food-sharing Zug ist gestartet

Zuger kämpfen gegen Foodwaste

Essenteilen ist das Konzept von food-sharing. (Bild: fotolia.de)

Ganz nach dem Motto teilen statt Tonne gibt es seit kurzem «food-sharing Zug». Was bisher passiert ist und wo es noch harzt, weiss keiner besser als Jerry Arnold, Kopf der Zuger food-sharing-Bewegung. Mit zentralplus hat er über seine Visionen gesprochen.

Es gibt mittlerweile verschiedene Anti-Foodwaste-Bewegungen in der Schweiz. Sie heissen «Ässbar», «Kostbar», «Tischlein deck dich», «Food Not Bombs» oder «Deine Stadt tischt auf». Die Idee ist immer dieselbe: Die Reduktion von Verlust oder Verschwendung wertvoller Nahrungsmittel. Eine solche Bewegung gibt es seit Neuestem auch in Zug: Letzte Woche trafen sich die Leute von «food-sharing Zug» zum ersten Mal.

Teilen statt wegwerfen

food-sharing ist ursprünglich eine deutsche Bewegung, seit einiger Zeit gibt es sie aber auch in der Schweiz. Das Konzept ist einfach: Teile Lebensmittel, anstatt sie wegzuwerfen. Kopf der Zuger Bewegung ist Jerry Arnold. Der junge Baarer engagiert sich aus persönlichem Interesse. Seine Überzeugung: «Anstatt im Müll zu landen, könnten viele Nahrungsmittel verwertet werden.»

«Mit food-sharing habe ich eine legale Art gefunden, etwas gegen die Verschwendung von Nahrungsmitteln zu tun.»
Jerry Arnold

Er selbst kommt aus einem Umfeld, indem viele auf das Thema sensibilisiert seien. So sei er dazu gekommen, selber auch etwas zu unternehmen. «Mit food-sharing habe ich eine legale und saubere Art gefunden, etwas gegen die Verschwendung von Nahrungsmitteln zu tun», so Arnold.

Gratis-Essen für alle

Das Ziel von food-sharing ist, möglichst viele Nahrungsmittel vor der Tonne zu retten. Um das zu erreichen, fährt die Bewegung zweigleisig: «Einerseits bieten wir eine Plattform für Leute, die Lebensmittel bei sich zuhause haben, welche sie nicht konsumieren, andererseits holen wir bei Betrieben Lebensmittel ab, welche weggeschmissen würden, und verteilen das Essen weiter», so Arnold. Das alles passiere ohne finanzielle Anreize und sei offen für alle.

Zahlen und Fakten zum Foodwaste

Die Produktion der weggeworfenen/verlorenen Lebensmittel in der Schweiz ...

... verursacht die gleiche Menge an CO2-Emmissionen wie 36% aller Autos in der Schweiz

... verbraucht 600 Liter Wasser pro Person und Tag

... braucht eine Fläche der Grösse das Kantons Zürich

Ausserdem gibt jeder Haushalt jährlich ca. 1000 Franken für Lebensmittel aus, die nicht gegessen werden.

Die angesprochene Plattform ist eine Internetseite. Registrierte Nutzer können darauf digitale Essenskörbe erstellen und damit zu verschenkende Lebensmittel anbieten. Andere foodsharing-Nutzer können solche Essenskörbe auf einer Übersichtskarte für ihre Region einsehen, bei Interesse anfragen und sich mit den Anbietenden zur Abholung der Lebensmittel verabreden. Um auch Menschen zu erreichen, die keinen Internetzugang haben und um die Verteilung von zu verschenkenden Lebensmitteln zu vereinfachen, gibt es Verteilstandorte, sogenannte «Fair-Teiler». Diese müssen aber erst noch organisiert werden.

Stolperstein Lebensmittelkontrolle

Aktueller Stand der Dinge in Zug: Einerseits ist die food-sharing-Gruppe  daran, Betriebe zu finden, die mitmachen, andererseits definiert sie Orte für Verteilstationen, um die breite Masse der Bevölkerung zu erreichen. «Es ist wichtig, dass die Verteilstation – also ein Gestell oder im besten Fall ein Kühlschrank – rund um die Uhr öffentlich zugänglich ist. Und zwar möglichst anonym.» Nur so könne man garantieren, dass das food-sharing funktioniere. Sei der Zugang kompliziert oder zeitlich limitiert, sei die Hemmschwelle für viele zu gross, erklärt Arnold.

Dieses Vorhaben ist aber nicht ganz einfach: «Momentan sind wir im Gespräch mit den Behörden», erklärt Arnold. Die Lebensmittelkontrolle verlange, dass rund um die Uhr jemand die Essensausgabe kontrolliere, um Missbräuche zu verhindern. Der Hintergrund dieser Forderungen sind Bedenken bezüglich Hygiene und Haftungsfragen.

Haushalte sind verschwenderisch

Mit ihrem Engagement setzt die food-sharing-Bewegung beim Foodwaste an zwei Entstehungspunkten an: Zu über 45 Prozent sind die Haushalte für Foodwaste verantwortlich, weil zu viel eingekauft wird, Essen im Kühlschrank verfault oder Resten nicht gegessen werden. «Nur» fünf Prozent des Foodwastes entstehen beim Detailhandel direkt.

Wo entsteht Foodwaste?

Wo entsteht Foodwaste?

(Bild: foodwaste.ch)

«Bei den Endkonsumenten landet viel mehr im Müll als beim Detailhandel. Wenn man es runterbricht, sind es etwa 320 Gramm pro Tag und Haushalt.» Das sei nicht viel aufs Mal, summiere sich aber über das Jahr, so Jerry Arnold. «Wenn man mit einem Lastwagen zu einem Detailhändler fahren kann, hat das eine grosse Symbolwirkung.» Das wecke die Sensibilität fürs Thema beim Endkonsumenten, auch wenn diese Aktionen nicht am stärksten ins Gewicht fallen, sagt Arnold.

Bewusstsein fehlt

Warum braucht Zug eine food-sharing-Bewegung, haben wir Jerry Arnold gefragt. Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: «Jede Stadt braucht das. Es fehlt vielerorts noch am Bewusstsein über den richtigen Umgang mit Nahrungsmitteln.» Es sei ihm schon bewusst, dass der Beitrag von food-sharing nur einen Tropfen auf den heissen Stein sei. «Aber immerhin», so der Baarer. Er sieht seine Aufgabe vor allem in der Aufklärung und Sensibilisierung der Leute.

«Es bringt natürlich nichts, wenn wir die Lebensmittel aus einem Kühlschrank retten und sie im nächsten verrotten.»
Jerry Arnold

Mitmachen können alle

«Noch stehen wir in Zug ganz am Anfang», sagt Arnold. Beim ersten Treffen seien vor allem Leute gekommen, die sich bereits vorher für das Thema interessiert hätten und sich ein wenig auskannten. «Schön wäre, wenn mehr Leute mitmachen würden.» Das Ziel sei, dass die breite Bevölkerung mitmache und dass es irgendwann gar kein Foodwaste mehr gebe. «Das ist zwar utopisch, aber alternativ könnte man auch definieren, dass Betriebe verpflichtet werden, das Essen abzugeben anstatt wegzuschmeissen», so Arnold.

Ob reich, arm, jung oder alt: Mitmachen könnten alle, erklärt Arnold. «Es klingt banal, aber es ist schon mal wichtig, dass alle helfen zu essen. Es bringt natürlich nichts, wenn wir die Lebensmittel aus einem Kühlschrank retten und sie im nächsten verrotten.» Wenn man sich stärker engagieren möchte, sei dem Aufwand nach oben kein Limit gesetzt: «Man kann mit dem Velo oder Auto Nahrungsmittel abholen und zur Verteilstation bringen, man kann Infoanlässe organisieren, um die Bevölkerung aufzuklären, oder sich politisch engagieren», so Arnold.

Das kann man gegen Foodwaste tun

In der Schweiz fliegen jährlich über zwei Millionen Tonnen Nahrungsmittel in den Abfall, das sind etwa 300 Kilogramm pro Person und Jahr. Das sind die Tipps, wie sie Foodwaste bei sich zuhause verhindern:

  • gezielte Einkaufslisten führen und nur kaufen, was nicht schon im Kühlschrank ist

  • erst einkaufen, wenn der Kühlschrank leer ist

  • nicht zu grosse Portionen kochen und Resten verwerten

  • Achtung bei Mindesthaltbarkeit*

  • nicht hungrig einkaufen gehen, dann kaufen wir zu viel ein

  • Lebensmittel optimal lagern

* Produkte sind nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums («mindestens haltbar bis») nicht verdorben, sondern weisen möglicherweise nicht mehr die vom Detailhändler gewünschte Qualität auf. Ist das angegebene Datum überschritten, verlässt man sich deshalb am besten auf den Geruchs- und Geschmackssinn. Dagegen gilt es, Verbrauchsdaten («zu verbrauchen bis») gerade bei Fisch oder Fleisch einzuhalten. Aber auch hier kann man sich auf seine Sinne verlassen, denn Hersteller gehen auf Nummer sicher. Da kann es sein, dass das Produkt ein Tag später noch essbar ist. Die Aufschrift «zu verkaufen bis» hat nichts mit der Haltbarkeit der Produkte zu tun.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Karl Hoppler
    Karl Hoppler, 27.03.2016, 13:38 Uhr

    Haben sie auch ausgerechnet, was es für die Gesundheit und die Gesundheitskosten bringen würde, wenn die Schweizer die Hälfte des Essen direkt, ohne Umweg über den Magen, in die Tonne werfen würden.

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