Tierfriedhof Emmenbrücke

Wo Hund und Katz friedlich nebeneinander ruhen

Düstere Stimmung auf dem nebelverhangenen Tierfriedhof Emmenbrücke. Hier ruhen rund 100 Haustiere. (Bild: dog)

Was tun, wenn der geliebte Vierbeiner stirbt? Auf dem Tierfriedhof Emmenbrücke, dem einzigen in der Zentralschweiz, können Haustiere beerdigt werden. Eine würdevolle Alternative zur Kremation – oder zur Verarbeitung zu Zementbrennstoff.

Tarcin ist tot. In ein weisses Leintuch gewickelt wird er von vier Männern in das frisch ausgehobene Grab gehievt – so behutsam wie es nur geht. Der acht Jahre alte Rottweiler Rüde ist in der Nacht zuvor im Beisein seines Frauchens und ihrer Familie seinem Krebsleiden erlegen. Blickt man in die Gesichter der Angehörigen, sieht man die Spuren der Nacht. Viel geweint und kaum geschlafen hätten sie. Aber für Tarcins letzte Reise nehme man den Aufwand gerne in kauf.

Alternative zur Kremation und Kadaversammelstelle

Nun liegt der gut 40 Kilogramm schwere Hund unter der gefrorenen Erde des Tierfriedhofs in Emmenbrücke. Rund 100 Tiere – überwiegend Hunde, aber auch Katzen, Hasen, Meerschweinchen und sogar eine Eidechse – sind auf dem 2500 Quadratmeter grossen Areal begraben. Platz für weitere Gräber gebe es noch genug, sagt Raffi Bühlmann. Seit 2010 betreibt der gelernte Bauer zusammen mit seinen Eltern den einzigen Tierfriedhof in der Zentralschweiz. «Wir wollen eine Alternative zur Kremation und der Tierkadaver-Sammelstelle bieten», so Bühlmann.

Tatsächlich landen viele verstorbene Haustiere in einer Kadaverstelle. Eine solche Sammelstelle findet sich beispielsweise im Ökihof in Horw. 2012 seien dort total 392 tote Tiere abgegeben worden. «Da in dieser Zahl auch freilebende Wildtiere wie Füchse, Dachse oder Rehe enthalten sind, lässt sich die genaue Zahl an Haustieren nicht genau beziffern», sagt Peter Gauch, Leiter Werkdienst der Gemeinde Horw. «Der grösste Teil sind aber sicher Haustiere», so Gauch.

Ist das nicht ein unwürdiger Abschied für ein Haustier? Für Peter Gauch sei der Tierfriedhof zwar eine Alternative, hinter der er gut stehen könne, aber «schlussendlich ist es den Besitzern überlassen, in welcher Form und in welcher Art man sich von den verstorbenen Haustieren verabschieden möchte.» 

Vom Ökihof Horw werden die toten Tiere zusammen mit Schlachtabfällen oder überfahrenen Wildtieren zunächst nach Malters in die regionale Tierkörpersammelstelle transportiert. Von dort kommen die Kadaver in die Tiermehlfabrik in Bazenheid (SG), wo sie zerstückelt und zu Tiermehl verarbeitet und schliesslich als Brennstoff in Zementfabriken verwendet werden.

Wer seinem verstorbenen Liebling eine «Wiedergeburt» als Zementbrennstoff ersparen möchte, lässt ihn für gewöhnlich kremieren. Im aargauischen Seon steht das grösste Tierkrematorium der Schweiz. Bis zu 80 Tiere würden dort täglich verbrannt. Die Asche wird – analog zum Menschen – in einer Urne aufbewahrt. Diese findet dann einen festen Platz auf einem Kaminsims, einer Kommode oder einem sonstigen Ort, wo sie an den früheren Begleiter erinnert.

Kaum mit einer Menschenbeerdigung zu vergleichen

Oder sie wird auf dem Tierfriedhof beigesetzt. «Wir haben einige Urnen aus Seon hier», sagt Raffi Bühlmann. Die meisten Tiere würden jedoch als Ganzes begraben. Eine Tierbestattung auf dem Emmenbrückener Tierfriedhof sei aber kaum mit einer Beerdigung eines Menschen zu vergleichen: «Wir haben keinen religiösen Bezug. Christliche Rituale, Zeremonien oder gar Predigten gibt es nicht.» Daher seien auch religiöse Symbole wie Kruzifixe oder Engelsstatuen auf ihrem Friedhof unerwünscht, sagt Bühlmann.

So findet die Bestattung auch in einem relativ nüchternen Rahmen statt. Die Angehörigen stehen vor dem offenen Grab, legen die Lieblingsdecke und ein paar Spielzeuge, manchmal auch Fotos hinein. Der Abschied dauert nicht länger als eine halbe Stunde. Raffi Bühlmann und seine Eltern stehen 20 Meter weit weg und beobachten die Bestattung andächtig. Keiner spricht.

Trotz oder gerade wegen der unreligiösen, nüchternen Bestattung erfreut sich der Tierfriedhof immer grösserer Beliebtheit. Aus der ganzen Schweiz lassen Tierhalter ihre Vierbeiner in Emmenbrücke beerdigen – und «sogar zwei Hunde aus Bayern liegen bei uns», sagt Bühlmann. Dennoch hätten sie schon Anfragen ablehnen müssen: «Jemand wollte sein Pferd bei uns begraben lassen. Pferde gelten jedoch als Nutztiere und unser Friedhof ist ausschliesslich für Haustiere zugelassen.» Zudem sei schon zweimal von Tierhaltern der Wunsch geäussert worden, zusammen mit ihrem Haustier begraben zu werden. «Das machen wir nicht», sagt Bühlmann.

Leise Kritik aus landwirtschaftlichen und christlichen Kreisen

Der Stellenwert von Haustieren hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte stark verändert. Für viele Halter ist das Tier ein Familienmitglied, ein treuer Partner, der nicht selten «vermenschlicht» wird. Der Tod eines Haustieres kann demnach auch oft mit einem Schock und tiefer Trauer verbunden sein. Daher steigt wohl auch das Bedürfnis nach einem würdevollen Abschied nach dem Ableben des Tieres.

Otto Ineichen, Luzerner Kantonstierarzt, erachtet den Tierfriedhof als eine passable Alternative. «Für viele Tierhalter sind die Heimtiere ein naher Begleiter über einen begrenzten Zeitraum. Daraus entstehen unterschiedliche Bedürfnisse beim Verlust Abschied zu nehmen.» Der Tierfriedhof Emmenbrücke decke, so Ineichen, ein Bedürfnis von Heimtierbesitzern ab. Nachteile sieht der Tierarzt darin keine.

Leise Kritik erfahre Raffi Bühlmann manchmal aus der Landwirtschaft. «Bauern haben oft eine andere, weniger emotionale Beziehung zu ihren Tieren und halten eine Beerdigung auf einem Tierfriedhof für übertrieben. Ein Tier sei nun mal kein Mensch, sondern ein Tier.» Auch religiöse Menschen hätten ab und zu ein Problem mit dem Angebot Bühlmanns. Ein Friedhof soll den Menschen vorbehalten sein, heisse es aus christlichen Kreisen. Jedoch halte sich die Kritik stark in Grenzen. Grundsätzlich stosse der Tierfriedhof auf breite Akzeptanz, so Bühlmann.

Tote Ratte per Post

Auf dem Tierfriedhof Emmenbrücke gibt es verschiedene Möglichkeiten, sein Haustier zu beerdigen. In sogenannten Anonymgräbern werden die Tiere rund um eine Steinformation beigesetzt, ohne Grabstein. Plaketten mit Namen und Todesdatum zeigen auf einer grossen runden Holztafel, wer hier liegt. Ein solches Grab kostet je nach Gewicht des Tieres zwischen 85 und 350 Franken. Bei Bedarf würden sie die verstorbenen Haustiere auch beim Besitzer oder dem Tierarzt abholen. Auf Wunsch werden auch Särge angeboten. «Die meisten bringen ihre Tiere persönlich vorbei und nehmen Abschied, sagt Raffi Bühlmann. «Wir haben aber auch schon eine Ratte per Post zugeschickt bekommen. Das war zwar schon etwas dubios, aber auch die haben wir begraben.»

Die etwas teurere Alternative zur anonymen Ruhestätte ist das Reihengrab, bei dem Grab an Grab aneinandergereiht, aber durch eine Umrandung sowie einen Grabstein voneinander getrennt sind. Ein solches Reihengrab kostet zwischen 240 und 810 Franken. Auch der Rottweiler Tarcin liegt jetzt hier, gemeinsam mit dem Chihuahua-Mischling Pintschi, der Korat-Katze Asca und 15 weiteren Haustieren. Alle Gräber haben eine Ruhezeit von fünf Jahren, die, falls gewünscht, um weitere drei Jahre verlängert werden kann.

Noch ein paar Erinnerungsfotos, ein andächtiges Schweigen, ein paar Tränen. Dann ist Tarcins Bestattung vorbei und das Grab wird mit Erde aufgefüllt. Keine Zeremonie, keine Rituale, keine predigenden Worte. «Wir sind froh, gibt es einen solchen Ort», sagt Tarcins Frauchen und zwängt ein Lächeln auf ihre Lippen, «hier kann er in Würde ruhen und wir können ihn jederzeit besuchen.»

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


1 Kommentar
  • Profilfoto von Heinzelmaenchen
    Heinzelmaenchen, 21.12.2013, 19:53 Uhr

    Vor vielen Jahren, als unser Hund tödlich verunfallte, brachten wir es nicht fertig, Sara in die Kadaverstelle zu bringen. Nur schon der Gedanke, dass er zu Tiermehl verarbeitet wird, war für uns unerträglich. Es ist schön, dass es heute einen Tierfriedhof gibt. Sara haben wir in ihrem geliebten Wald beerdigt: nicht legal, aber sehr tröstlich. Im übrigen hat er später noch Gesellschaft von zwei weiteren unserer verstorbenen Lieblinge bekommen. Sollte ich wieder einen Hund bekommen, dann weiss ich wo ich ihn hinbringe, wenn seine Zeit gekommen ist: nicht mehr in den Wald.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon