Exotisches aus dem Salesianum

Taubenkoteletten und Hirn in Muscheln zum Zmittag

(Bild: Koch- und Haushaltungssschule Salesianum Zug)

Gebackener Aal gefällig? Ein Buch aus dem Jahr 1948 hat nebst ungewöhnlichen Rezepten auch vergessene Geschichten zwischen den Deckeln versteckt. Wir sind der Spur der Vergangenheit bis nach Menzingen gefolgt und im Archiv eines Instituts auf Perlen und politisch Unkorrektes gestossen.

Da habe ich nicht schlecht gestaunt. Zuhause bei meinen Schwiegereltern in einer Luzerner Landgemeinde bin ich auf ein Buch gestossen. Titel: «Kochbuch Salesianum». Natürlich wollte ich wissen, was hinter dem Buch aus dem Jahr 1948 steckt. Die Recherchen haben mich zu den Heiligkreuzern Schwestern nach Menzingen gebracht. Im Archiv des Instituts bin ich dann auf Dokumente aus einer Zeit gestossen, die sogar meine Grossmutter noch nicht erlebt hatte. Aber von vorne.

Petits Pâtés de Ris de Veau

Knapp 900 Seiten dick ist das Buch, leicht vergilbt, aber einwandfrei lesbar. Es ist ein Zeugnis aus einer Zeit, als die französische Küche Hochkonjunktur hatte. Das zeigt ein Blick in die Rezeptsammlung: Alle Rezepte haben neben dem Deutschen Namen auch einen französischen. So heissen die kleinen Milkenpastetchen auch Petits Pâtés de Ris de Veau. Milken? Das kommt Ihnen auch etwas ungewohnt vor? Dann haben wir noch mehr zu bieten. Beispielsweise Taubenkoteletten (Côtelettes de Pigeons), gebackener Aal (Anuille frite) oder gedämpfter Ochsenschwanz (Queue de Boeuf braisée).

Eher gewöhnungsbedürftig, aber vielleicht die Lösung für die städtische Taubenplage: Taubenkoteletten.

Eher gewöhnungsbedürftig, aber vielleicht die Lösung für die städtische Taubenplage: Taubenkoteletten.

(Bild: Koch- und Haushaltungssschule Salesianum Zug)

Auch der Augenschein auf die Menuvorschläge im Buch mutet für heutige Verhältnisse exotisch an. So gab es in vornehmen Haushalten im frühen 20. Jahrhundert zur Vorspeise beispielsweise eine Fadeneiersuppe. Als Hauptgang servierte man Hirnpastetchen und zum Dessert – endlich etwas Bekanntes – eine Orangencrème.

Ungarische Kroketten. Klingt gut? Dachte ich auch.

Ungarische Kroketten. Klingt gut? Dachte ich auch.

(Bild: Koch- und Haushaltungssschule Salesianum Zug)

Gegessen wurde – glaubt man den Rezepten im Buch – alles: Von Tauben über Fasane, Schnepfen oder Aale bis hin zu eben Ochsenschwänzen, Hirn in Muscheln oder Kutteln. Man lernte im Salesianum jeden Handgriff: dressieren, blanchieren, marinieren, passieren, pochieren, glacieren (übrigens nicht das Gleiche wie glasieren, also einen Kuchen mit Glasur überziehen).

Tausenden von Schweizer Frauen lieb und teuer

Doch warum heisst das Buch «Kochbuch Salesianum»? Wie man in einem Katalog in den Akten des Instituts Menzingen lesen kann, gab es in der Geschichte des Salesianums einen Moment, als es die einzige «katholische Bräuteschule» der Schweiz war. Das Institut Menzingen betrieb diese damals unter dem Namen «Koch- und Haushaltungsschule Salesianum». Dort lernten junge Frauen, ihre frisch angetrauten oder zukünftigen Ehemänner zu bekochen.

Während 50 Jahren – von 1898 bis 1948 — war Schwester Prudentia Bidlingmeier die Leiterin der Schule. Anlässlich dieses Jubiläums im Jahr 1948 wurde das «Kochbuch Salesianum» in der fünften Auflage herausgegeben. Offenbar war das Buch ein grosser Erfolg, denn es wurde 1935 von der Schweizerischen Kochkunst-Ausstellung mit der Goldmedaille ausgezeichnet. Und, so steht es im Buch, «wie die grosse Nachfrage aus weiten Kreisen bezeugt, ist es auch Tausenden von Schweizer Frauen lieb und teuer geworden.»

Das multifunktionale Kochbuch

Doch das Kochbuch war bei Weitem nicht nur ein Kochbuch. Es erfüllte auch andere Zwecke: Erstens mussten die jungen Frauen nicht mehr alles von Hand aufschreiben. So schrieben die «Neue Zürcher Nachrichten» im Jahr 1913: «Um dem – für Lehrerinnen und Schülerinnen gleich lästigen Prozedere – abzuhelfen, entschloss sich das Salesianum, das Ganze als Buch erscheinen zu lassen.»

Zweitens half es auch in gewisser Weise der sozialen Integration bestimmter Schichten. In den institutsinternen Nachrichten, dem «Vergissmeinnicht», schrieb im Juni 1913 eine Frau: «Die französischen Namen in Klammer bedeuten mir ein vorzügliches Nachschlagewerk zur Vorbereitung auf die Sommerfrische. Im modernen Hotel sind die Menus natürlich stets französisch, und wer sie nicht versteht, ist halt nicht ganz auf der Höhe, und der ‹Blamage› hilft das Kochbuch vorbeugen!»

3 Monate Bildung für 200 Franken

Doch wie es der Name «Koch- und Haushaltungsschule» bereits sagt, lernte man dort nicht nur Kochen. Es wurde zum Beispiel auch weibliches Handarbeiten unterrichtet (Hand- und Maschinennähen, Kleidermachen etc.), aber auch die Besorgung von Zimmern, Waschen und Glätten, Hausbuchführung oder die Erziehungslehre absolvierten die jungen Frauen im Salesianum.

Hübsche Bräute: Ein Foto aus alten Salesianum-Zeiten.

Hübsche Bräute: Ein Foto aus alten Salesianum-Zeiten.

(Bild: Archiv Institut Menzingen)

«Die Schule sieht die soziale und pädagogische Aufgabe darin, die künftigen Gattinnen und Mütter auf ihre hohe Aufgabe vorzubereiten in geistiger und hausfraulicher Hinsicht, aber auch die selbstständige berufstätige Frau als hauswirtschaftliche Hilfe und Leiterin von Grossbetrieben oder Familienbetrieben heranzubilden», wirbt denn auch ein Prospekt der damaligen Schule.

Für 200 Franken (ohne Nebenkosten) konnte man sich damals für drei Monate im Salesianum ausbilden lassen. Nebenkosten entstanden, wenn man beispielsweise das Klavier nutzen wollte. Dann bezahlte man zwei Franken Klavierzins pro Monat. 

Die Ehe, das einzig Richtige

Doch – und hier drückt der katholische Konservatismus durch – lernten die Frauen nicht nur Praktisches, sondern auch, was sich als christliche Frau gehört (oder eben nicht). So lehrte eine für die Schulung der angehenden Ehefrauen angestellte Frauenärztin die Schülerinnen: «dass die christliche naturgetreue Ehe auch vom medizinischen Standpunkt aus das einzig Richtige ist».

Darum heisst das Salesianum so

Der St. Karlshof, wo das Salesianum steht, hat seinen Namen vom Heiligen Karl Borromäus, einem päpstlichen Gesandten. Der Legende nach soll er im Jahr 1570 mit dem Schiff von Buonas her über den See gekommen sein und an dieser Stelle erstmals Zuger Boden betreten haben. Zu seinen Ehren wurde 1610 die Kapelle gebaut und ebenfalls nach ihm benannt.

1840 kaufte der Badener Peter Zwyssig den Hof. Als es zu Beginn desselben Jahrzehnts die Klöster verstaatlicht wurden, flüchtete der Bruder von Peter Zwissig, Alberich Zwyssig, vom Kloster Wettingen nach Zug auf den St. Karlshof. In der dortigen Kapelle schrieb er den Schweizerpsalm.

1898 dann kaufte das Institut Menzingen unter der Mutter Salesia Strickler, einer gebürtigen Menzingerin vom Bumbachhof, den Hof. Das im Stil einer französischen Villa gebaute Haus erhielt den Namen Salesianum – zu Ehren der Mutter Salesia Strickler.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon