Mit Knarren gegen Räuber

Luzerner Juweliere verstärken Sicherheitsmassnahmen

Ein Bild, das seit einiger Zeit zur Luzerner Altstadt gehört: Private Sicherheitskräfte vor einem Juwelier am Grendel. (Bild: azi/tkr)

Immer häufiger werden Uhren- und Schmuckgeschäfte in der Altstadt von privaten Sicherheitskräften bewacht – teilweise sind diese auch bewaffnet. Regelmässige Polizeipräsenz reiche nicht aus, um Überfälle zu verhindern und manche Juweliere sind gar gezwungen, bewaffnetes Personal zu engagieren.

Rund um den Schwanenplatz und den Grendel hat sich in den letzten Jahren einiges verändert: Immer mehr Uhrengeschäfte, internationale Ladenketten und Touri-Shops prägen diesen Teil der Luzerner Altstadt – und generieren Umsätze in Millionenhöhe (zentral+ berichtete). Dass hier ein grosses Geschäft gemacht wird, ist längst kein Geheimnis mehr und wird auch nach aussen hin immer deutlicher: Unauffällig und doch kaum übersehbar stehen – teilweise gar bewaffnete – private Sicherheitskräfte vor den Türen der Juweliere.

Es ist ein Bild, das in Luzern so noch nicht allzu lange anzutreffen ist und eher ungewohnt erscheint: Privates Sicherheitspersonal von Firmen wie der Securitas oder der Schweizerischen Sicherheits-Agentur (SSA AG) sorgt für Recht und Ordnung. «In der Tat ist es ein Phänomen, das in Zusammenhang mit dem Wachstum der Uhren- und Schmuckbranche in Luzern zugenommen hat», sagt Maurice Illi, Sicherheitsmanager der Stadt Luzern. «Was für uns auf den ersten Blick vielleicht etwas befremdlich wirkt, ist in anderen Ländern bereits gang und gäbe», erklärt er und betont, dass dies eine ganz normale Entwicklung sei. «Leute, die in solchen Läden einkaufen, haben die Erwartung, dass man sich besonders um ihre Sicherheit bemüht.»

«Die Polizei genügt nicht, um für die Sicherheit und den Schutz der Juweliergeschäfte in Luzern zu sorgen.»
Philipp Santhagens, Schweizerische Sicherheits-Agentur (SSA AG)

Securitas setzt auf Pfefferspray

Während von der SSA AG mit Sitz in Hünenberg ZG bewaffnetes Personal in der Luzerner Altstadt anzutreffen ist, operiert die Securitas dort nur mit Pfefferspray. «Dass Waffen getragen werden, ist die Ausnahme», sagt Urs Stadler von der Securitas Gruppe. Von den schweizweit 7’500 Angestellten der Securitas seien nur 320 bewaffnet. «Das Tragen von Waffen wird nur bei besonderen Sicherheitsansprüchen in Erwägung gezogen», erklärt Stadler. Dies würde unter Berücksichtigung des geltenden Rechts mit den jeweiligen Kunden besprochen.

In der Altstadt trifft man jedoch immer häufiger auf bewaffnetes Sicherheitspersonal. «Die Polizei genügt nicht, um für die Sicherheit und den Schutz der Juweliergeschäfte in Luzern zu sorgen», sagt Philipp Santhagens von der SSA. «Die Polizei patrouilliert durchschnittlich nur zwei bis drei Mal pro Tag im Raum Kapellplatz/Schwanenplatz.» Juweliergeschäfte würden deshalb Sicherheitsfachkräfte anstellen, um ihre Mitarbeiter und Kunden vor kriminellen Übergriffen zu schützen. Die Hauptaufgabe des Sicherheitspersonals liege primär in der Prävention, wie Santhagens erklärt. 

Keine Kernaufgabe der Polizei

Dass hierzu vermehrt private Sicheheritsfirmen engagiert werden, ist auch der Luzerner Polizei aufgefallen. «Sicherheitspersonal hat sich bei Uhren- und Schmuckgeschäften seit längerer Zeit überall etabliert», sagt Polizeisprecher Kurt Graf. Vor Juwelieren eine besondere Präsenz zu markieren, sei keine Kernaufgabe der Polizei und habe in erster Linie einen zusätzlichen präventiven Charakter. Bewaffnete private Sicherheitskräfte seien kein Problem, solange die Sicherheitsfirmen über eine entsprechende Bewilligung verfügten und sich an die gesetzlichen Vorgaben halten würden.

«Bevor wir einen permanenten Security hatten, wurden wir bereits drei Mal überfallen.»
Juwelier am Grendel 

Ist die Angst vor Überfällen in Luzern so gross geworden, dass es ohne Sicherheitspersonal nicht mehr geht? Die meisten Geschäfte wollen sich auf Anfrage nicht dazu äussern – aus Sicherheitsgründen, wie es heisst. Lediglich ein Luzerner Juwelier, der nicht namentlich genannt werden will, begründet: «Bevor wir einen permanenten Security hatten, wurden wir bereits drei Mal überfallen.» Eine Sicherheitsfirma zu engagieren, sei eine Auflage der Versicherung gewesen und diene dem Schutz der Mitarbeitenden und Kunden.

Späher sind regelmässig vor Ort

Die Aufgabe der Security sei die Kontrolle jeder eintretenden Person. Das Gesicht etwa mit Hut oder Sonnenbrille zu verdecken, sei verboten, zudem würden Videoaufzeichnungen gemacht. «Verdächtige Personen werden unter Umständen nicht eingelassen», sagt eine Mitarbeiterin. Wie sieht es mit einem Kopftuch oder einer Burka aus? Müssen Touristen aus den Golfstaaten etwa draussen bleiben? «Bis jetzt wurden wir damit nicht konfrontiert», heisst es. «Ich denke, lediglich mit einem Kopftuch wäre die Gesichtserkennung gewährleistet, alle anderen müssten wohl draussen bleiben.»

«Unser Sicherheitspersonal sichtet regelmässig – zu Spitzenzeiten jede Woche – Späher, die geeignete Objekte auskundschaften.»
Philipp Santhagens, SSA

Doch die privaten Sicherheitskräfte übernehmen weitaus mehr Aufgaben, als für Aussenstehende zunächst wahrnehmbar ist. «Auch das Beobachten und Observieren des unmittelbaren Umfeldes der Juweliergeschäfte ist sehr wichtig», erklärt Santhagens von der SSA GmbH. Raubüberfälle würden in der Regel von organisierten Banden verübt. Dabei habe es sich in den letzten Jahren hauptsächlich um Tätergruppen aus Osteuropa gehandelt, die oftmals einen militärischen Hintergrund mitbringen. «Unser Sicherheitspersonal sichtet regelmässig – zu Spitzenzeiten jede Woche – Späher, die geeignete Objekte auskundschaften.»

Die SSA AG arbeite diesbezüglich eng mit den Behörden zusammen, die Sicherheitsfachleute melden Späher umgehend der Polizei. «Im Normalfall schickt diese dann eine Zivilpatrouille, welche entsprechende Personenkontrollen vornimmt.» Denn es komme vor, dass solche Späher bereits international gesucht würden und zur Verhaftung ausgeschrieben seien.

Nicht jeder darf Waffen tragen

Das Tragen von Schlag- und Feuerwaffen erfordert eine Waffentragbewilligung. Dafür braucht es einen Bedürfnisnachweis. «Die Anforderungen an den Bedürfnisnachweis zum Tragen einer Waffe sind hoch», erklärt Philipp Santhagens von der SSA AG. «Grundsätzlich erfolgt vorab eine Überprüfung der Sicherheitsfirma – diese muss entsprechende Verträge mit Kunden bringen, welche ein Tragen von Waffen im Sinne des Gesetzes rechtfertigen.» Ist die Sicherheitsfirma als seriös befunden worden, kann diese für den Mitarbeiter einen Bedürfnisnachweis ausstellen und bei der Luzerner Polizei ein Gesuch für eine Waffentragbewilligung stellen.

Eingriffe im Rahmen des Notwehrrechts

Dennoch: Bewaffnete Privatpersonen hinterlassen bei vielen Bürgern ein ungutes Gefühl und es stellt sich die Frage nach den Kompetenzen und Handlungsbefugnissen dieser Sicherheitskräfte. «Privates Sicherheitspersonal hat in der Schweiz keine hoheitsrechtlichen Befugnisse inne», erklärt Santhagens. Diese seien lediglich der Polizei, dem Grenzschutz, Zoll und gewissen militärischen Organisationen vorbehalten. 

Trotzdem müsse die Security bei einem Übergriff nicht tatenlos zusehen: «Grundsätzlich ist das Sicherheitspersonal – so wie jede andere Person – befugt, bei einem Überfall einzugreifen», so Santhagens weiter. Die Intervention seitens des Sicherheitspersonal müsse jedoch verhältnismässig sein und habe im Rahmen des Notwehrrechts zu erfolgen.

Weniger Überfälle in der Altstadt

Die Erfahrungen aus den letzten 15 Jahren hätten deutlich gezeigt, dass jene Juweliergeschäfte mit uniformiertem Sicherheitspersonal deutlich weniger überfallen werden, sagt Santhagens. Im Raum Altstadt habe sich zudem herausgestellt, dass Juweliere, die sichtbar bewaffnetes Sicherheitspersonal angestellt haben, seit Beginn dieser Massnahmen nicht mehr überfallen worden seien.

Die meisten Sicherheitskräfte in der Altstadt seien jedoch nicht bewaffnet, meint Santhagens. «Die meisten Sicherheitsfirmen scheuen den Aufwand, bewaffnetes Personal zu stellen, da die Kosten für regelmässige Trainings sehr hoch sind.» Ein weiterer Grund sei auch die Problematik der Rekrutierung von geeignetem Personal und dessen Ausbildung (siehe Box). «Die SSA AG organisiert monatliche Trainings und investiert viel in die Weiterbildung ihres Personals.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Casiboy
    Casiboy, 24.11.2015, 14:34 Uhr

    In ihrem Artikel entsteht der Eindruck, es seien Internationale Ketten welche die Uhrengeschäfte am Schwanenplatz betreiben. Dem ist nicht so. Ausser Hublot (eine Uhrenmanufaktur) werden alle Geschäfte von den Familien Bucherer, Gübelin König und Casagrande geführt. Alle diese Familien sind und leben in Luzern. Sie sind hauptsächlich verantwortlich für den Erfolg als Tourismusort. Das Geld was hier verdient wird, wird auch hier versteuert und durch diese Familien ausgegeben.

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