Sie mehr zum Thema erfahren? Lesen Sie in unserem Nachhaltigkeits-Blog oder untenstehend bei den verwandten Artikel weitere spannende Beiträge.

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