Zuger Plattform krempelt Freiwilligenarbeit um

Freiwillige vor: Tibeterhund sucht Spazierbegleitung

Will spazieren gehen und sucht Begleitung: Tibet-Terrier. (Bild: Wikipedia)

Seit zwei Jahren gibt es die Zuger Job-Such-Plattform für Freiwilligenarbeit der Fachstelle Benevol. Davor war Zug Mittelmass in Sachen Nachbarschaftshilfe. Und jetzt? Da bewegt sich was. Und nicht nur bei Benevol. Sondern überall im Kanton.

Wie macht man Freiwilligenarbeit? Man geht zum Verein des Freundes einer Freundin. Zum Senioren-Jass-Verein aus dem Dorf. Zur freiwilligen Feuerwehr. Da, wo man halt so reinrutscht. Das ist altmodisch? Stimmt. Und jetzt auch überholt. Denn der moderne Zuger Freiwilligenarbeiter holt sich seinen Job, wie auch sonst alles, übers Internet.

Der Kanton Zug ist der einzige, der über eine eigene, kantonale Online-Jobbörse für Freiwilligenarbeit verfügt. Die Fachstelle Benevol betreut sie seit zwei Jahren. Zeit für eine Zwischenbilanz. «Wir sind eine kleine Fachstelle», sagt deren Geschäftsleiterin Eliane Birchmeier, «bestehend aus zwei Leuten – Monika Viggiano und mir.» Und trotzdem gross genug, um unter anderem 80 Inserate im Monat und 40 Freiwillige zu koordinieren.

Zug nur im Mittelfeld

Angefangen hat die Plattform als Vermittlungsseite für informelle Freiwilligenarbeit – also unkomplizierte Nachbarschaftshilfe. «Der Kanton Zug steht zwar bei der offiziellen Freiwilligenarbeit an erster Stelle in der Schweiz», sagt Birchmeier, «aber bis vor Kurzem bei der inoffiziellen nur gerade im Mittelfeld.» Zug ist urbanisiert, der dörfliche Charakter vielerorts verschwunden, der Zugang zu einem Gemeinschaftsgefühl für viele verschüttet.

Zumindest war das bis vor zwei Jahren so. Die Plattform hat einen neuen Weg dafür geboten, und sie ist nicht die einzige Bewegung dieser Art im Kanton Zug. Gerade für ältere Menschen ist das von Vorteil. «Wir merken oft, besonders bei frisch pensionierten Rentnern, dass das für sie ein neuer Zugang sein kann», sagt Viggiano, «sie sind es sich aus ihrem Leben vor dem Computer noch gewohnt, Informationen online zu suchen. Jetzt wollen sie Freiwilligenarbeit leisten und suchen sich den Zugang auch übers Internet.»

Glücklicher Tibeterhund, entlastetes Frauchen

Auch Expats nutzen den Service: Gerade sind mehrere Inserate online, bei denen Sprachtandems gesucht werden. Jemand möchte Schweizerdeutsch lernen und bringt im Gegenzug Englisch bei, eine andere Person kocht Abendessen im Austausch für Deutschhilfe. Daneben gibt’s ganz einfache und auch anspruchsvolle Dinge: Gesucht ist etwa ein «Spaziergänger für Tibeterhund» («ein glücklicher Hund und ein entlastetes Frauchen»), aber auch ein «Logistiker für unser Zirkustheater», die Bühne RaBar sucht jemanden, der beim Material-bewegen hilft. Tixi-Fahrer werden gesucht, Sponsorensammler, Tüftler und Spaziergänger.

«Ich bin überzeugt, dass es auch für Unternehmer, nicht nur finanziell, Sinn macht, in eine gute Nachbarschaftshilfe zu investieren.»

Eliane Birchmeier, Geschäftsleiterin Benevol Zug

Die Grenzen sind fliessend. Deshalb hat Benevol vor einem Jahr auch die offizielle Freiwilligenarbeit auf die Plattform geholt. Mittlerweile schalten Vereine Inserate und suchen sich Mitarbeiter bei Benevol. Das ist aber lange nicht alles: Es hat sich eine ganze Reihe von unabhängigen Alternativen gebildet. Die KISS-Genossenschaft in Cham, die Freiwilligenarbeit gegen Zeitgutschriften tauschen, oder die Facebookgruppe «Zuger helfen Zugern», auf der noch informeller Nachbarschaftshilfe betrieben wird. Benevol arbeitet mit allen zusammen, die sich auf dem Feld bewegen. «Wir haben einen guten Draht zu den Vereinen wie der KISS-Genossenschaft Cham, und auch zu ‹Zuger helfen Zugern›. Wir posten auch unsere Inserate ab und zu in der Facebookgruppe, da hat man noch schnellere Resonanz als bei uns.»

Und wenn sich jemand nicht eignet?

Dafür ist es weniger einfach abzuklären, ob sich jemand für einen Einsatz eignet oder nicht. Bei den Freiwilligen, die sich auf der Plattform melden, überprüft Viggiano den Mailverkehr und achtet darauf, was die Motivation für einen Einsatz ist. «Gerade im Sozialbereich sind das Einsätze, die man nur machen kann, wenn man selber mit beiden Beinen auf dem Boden steht.» Wenn sich jemand nicht für einen Einsatz eignet, dann nimmt Viggiano mit der Person Kontakt auf. «Möglicherweise können sie sich dann über einen Verein betätigen. Vereine haben Ressourcen, um sich um ihre Leute zu kümmern.»

Das Projekt ist also, zumindest wenn es nach Birchmeier und Viggiano geht, ein voller Erfolg. «Wir konsolidieren jetzt, das Ganze läuft und es läuft gut.» Deshalb steht schon die nächste Etappe auf dem Plan. Birchmeier will Immobilienfirmen überzeugen, etwas für die Nachbarschaftshilfe in ihren Überbauungen zu unternehmen. «Ich bin überzeugt, dass es auch für Unternehmer – nicht nur finanziell – Sinn macht, in eine gute Nachbarschaftshilfe zu investieren», sagt Birchmeier. Die Menschen würden mehr auf ihre eigene Wohnumgebung achten, wenn sie sich damit identifizieren, und sie blieben länger, wenn das Klima stimmt.

«Es gibt dazu leider noch keine Forschung, aber aus unserer Sicht ist das überzeugend. Weniger Fluktuation bedeutet weniger Kosten, um die Wohnung zu bewerben und jemand Neues zu finden.» Wie die Firmen darauf reagieren werden, ist noch offen. Die Benevol arbeitet für das Projekt mit der Hochschule Luzern HSLU zusammen. Im August sollen erste Firmen angefragt werden. Birchmeier: «Ich bin überzeugt, dass das klappt.»

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