Zwischenfall bei Zwischennutzung

Wegen Vandalen: Himmelrich musste evakuiert werden

Patric Gehrig und Saskya Germann von Zell:Stoff, in deren Zwischennutzungs-Theaterraum an der Tödistrasse 15 eingebrochen wurde. (Bild: lwo)

Sie kamen, um zu zerstören: Vandalen sorgten in der Himmelrich-Siedlung für reichlich Ärger. Ihre Zerstörungswut an den von Künstlern zwischengenutzten Häusern war gross. So gross, dass sich die Verantwortlichen aus Angst vor einer Eskalation zu einer heftigen Massnahme genötigt sahen.

Der Luzerner Theater- und Filmschaffende Patric Gehrig hat am Samstagmorgen in einem Facebook-Beitrag kräftig Dampf abgelassen und dafür reichlich Zustimmung geerntet. Unter anderem schrieb Gehrig: «An die […]*, die in der ABL Zwischennutzung im Himmelrich heute Nacht die Türen eingetreten, die Wohnungen verwüstet und geklaut haben: Ich bemitleide eure Eltern für eure Existenz!» Der Rest von seiner Wutrede ist noch weniger nett und nicht mehr zitierfähig.

«Ihnen ging es nur ums Zerstören»

Und das ist passiert in der Nacht von Freitag auf Samstag in der ABL-Himmelrichsiedlung, die seit Donnerstag und leider nur noch bis diesen Samstagabend von rund 100 Künstlern zwischengenutzt und danach abgerissen wird: Scheiben im Treppenhaus wurden eingeschlagen, Türen zu den Wohnungen/Ateliers eingetreten, Gegenstände geklaut, Elektrotableaus weggerissen, Restaurants unter Wasser gesetzt sowie Feuerlöscher ausgeleert und demoliert. Das alles hat sich laut Jesús Turiño, ABL-Projektleiter, wohl gegen halb zwei Uhr morgens und innert kurzer Zeit abgespielt.

ABL-Projektleiter Jesús Turiño zeigt der Polizei, wo die Vandalen überall zugeschlagen haben.

ABL-Projektleiter Jesús Turiño zeigt der Polizei, wo die Vandalen überall zugeschlagen haben.

(Bild: lwo)

«Wir gehen davon aus, dass es an die 20 Personen waren, die unabhängig voneinander randaliert haben. Ihnen ging es offenbar nur ums Zerstören, denn teure Gegenstände, die in den Wohnungen waren, wurden nicht gestohlen», sagt Turiño. Zu dieser Zeit waren zwar noch ein paar Hundert Leute am Feiern in der Häuserreihe an der Tödistrasse 9 bis 17. Aber offenbar hat niemand mitbekommen, wer die Vandalen waren.

Eskalation befürchtet

Die Zerstörungswut hatte Folgen. «Als wir realisierten, was gerade abging, mussten wir sofort reagieren und aus Sicherheitsgründen alle Treppenhäuser samt den Wohnungen evakuieren und die Leute auf die Strasse schicken», erzählt Turiño. Auch das rasche Auftauchen der Polizei habe eine Eskalation verhindert. Zwar sei es schon am Abend zuvor vereinzelt zu Vandalenakten gekommen, aber nicht in diesem Ausmass.

«Diesen Leuten fehlt jeglicher Respekt vor dem, was wir hier machen.»

Jesús Turiño, ABL-Projektleiter

«Diesen Leuten fehlt jeglicher Respekt vor dem, was wir hier machen», ärgert sich Turiño. «Aber wir haben uns entschlossen, das Himmelrich auch heute Samstag noch zu öffnen. Das lassen wir uns nicht bieten und machen weiter.» Allerdings werde man heute Samstagnacht wohl früher Schluss machen, so gegen Mitternacht. Man wolle den Vandalen keine weitere Möglichkeit bieten, mit dem Abbruchhaus Unfug zu treiben.

Die Polizei nahm am Samstagmittag den Schaden auf und besprach die Lage mit Turiño. Sie wird am Samstagabend ein Auge auf die Liegenschaft halten. Auf eine Anzeige seitens der ABL wird aber verzichtet, da das Haus eh dem Erdboden gleich gemacht wird und der Sachschaden nicht sehr hoch war.

Teddy geklaut, Beamer nicht

Betroffen vom Vandalenakt sind unter anderem der Verfasser der Facebook-Wutrede, Patric Gehrig, sowie seine Theaterpartnerin Saskya Germann. Die beiden führen unter dem Namen Zell:Stoff in einer Wohnung an der Tödistrasse 15 während der Zwischennutzung ein Mini-Theater auf.

«Teures Zeug wie den Videobeamer oder den DVD-Player haben sie nicht angerührt.»

Patric Gehrig, Himmelrich-Künstler

«Wir haben die Wohnung nachts um etwa halb Zwölf verlassen. Um etwa halb Zwei haben wir Lärm gehört und gingen nachschauen.» Doch zu diesem Zeitpunkt haben sich die Vandalen bereits wieder aus dem Staub gemacht. Zuvor haben sie die Türe zu Gehrigs umfunktionierter Theaterbude eingetreten und dort rumgewühlt. «Gestohlen haben sie einen Teddybären und ein Kissen vom Bühnenbild sowie eine Tasche mit Kleidern. Teures Zeug wie den Videobeamer oder den DVD-Player haben sie aber nicht angerührt», wundert sich Gehrig. 

Gemäss Stand Samstagnachmittag wurden immerhin keine der Kunstwerke in den rund 60 Wohnungen schwerwiegend demoliert. Einzig eine kleine, witzige Installation in einem der Treppenhäuser wurde komplett zerstört.

Schnapsflaschen an Wände geworfen

Einer, den es hart getroffen hat, ist Roger Stalder. Er schmeisst an der Tödistrasse 11 die Himmelrich-Neustadtbeiz. Bei ihm gelangten die Vandalen wohl via Balkon in die zur schmucken Bar umfunktionierte Wohnung. Dort tobten sie sich ordentlich aus, schmissen Schnapsflaschen durchs Zimmer und Essensreste an die Fenster. Die Sauerei ist gross, doch Stalder und sein Team schauen nach vorne, räumen auf und öffnen heute Samstagabend wie geplant. «Keine Ahnung, was das für Schwachköpfe waren», sagt Stalder genervt.

Roger Stalder vom Himmelrich-Neustadtbeizli organisiert die Aufräumarbeiten.

Roger Stalder vom Himmelrich-Neustadtbeizli organisiert die Aufräumarbeiten.

(Bild: lwo)

Mehr als 3000 Kunstinteressierte

Von diesem Zwischenfall abgesehen, ist die Himmelrich-Zwischennutzung ein Grosserfolg. Turiño schätzt, dass vom Auftakt am Donnerstag bis diesen Samstagmittag an die 3000 Personen die äusserst vielseitigen Kunstprojekte besucht haben. «Wir sind sehr zufrieden, die Stimmung ist wunderschön, alle loben das Projekt», freut sich der ABL-Projektleiter zu Recht. Der Grossandrang zeige, wie stark das Interesse der Luzerner Bevölkerung an Kunst und kreativen Zwischennutzungen sei. Bleibt zu hoffen, dass sich möglichst bald wieder eine ähnliche Möglichkeit ergibt.

*Hinweis der Redaktion: Die Zitate zu Beginn des Textes wurden der guten Ordnung halber entschärft.

Bilder vom Schaden, den die Vandalen angerichtet haben, finden Sie hier:

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Simon Meyer
    Simon Meyer, 06.09.2015, 17:28 Uhr

    Ja eine Sauerei ist das was da passiert ist. Als einer der in der Fotoausstellung Fotodom gleich gegenüber des Himmelrichs sind wir natürlich ebenfalls betroffen über die Randale. Da wo ich herkomme hat man Namen für solche Leute die man heutzutage nur noch bei Facebook bringen darf.
    Kurz, man müsste ihnen den Hosenboden stramm ziehen!

    Allerdings, ich muss schon sagen, wer die Himmelrich-Siedlung sah wie sie schon von denen die sie künstlerisch bespielten besprayt und vermöglet wurde, der wundert sich nicht wirklich, dass dadurch schwachsinnige Chaoten angelockt werden.
    Interessant ist es ja schon, dass in den zwei Wochen vorher wo wir schon am selben Ort ausstellten nie irgendetwas vorgefallen ist. Und ich erwarte, dass es nun, da der Himmelrich-Event vorbei ist, auch wieder Ruhe einkehren wird.

    Und übrigens, auch wenn es bei uns an der Tödistrasse 18 keine Randale, Bierbesäufnisse und coole Kunst gibt; Die Foto-Ausstellung lohnt sich allemal (Öffnungszeiten Do/Fr 16-19h, Sa 11-16h)

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