Strassenaktion am Bahnhof Luzern

Junge Frauen verteilen Gratis-Umarmungen

Eine Passantin wird von der Berufsmittelschülerin spontan umarmt. (Bild: rob)

Vier junge Frauen, die auf der Strasse stehen und die Passanten umarmen: Für einmal eine Strassenaktion, von der fast alle begeistert sind. Aber Achtung: Die Berufsmittelschülerinnen machen das nicht aus Spass. Dahinter steckt eine wissenschaftliche These – Luzerner Zärtlichkeit wird vermessen.

Normalerweise macht man meist einen Bogen darum herum. Weil es mühsam ist, weil man um Geld angebettelt wird, weil es Zeit braucht: Strassenaktionen sind gemeint – Tierschützer, Menschenrechtsorganisationen, Parteien, Behindertenorganisationen. Meist eilt man an ihnen vorbei, der Eine oder Andere auch mal mit schlechtem Gewissen.

Überfallartige Berührung

Ganz anders ist es diesmal am Schiffsanlegeplatz beim Luzerner Bahnhofsplatz. «Gratis Umarmungen!» rufen da aus voller Kehle vier junge Frauen der Berufsmittelschule Luzern und halten ein Plakat hoch. Darauf steht «Free Hugs» auf Englisch, damit es auch die Touristen verstehen. Kaum hat man die Buchstaben entziffert, setzt es auch schon eine herzliche, fast zärtliche Umarmung ab. Die meisten bleiben einen Moment verdutzt stehen, um dann ein wohlig breites Lächeln aufzusetzen. Eins ist klar: Diese Strassenaktion stösst rundum auf Anklang, kaum einer, der sich dem Charme der vier Damen entziehen kann.

Die vier Berufsmittelschülerinnen stehen mit ihrem Plakat beim Bahnhofplatz und warten auf «Kundschaft», die sie umarmen können.

Die vier Berufsmittelschülerinnen stehen mit ihrem Plakat beim Bahnhofplatz und warten auf «Kundschaft», die sie umarmen können.

(Bild: rob)

«Es geht hierbei um eine sozialwissenschaftliches Projekt», sagt die 20-jährige Jasmin Wirz mit ernster Miene. «Wir haben die Hypothese aufgestellt, dass uns von 100 Leuten, die wir ansprechen, mindestens 25 umarmen.» Das Resultat sei erfreulich, fügt sie an. «Ich hätte nicht gedacht, dass die Leute so offen sind,» sagt Tatjana Domic (21). «Bis jetzt haben wir schon über 50 Leute umarmt, Schweizer, Chinesen, Amerikaner», sagt Joana Marti (20).

«Ich hätte nicht gedacht, dass die Leute so offen sind»

Tatjana Domic, Berufsmittelschülerin

These vollumfänglich erfüllt

Obwohl sie ihr «wissenschaftliches» Ziel bereits erreicht haben, machen die vier Schülerinnen munter weiter. Es wird geherzt und umarmt, was das Zeug hält. Die Aktion kommt an, sorgt für strahlende Gesichter bei den Passanten. Und wie werden die Berufsmittelschülerinnen ihre Ergebnisse auswerten? Die 21-jährige Vanessa Eugster grinst und zuckt mit den Schultern: «Was wir damit nachher genau anstellen, wissen wir noch nicht. Aber die Aktion macht auf jeden Fall grossen Spass.»

«Unsere Erwartungen wurden klar übertroffen.»

Jasmin Wirz, Berufsmittelschülerin

Alle vier sind sich einig: Ihre These, dass sich viele Menschen gerne umarmen lassen, hat sich mehr als bewahrheitet. «Unsere Erwartungen wurden klar übertroffen», sagt Jasmin Wirz. Das Bild von zurückhaltenden Innerschweizern, die jeglichen Kontakt zu Fremden vermeiden, scheint also falsch zu sein. Die vier jungen Forscherinnen haben mit ihrer Feldforschung eine bisher noch wenig bekannte Facette der hiesigen Menschen aufgezeigt: Die Luzerner und Luzernerinnen scheinen ein zärtlichkeitsliebendes Volk zu sein.

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