Vor 500 Jahren schwer in Mode

Kuschelrokoko im Zuger Lusthaus

Lustpavillon (rechts) und Oldtimer sorgten für Stimmung am Quartierfest «Münz». (Bild: slam)

Zug hat ein eigenes Lusthaus. Bezehungsweise hatte – denn im Zuger «Gloriettli» ist seit Jahrhunderten nichts mehr los. Und ausserdem sieht man nichts – es gibt keine Lampe. Wir werfen trotzdem einen Blick ins Dunkel. Und werden überrascht.

Franz Michael Müller-Hediger erbaute 1765 das zur nebenstehenden «Münz» angehörende Lustpavillion «Gloriette». Gloriette steht dabei üblicherweise für ein Haus inmitten grosser Gartenanlagen. Oder für ein Lusthaus, das sich an einem besonders idyllischen Ort in einer Parkanlage befindet. Eine der bekanntesten Varianten ist jene vom Schloss Schönbrunn in Wien.

Das Zuger Gloriettli ist auch eines: Alt-Ammann Franz Michael Müller liess den lieblichen Gartenpavillon im 18. Jahrhundert tatsächlich als Lusthaus für sich und seine Frau erbauen. «Doch ein Lusthaus galt nicht als dasjenige, das wir heute als Lusthaus bezeichnen würden», schmunzelt Kunsthistoriker Daniel Schulz, der hier ausnahmsweise Führungen anbietet. Ob solche Führungen in Zukunft stattfinden werden, ist noch ungewiss.

Überraschendes Lusthaus

In einer kleinen Stadt wie Zug überraschte die Gloriette schon damals mit ihrem davorstehenden Garten als einzige weit und breit in der Stadt. 1864 ging sowohl die zwölf Wohnungen und zwei Ladenlokale beherbergende Münz als auch die über eine Brücke zugängliche Gloriette in den Besitz der Familie Wyss über.

«Wieso ist in all den Jahren, niemand auf die Idee gekommen, hier eine Lampe zu installieren?»

Ein Besucher der Gloriette

Die Gloriette liegt heute brach, ohne Nutzungszweck ausser dem historischen Show-Charakter. Die Münz beherbergt heute mittlerweile eine Handels-Gesellschaft. Und mit der Brücke zum modern verglasten Nebengebäude spreizt sich die Gloriette sich eher ab, als dass sie sich mit der Moderne verbindet. Sie bleibt ein Relikt aus längst vergessener Zeit.

Auch ganz handfest: Auf die Frage eines lokalen, an der Führung teilnehmenden Politikers «wieso in all den Jahren, niemand auf die Idee gekommen sei, hier eine Lampe zu installieren», weiss die Führung auch keine Antwort.

Chinesische Porzellan-Imitation schwer in Mode

Die im oberen Bereich wiederkehrenden, an den Weingott Bachus erinnernde Pan-Figuren, die Spalthufe als Tischbeinfüsse wie auch die zur damaligen Zeit gerade in Mode gekommenen chinesischen Porzellan-Imitationen sprechen eine heute unverständliche Sprache des Prunks. Diese war für die damalige Zeit zwar üblich bei erfolgreichen und ehrenhaften Familien, doch würden sich heutige Mieter und Handelsgesellschaften wohl nicht mehr mit so wenig Nutzungsfläche begnügen.

Aus dem Lusthäuschen wurde im Verlaufe der Jahrhunderte also selbst ein Dekorativ für die Zuger Altstadt. Die für sich genommen wiederum zur Dekoration, quasi zur Gloriette zu verkommen droht im Garten einer sich globalisierenden Handelsstadt. Die Gloriette selber hat jedes Leben schon verloren, trotz zahlreicher Wiederbelebungsversuche während der fünf Jahrhunderte ihrer Existenz: Auch ein sich vor rund 50 Jahren hier einrichtender Lesezirkel wurde bald wieder aufgelöst.

Für seine Frau gebaut - der einzige Zuger Lustpavillon.

Für seine Frau gebaut – der einzige Zuger Lustpavillon.

(Bild: slam)

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