Neues Zuger Angebot für Betroffene

Magersucht in der Familie? Hier gibt’s Hilfe

Die Selbsthilfegruppen übernehmen eine wichtige Aufgabe. Hier ein Zuger Gesprächskreis. (Bild: Fachstelle Eff-zett, das Fachzentrum)

Selbsthilfegruppe, das klingt anstrengend. Ist es auch, aber auf gute Art. Denn ohne sie wüssten viele Menschen nicht mehr weiter. Etwa, wenn es um Essstörungen geht. Und die sind auch im Kanton Zug Realität. Zwei neue Selbsthilfegruppen wollen Abhilfe schaffen.

Was ist zu tun? Die Tochter isst am Tisch nicht mehr mit, dafür vor lauter Hunger in der Nacht gleich vier Yoghurts, die sie dann wieder erbricht. Oder die Mitbewohnerin. Oder die beste Freundin. Und wenn man sie dabei ertappt, ist es ihr unglaublich peinlich. Essstörungen sind eine Realität, auch im Kanton Zug. Aber seit neuestem gibt’s hier eine neue Form der Abhilfe: zwei brandneue Selbsthilfegruppen.

Selbsthilfegruppe. Das Wort hat schon einiges erdulden müssen. Klingt anstrengend, nach «ich bin der X und ich leide an Y», nach einfühlsamemTonfall und bedrückten Mienen. Alles ganz falsch. Respektive: Alles halb so wild. Denn solche Gruppen können im Leben von Betroffenen einen grossen Unterschied machen – und nicht nur in ihrem. Sonst gäbe es nicht ganze 50 solcher Gruppen im Kanton Zug.

Einige davon sind schon alte «Klassiker», sagt Ester Bättig, etwa die Anonymen Alkoholiker – die Gruppe läuft schon seit über 15 Jahren ohne Unterbruch. Bättig arbeitet als Koordinatorin der «Kontaktstelle Selbsthilfe» bei Eff-zett, das Fachzentrum. Sie ist quasi die Schaltstelle für Selbsthilfegruppen und Interessierte: Sobald es von einem Thema genug Interessenten gibt, unterstützt sie die Beteiligten bei der Gründung einer Gesprächsgruppe. So geschehen vor zwei Monaten.

Spezialfall: Begleitung durch Psychologin

Ester Bättig

Ester Bättig

Dann nämlich sind im Kanton Zug zwei neue Selbsthilfegruppen entstanden: eine für Betroffene von Essstörungen – Anorexie und Bulimie. Und eine für Angehörige von Essstörungsbetroffenen. Das Spezielle an diesen beiden Gruppen? Sie werden von einer Psychologin begleitet. «Der Vorteil dabei ist, dass die Psychologin das Gespräch moderiert und Inputs einbringt», sagt Bättig. Das ist normalerweise nicht der Fall – die Selbsthilfegruppen sollen langfristig selbständig weiterlaufen.

Dieses Ziel ist allerdings nicht ganz einfach zu erreichen. Ab und zu löst sich eine Gruppe auf – «wenn sie keine Entwicklungsräume mehr findet», sagt Bättig. Sie bietet auch Kriseninterventionen an für Gruppen, die festgefahren sind. «Es kommt immer wieder vor, dass Regeln oder Gruppenziele nicht mehr tragen oder vergessen gehen.» Es kämen neue Leute dazu, die Ziele oder Bedürfnisse verändern sich. «Wir bieten auch Weiterbildungen für Gruppenteilnehmende an im Bereich Kommunikation. Wie reden wir miteinander? Ein anspruchsvolles, weites Feld.»

«Das Format Selbsthilfegruppe ist anspruchsvoll, und es gibt richtig gute Leute dabei.»

Ester Bättig

Es sei hilfreich, sich auszudrücken, sich zu öffnen und aus seinem ganz privaten Leben zu erzählen, so Bättig. «Das Format Selbsthilfegruppe ist anspruchsvoll, und es gibt richtig gute Leute dabei.» Je vier Personen sind im Moment in den beiden Gruppen dabei; am Anfang waren es noch mehr, aber es müsse schon passen, sagt Bättig. «Alle zwei Wochen an einem Fachaustausch teilzunehmen, das ist wirklich Arbeit.»

Was ist zu tun?

Was diese Gruppen den Betroffenen bringen können? «Meistens ist der Leidensdruck schon gross, wenn die Leute eine solche Gruppe aufsuchen», sagt Bättig. Dann sind diese Menschen bereit, etwas zu unternehmen. «Im Gespräch können sie Erfahrungen und Strategien austauschen.»

Weshalb brauchen auch Angehörige eine Selbsthilfegruppe? «Eltern, Freunde, Geschwister, Lehrpersonen stossen bisweilen an Grenzen», sagt Bättig. «Wissen nicht mehr, wie weiter. Es ist wirklich schwierig für sie: Einerseits wollen Betroffene oft lange nicht anerkennen, dass sie krank sind, geschweige denn, etwas gegen die Krankheit unternehmen.»

Was also tun, wenn es Anzeichen für eine Essstörung im nahen Umfeld gibt? «Auf keinen Fall versuchen, die Betroffenen zu etwas zu überreden. Es ist zwar hart, aber sehr oft sind Essstörungsbetroffene erst sehr spät dazu bereit, etwas zu unternehmen. Oder sie müssen ärztlich in eine Klinik eingewiesen werden.» In die Selbsthilfegruppe für Betroffene kämen Menschen von 20 bis 40 Jahren, meistens solche, die schon einen Klinikaufenthalt hinter sich haben. «Sie wollen an sich arbeiten», sagt Bättig.

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