Wie Zuger Gemeinden um Einwohner buhlen

Kommt nach Hünenberg! Wir haben Einhörner!

Die Imagefilme der Zuger Gemeinden fallen höchst unterschiedlich aus. Nicht nur bezüglich des Budgets. (Bild: Printscreen des Hünenberg-Films)

Mehrere Zuger Gemeinden versuchen per Imagefilm, ihre Vorzüge mit bewegten Bildern ins rechte Licht zu rücken. zentral+ hat einen Vergleich gewagt. Viel Potenzial gefunden. Und sich über tanzende Einhörner gewundert.

Was macht man als Gemeinde, um sein eigenes Image aufzupolieren? Man gibt einen Gemeindefilm in Auftrag. Im Kanton Zug haben sich das fünf Gemeinden geleistet. Mit unterschiedlichen Qualitätsansprüchen und sehr unterschiedlichem Budget.

Den neusten Streifen im Genre «Werbefilm» hat die Gemeinde Risch Rotkreuz gerade veröffentlicht. Und der erfüllt seine Aufgabe. Denn hat man ihn einmal geschaut, versteht man urplötzlich, warum Menschen in Rotkreuz wohnen wollen. Und das ist irgendwie beängstigend. Doch die Natur um Risch herum wirkt so saftig und grün, der Himmel so blau, die Menschen, die interviewt werden, ganz schrecklich nett.

Und dabei werden alle Exemplare von guten Nachbarn abgedeckt. Der Unternehmer, den wir gleichzeitig als sympathischen Familienvater kennenlernen. Das freundliche, etwas biedere Paar von nebenan, das zum Grillabend lädt. Das blonde Mädchen, das gerne turnt und reitet. Und für die Quote: Den ehemaligen Expat, der uns mit charmantem englischen Akzent seine Ode an Risch vorbringt. Währenddessen läuft im Hintergrund quasi ein Golf-Werbespot.

Mit Emotionalität zu mehr Einwohnern

Es wurde ein Film, der sowohl nah an den Menschen ist als auch mit professionellen Aufnahmen und passender Musik Emotionen schafft. Das sei schliesslich auch das Ziel gewesen, erklärt der Rischer Gemeindeschreiber Ivo Krummenacher. «Das Medium Film ist heute allgegenwärtig. Mit dem soll den Interessierten ein einfacher Zugang zur Gemeinde ermöglicht werden.»

Fragt sich nur: Was bringt ein solcher Film der Gemeinde überhaupt? «Das ist letztlich schwierig zu sagen. Ich denke, ein gut gemachter Film kann mitverantwortlich sein, dass jemand in eine bestimmte Gemeinde zieht. Doch das müsste man fast empirisch untersuchen», sagt Krummenacher. Der Film überzeugt also mit guter Qualität und verschiedenen Flugaufnahmen. Dürfte nicht ganz günstig gewesen sein. «40’000 Franken hat die Umsetzung gekostet», erklärt der Rischer Gemeindeschreiber.

Klingt nach viel, ist aber im Vergleich zu anderen Imagefilmen eher im tieferen Bereich.

«Das ist doch unglaublich schön.»

Die Stadt Zug hat beispielsweise 2013 einen zehnminütigen Film produziert, gekostet hat er 60’000 Franken. Auf der Stadtzuger Homepage findet man keinen Link, per Youtube-Suche gelangt man auf die rund zweiminütige Kurzfassung. Wie auch beim Rischer Film, hat man hier mit vier Protagonisten gearbeitet, welche Zugs durchmischte Bevölkerung abbilden sollen.

 

Mit einem Parktower-Bewohner: «Wenn ich nach draussen blicke, sehe ich die Rigi, den Pilatus und andere Berge. Das ist doch unglaublich schön». Einem Taxifahrer, der sich darüber freut, wie persönlich Zug sei. Einer Mutter, die am Markt dem Klischee gerecht wird und Kirschen kauft und mit der Delilah-Sängerin Muriel Rhyner: «Zug isch mini Heimet.» Dazu gibt’s die obligaten Sonnenuntergang-Bilder aufgedrückt.

Warum findet man nur die Kurzfassung im Netz? «Wir zeigen den Film jeweils am Neuzuzüger-Anlass. Darum wollten wir ihn nicht zu gross verbreiten», sagt der Zuger Kommunikationsbeauftragte Thomas Gretener. Nun, nachdem der Film jedoch schon fast dreijährig sei, überlege man sich das nochmals, ob nicht der ganze Film ins Internet soll.

«Wir wollten keinen Imagefilm im klassischen Sinn machen, in dem wir schöne Bilder von Zug zeigen und die Stadt in den höchsten Tönen loben.»

Thomas Gretener, Kommunikation Stadt Zug

Gretener betont zum Film: «Wir wollten keinen Imagefilm im klassischen Sinn machen, in dem wir schöne Bilder von Zug zeigen und die Stadt in den höchsten Tönen loben. Viel mehr erzählen wir Geschichten von Menschen und zeigen die Stadt so aus einer anderen Perspektive.» Immerhin. Bergsicht, Sonnenuntergang und Chriesi-Bilder haben es jedenfalls prominent in den Film geschafft.

Tanzende Einhörner im Blumenfeld

Doch nicht alle Gemeinden bedienen sich  klassischer Bilder. Die Gemeinde Hünenberg, die letztes Jahr einen neuen Film veröffentlich hat, hat sich ganz bewusst für eine vollkommen andere Form des Imagefilms entschieden.

Konkret geht es um tanzende Einhörner. Ein ländliches und ein urbanes. Wie bitte? Klingt völlig absurd, steht aber im Zusammenhang mit Hünenbergs Wappen, in denen zwei derartige Geschöpfe abgebildet sind. Im Film erfährt man so gut wie nichts über die Gemeinde, ausser über die verschiedenen gezeigten Schauplätze. Der Hünenberger Regisseur Michael Werder, der diesen Film geschaffen hat, erklärt: «Zwar ist man nach dem Film nicht schlauer, was Zahlen und Fakten angeht, doch liegt vieles im Film verborgen. Immer wieder tauchen Themen wie Ländlichkeit und Stadt, Industrie und Landwirtschaft auf.»

«Der Film ist nur als Lockvogel gedacht.»

Michael Werder, Regisseur des Hünenberger Films

Zum Film gehört eine Homepage und auf dieser findet man alle Daten und Fakten zur Gemeinde Hünenberg. «Der Film ist nur als Lockvogel gedacht», so Werder. Und die Reaktionen auf dieses doch eher unorthodoxe Werk? «Die waren grösstenteils positiv. Jedenfalls, nachdem die Leute über ihre Erwartungshaltung hinweggekommen sind.»

Und was blätterte Hünenberg dafür hin? «80’683 Franken», heisst es dort. Und das, obwohl man mit Sponsoren gearbeitet habe und der Regisseur auf einen Teil seines Lohnes verzichtete. 

Tanzende Einhörner im Feld und auf dem Pausenplatz. Das ist bestimmt nicht jedermanns Sache. Werder betont jedoch: «Seien wir ehrlich. Zahlen und Fakten hat man sowieso gleich wieder vergessen. Der aktuelle Film sorgte hingegen bei vielen für Gesprächsstoff.»

Baar und Steinhausen zahlen nichts

So viel Liebe wie Hünenberg in seine Einhörner gesteckt hat, will man in Baar und Steinhausen nicht investieren. Im Gegenteil. Der Baarer Imagefilm, den man sich auf der offiziellen Gemeindeseite ansehen kann, ist offensichtlich von minderer Qualität. Der Gemeinderat Andreas Hotz steht mit violett gestreifter Kravatte vor dem Rathaus und erzählt etwas hölzern, wie toll die Gemeinde ist. Im Hintergrund schrummt Liftmusik, die Filmaufnahmen entsprechen der Qualität eines letztjährigen Smartphone-Modells.

Zudem wird geflunkert. «Über den Dächern des belebten Dorfzentrums erhebt sich die Kirche St. Martin.» Gezeigt wird die verkehrsverstopfte Dorfstrasse. Wer schon mal in Baar war, weiss: Das Leben findet anderswo statt. Am Bahnhof. Beim Kebabstand. Im Hallenbad. Aber bestimmt nicht in der Dorfstrasse. Item.

«In Anbetracht des Sparkurses wird es in der nächsten Zeit keinen neuen Film geben. Das liegt nicht drin.»

Walter Lipp, Baarer Gemeindeschreiber

Der Baarer Gemeindeschreiber Walter Lipp relativiert das ziemlich fade Video: «Der Film war für die Gemeinde kostenlos.» Wie das? «Dahinter Steckt die Firma 1A.TV. Diese bietet es den Gemeinden an, gratis einen Imagefilm für sie zu machen. Die Finanzierung funktioniert darum, weil lokale Firmen, die im Film gezeigt werden, für ihren Auftritt bezahlen.» Dieselbe Lösung hat auch die Gemeinde Steinhausen für sich gewählt. Ein Imagefilm, der kein bisschen aufregend daherkommt und dafür gratis ist. Und das dürfte, zumindest in Baar, vorläufig so bleiben. «In Anbetracht des Sparkurses wird es in der nächsten Zeit keinen neuen Film geben. Das liegt nicht drin.»

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