Scharfe Kritik nach Glasenbergs Reise

Hat Glencore ihre Versprechen gehalten?

Jedes Problem soll gelöst werden – das hatte Ivan Glasenberg (zweiter von rechts) bei der Kolumbien-Reise verkündet. Hier bei einem Treffen mit der Gemeinschaft in El Hatillo. (Bild: Bastian Nussbaumer)

Vor rund einem Jahr ist Glencore–CEO Ivan Glasenberg nach Kolumbien aufgebrochen – zusammen mit Vertretern einer Schweizer NGO. Damals hatte er Versprechen abgegeben, die Lebensumstände lokaler Gemeinschaften zu verbessern. Nun meldet sich die NGO zu Wort: Die Glencore habe ihre Versprechen nicht gehalten – es sei «fast gar nichts» passiert.

Die Reise hatte damals für Furore gesorgt: Vor rund einem Jahr sind Vertreter der Arbeitsgruppe Schweiz–Kolumbien (ASK) zusammen mit besorgten Bürgern aus dem Säuliamt und Glencore-CEO Ivan Glasenberg nach Kolumbien gereist, um die Zustände vor Ort zu besprechen. Auslöser für die Reise war der sogenannte «Schattenbericht» der NGO, der aufzeigte, welche Probleme die Kohleminen der Glencore vor Ort auslösen würden. «Glasenberg hat uns damals gesagt: Es sollen alle Themen angesprochen werden, und für alle Probleme soll eine Lösung gefunden werden.» Das sagt Stephan Suhner von der Arbeitsgruppe Schweiz Kolumbien. Er war bei der Reise dabei.

«Glasenberg hat uns damals zwei konkrete Versprechen gemacht», sagt Suhner. Jetzt, ein Jahr später, sei keines davon eingehalten worden – es habe sich fast nichts geändert. Deshalb hat die ASK am Mittwochmorgen einen offenen Brief an Glencore geschickt und darin gefordert, Glasenberg müsse halten, was er versprochen habe. «Konkret ging es dabei um die kleine Gemeinschaft Tamaquito: Bei deren Umsiedelung wurden die versprochenen Wasservorkommen am neuen Standort nicht gefunden», sagt Suhner. Glasenberg habe versprochen, eine Lösung für das fehlende Trinkwasser zu finden.

Zu wenig Perspektiven

Mittlerweile bringen Tanklastwagen der Tochterfirma von Glencore Wasser – allerdings zu wenig und in schlechter Qualität, sagt Suhner. «Das Wasser verfärbt sich nach zwei Tagen, und die Einwohner haben keine Ahnung, woher es stammt: Sie dürfen die Tanklastwagen nicht zur Kontrolle bis zur Quelle begleiten, obwohl sie explizit danach gefragt haben.

Das Problem ist also ein Jahr nach dem Besuch immer noch nicht gelöst. Zudem gäbe es eine ganze Reihe weiterer Probleme, die die Glencore nicht angegangen sei – obwohl sie sich dazu verpflichtet habe: Zu wenig Land für die Landwirtschaft, mangelnde Einkommensmöglichkeiten und zu wenig Perspektiven. «Die Einwohner brauchen nach der Umsiedelung mehr Geld als früher, da sie sich nicht mehr selber versorgen können. Gleichzeitig hat praktisch niemand einen Job in den Minen bekommen», sagt Suhner.

Verhandlungen viel zu langsam

Das zweite Versprechen Glasenbergs beziehe sich auf die Gemeinschaft El Hatillo, deren Umsiedelung schon viel länger dauere als vom Staat gefordert: Seit 2010 dauern die Verhandlungen, sie hätten bis 2012 abgeschlossen sein müssen. «Jetzt haben wir 2016», sagt Suhner.

Die Probleme seien vielschichtig, inkompetente Expertenfirmen, die Glencore angeheuert habe, trügen viel dazu bei, dass die Umsiedelung so lange dauere und so sehr an den Gemeinschaften zehre. «Glasenberg hat versprochen, dass diese Umsiedelung schneller und gleich gut stattfinden solle, so dass die Gemeinschaften endlich zur Ruhe kommen.» Sie mussten ihr angestammtes Territorium verlassen, da die Kohleminen der Glencore die Luft gesundheitsgefährdend verschmutzten.

«Seit der Reise hat sich allerdings viel zu wenig verbessert. In Hatillo wurde der Operator gewechselt, die Verhandlungen gehen schneller, aber der dringend nötige Durchbruch, zum Beispiel ein Abschluss eines wichtigen Verhandlungsthemas, steht aus», sagt Suhner. «Deshalb wollen wir Glasenberg mit unserem Brief an seine Versprechen erinnern.»

«Das musste damals viel zu schnell gehen»

Ob er sich davon tatsächlich Fortschritte verspreche? Immerhin war schon bei der Reise die Kritik gross: Die ASK lasse sich für die Imagepflege der Glencore einspannen, es sei blauäugig, dass sie sich konkrete Verbesserungen erhoffe. Suhner winkt ab. «Blauäugig? Die Antwort ist weder Ja noch Nein. Im Nachhinein würde ich die Reise nicht mehr unter diesen Bedingungen machen. Wir hatten gar keine Zeit, um mit der Glencore abzusprechen, was unsere gegenseitigen Erwartungen an die Reise sind. Das musste damals viel zu schnell gehen. Innerhalb von zwei Wochen mussten wir uns entscheiden, drei Tage vor Abflug stand noch keine gemeinsame Agenda. Ich denke aber trotzdem, dass sich die Reise gelohnt hat.»

Von der Glencore erwarte er nun, dass sie sich konstruktiv zur Lösung der Probleme einbringe. «Wir hatten damals die Hoffnung, wenn das obere Management die Zustände konkret sieht, dass sie dann auch etwas unternehmen», sagt Suhner. «Und immerhin hat Glasenberg konkrete Versprechen gemacht.»

Weshalb er daran glaube, dass die Glencore tatsächlich willens sei, etwas zu ändern? «Immerhin verkauft die Firma ihre Kohle vor allem an die Niederlande und an Deutschland. In diesen Staaten wird die Erkenntnis immer stärker, dass, wenn man schon Kohle verbrennen muss, diese wenigstens unter einigermassen guten Bedingungen abgebaut wird. Die Glencore wirbt damit, dass ihre Kohle fair abgebaut wird. Dann muss sie ein Interesse daran haben, dass diese Gemeinschaften tatsächlich fair behandelt werden, alles andere wäre ein zu grosser Image-Verlust.» Suhner ist überzeugt: Das könne sich die Glencore langfristig nicht leisten.

Diskussionen mit NGO vor Ort.

Diskussionen mit NGO vor Ort.

(Bild: Bastian Nussbaumer)

Glencore weist die Vorwürfe zurück

Bei der Glencore ist man über den Brief nicht begeistert. Michael Fahrbach, der Leiter Nachhaltigkeit bei Glencore, relativiert: «Ich möchte zuerst den Vorwurf abweisen, dass wir die Versprechen, die Herr Glasenberg auf der Reise gegeben hat, nicht halten würden. Wir stehen zu diesen Versprechen und möchten auch an deren Umsetzung gemessen werden.» Dass die ASK sich ein Jahr nach der Reise in einem offenen Brief an die Glencore wende, sei für ihn nachvollziehbar: «Wir verstehen und begrüssen es auch, dass wir unter Beobachtung stehen und auch kritische Rückmeldungen erhalten», sagt Fahrbach. «Und es ist auch teilweise so, dass wir nicht so weit sind, wie wir uns das wünschen würden. Aber die Glencore hat im letzten Jahr viel unternommen und Verbesserungen erreicht.»

Zu den einzelnen Kritikpunkten nimmt Fahrbach ausführlich Stellung. Auf die Kritik an der fehlenden Wasserversorgung in Tamaquito sagt er: «Da hat sich das Schreiben der ASK mit unseren Bemühungen überkreuzt: Wir haben uns ein Jahr nach der Reise als Deadline vorgenommen und mittlerweile stehen wir vor den letzten Schritten.»

Dürreperiode «keine Entschuldigung», aber Grund für Verzögerung

Ein Brunnen zur Trinkwassergewinnung sei ausgehoben worden, die Anlage zur Aufbereitung des Wassers stehe vor der Vollendung. «Zeitlich handelt es sich um einzelne Wochen, bis wir dieses Projekt abschliessen können. Natürlich kann es auch hier Rückschläge geben, die eine Verzögerung auslösen, und einzelne Wochen können sich zu wenigen Monaten addieren. Aber das Projekt steckt in den letzten Zügen.» Es herrsche in Kolumbien eine aussergewöhnliche Dürreperiode, die das Projekt zusätzlich erschwert habe. «Das ist keine Entschuldigung, aber mit ein Grund für die Verzögerung.» Nach dem Aufbau der Trinkwasserversorgung werde sich die Tochterfirma Cerrejòn daran machen, eine Lösung für die Bewässerung von Feldern zu finden.

«Da kommt es auch mal vor, dass wir in Verhandlungen ein paar Wochen zurückgeworfen werden. Mag ich das? Nein. Aber es ist nun mal so, dass wir da mit Menschen zu tun haben.»

Michael Fahrbach, Leiter Nachhaltigkeit Glencore

Zu den Vorwürfen, bei der Umsiedlung der Gemeinschaft in El Hatillo würden keine Fortschritte erzielt, sagt Fahrbach: «Wir haben im letzten Jahr den Prozess neu aufgesetzt, haben einen neuen Projektleiter engagiert und sind das ganze neu angegangen. Wir haben dabei zusammen mit allen Beteiligten eine Deadline im Februar 2016 angesetzt. Diese Deadline können wir nicht einhalten – wir planen, unter den derzeitigen Voraussetzungen den Prozess bis im letzten Quartal 2016 abschliessen zu können. Das ist ein sehr dynamischer Prozess. Da kommt es auch mal vor, dass wir in Verhandlungen ein paar Wochen zurückgeworfen werden. Mag ich das? Nein. Aber es ist nun mal so, dass wir da mit Menschen zu tun haben, nicht mit Anlagen, die zusammengebaut werden müssen. Und die Gemeinschaft vor Ort ist auch nicht immer einer Meinung und formuliert nicht immer klare und eindeutige Vorstellungen.»

Also stimmt es, dass der Prozess zu lange dauert, wie das die ASK kritisiert? «Ich glaube, wir haben hier dieselben Ziele wie Herr Suhner von der ASK, einfach über den Weg dahin sind wir uns nicht einig. Ich kann gut nachvollziehen, dass es aus der Sicht eines Einwohners viel zu lange dauert und dass dieser eher heute als morgen die Verhandlungen abgeschlossen haben möchte. Aber es ist nun mal so, dass es länger dauert, als wir das gerne hätten.»

Kein echtes Engagement?

Die ASK wirft im offenen Brief der Glencore vor, sie könne bei der Firma kein echtes Engagement für die Gemeinschaften ausmachen: «Die ASK konnte bei Glencore bis jetzt keinen Willen sehen, die vor einem Jahr thematisierten Probleme wirklich anzugehen.»

Was sagt Fahrbach dazu? «Dieser Vorwurf hat keine Berechtigung. Da möchte ich über Sinn sprechen. Es ist ja klar, dass es auch in unserem Interesse liegt, dass diese Projekte möglichst schnell umgesetzt werden.» Eine Unternehmung könne nur im Einklang mit der Gesellschaft erfolgreich arbeiten, sagt Fahrbach. Es mache schlicht keinen Sinn, dass die Glencore für «Frustrationen oder Unzufriedenheit sorgen will. Im Gegenteil. Natürlich können wir nicht überall den Beutel öffnen und Schlaraffenländer bezahlen. Wir müssen auch unsere Interessen schützen. Aber es liegt im wirtschaftlichen Interesse der Firma, dass es den Gemeinschaften gut geht, so dass wir vor Ort effizient arbeiten können.»

Wie die ASK erklärt, stünden Vorfälle wie jener in der Guajira, in der eine Familie gewaltsam enteignet wurde, die aufgrund der nicht fortschreitenden Verhandlungen an die alten Orte zurückgekehrt sei, nicht unter der Kontrolle der Glencore: «Kolumbien ist ein Rechtsstaat, und hier handelt es sich um einen rechtlichen Prozess mit vielen Etappen, an dessen Ende der Staat in diesem Fall eingreifen musste.» Also hat die Glencore keine Verantwortung für die gewaltsame Enteignung? «Wir halten an der Firma Cerrejòn nur 33 Prozent, sitzen zwar im Aufsichtsrat und haben einen guten Draht zum Management, bei dem die letzte Verantwortung über diesen Vorfall liegt. Aber es handelt sich hier um einen sehr seltenen Vorfall, das ist eine Ausnahme und nicht die Regel.»

Es ist offenbar ein dünnes Band, das die Glencore mit der NGO verbindet – der Versuch, die Firma für die Verbesserung der Lebensumstände aktiv einzubinden, scheint zumindest ansatzweise gelungen. Ob tatsächlich ein Umdenken stattgefunden hat, oder ob die Bemühungen der Firma vor allem der Imagepflege dienen sollen, scheint schwer auszumachen. In beiden Fällen ist die Ansage Fahrbachs ernst zu nehmen, wenn er sagt, dass er an den Versprechen Glasenbergs gemessen werden will.

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