Sparen beim Luzerner Veloordnungsdienst

Droht nun das grosse Velochaos?

Endlos reiht sich Velo an Velo an der Bahnhofstrasse.

(Bild: rob)

45’000 Franken weniger pro Jahr für den Ordnungsdienst: Angesichts der wachsenden Anzahl Velos rund um den Bahnhof und in der Innenstadt runzeln viele die Stirn. Kann das gut gehen, wenn bei der Ordnung gespart wird? Führt das Velochaos zu mehr Unfällen? Bei der Caritas ist man besorgt und fürchtet einen Abbau von Leistungen.

«Bisher bekamen wir pro Jahr 225’000 Franken, neu werden es durchschnittlich nur noch 180’000 Franken sein.» Hans-Peter Widmer-Malatesta, Bereichsleiter berufliche Integration bei der Caritas, ist wenig erfreut über die geplanten Sparmassnahmen beim Veloordnungsdienst (zentral+ berichtete). «45’000 Franken weniger pro Jahr, das betrifft unsere Arbeit massiv», sagt er. Die Caritas ist im Auftrag der Stadt zuständig für den Veloordnungsdienst in Luzern. Mit bisher 150 Stellenprozenten und rund 15 bis 20 Leuten aus der wirtschaftlichen Sozialhilfe wird dafür gesorgt, dass in der Innenstadt Ordnung in Sachen Velos und Abstellplätzen herrscht.

«45’000 Franken weniger pro Jahr, das betrifft unsere Arbeit massiv.»

Hans-Peter Widmer, Caritas Luzern

Gefahr für Fussgänger

Der Veloordnungsdienst patrouilliert täglich auf dem Bahnhofareal und bei den grösseren Veloabstellplätzen in der Innenstadt, um umgefallene Velos aufzustellen, falsch parkierte in die markierten Zonen umzustellen und schrottreife Fahrräder zu entsorgen. So soll mehr Platz und Ordnung geschaffen werden. Und die Unfallgefahr wird reduziert: Für Fussgänger sind zu viele falsch parkierte Velos eine Gefahr, weil ihnen dadurch die Sicht auf den motorisierten Verkehr erschwert wird. «Am Bahnhofsplatz können zu viele wild hingestellte Velos zu Unfällen führen», so Widmer.

«Am Bahnhofsplatz können zu viele wild hingestellte Velos zu Unfällen führen.»

Hans-Peter Widmer, Caritas Luzern

Auch viele schrottreife Velos müssen eingesammelt werden: «Pro Jahr sammeln wir rund 1’000 Veloleichen ein, die entsorgt werden müssen», sagt Widmer. Viel Arbeit bereiten auch falsch parkierte Zweiräder: Pro Tag müssen bis zu 200 Velos umparkiert werden. «Wir stellen sie, wenn genügend Platz vorhanden ist, auf markierte Flächen. Ansonsten werden sie beim Inseli deponiert.» Bisher ist dieser Dienst kostenlos – neu möchte die Stadt dafür Gebühren erheben. Dazu müsste aber noch das Reglement über die Nutzung des öffentlichen Grundes überarbeitet werden.

Viele Dienstleistungen für Velofahrer

Die Velodienste der Stadt Luzern werden seit 2011 als Sozialfirma durch die Caritas Luzern betrieben. Sie bestehen aus der bewachten Velostation beim Bahnhof und dem Veloordnungsdienst. Daneben kümmert sich der Dienst auch noch um diverse andere Dienstleisungen: Veloreinigungen, Reperaturen, Occasionsverkauf, Rent a bike, Nextbike-Bikesharing.

Mit dem Sparpaket belaufen sich die Entschädigungskosten für die Velodienste  neu auf 900'000 Franken für die Jahre 2016 bis 2020. Für die Periode von 2011 bis 2015 waren es 1'125'000 Franken, also insgesamt 225'000 Franken mehr.

Die Stadt möchte, dass die Caritas Mehreinnahmen generiert und schlägt unter anderem vor, eine «Bearbeitunsgspauschale» für falsch parkierte und durch den Velodienst verschobene Fahrräder zu erheben. Bisher war dieser «Dienst» kostenlos.

Weniger Personal – mehr Unordnung

Auch bei der überdachten Fahrradstation beim Bahnhof könnte es für Velofahrer bald teurer werden: «Wir tragen das volle Unternehmerrisiko und sind durch das Sparpaket, bei dem wir 20 Prozent einsparen müssen, angewiesen, mehr Ertrag zu generieren. Also wäre es denkbar, dass wir zum Beispiel statt wie bisher einen Franken, neu zwei Franken pro Tag fürs Abstellen des Velos verrechnen», sagt Widmer. Das sei aber eine politische Frage, ob und  wie höhere  Gebühren eingeführt werden können.

Hans-Peter Widmer betont, dass die Caritas Luzern mit der Stadt bereits eine Leistungsvereinbarung unterzeichnet und eingewilligt hat, noch mehr Ertrag mit dem Ordnungsdienst zu erwirtschaften. Aber: «Es gibt noch einige Stolpersteine.» Schliesslich erwirtschafte die Sozialfirma  jetzt schon über 50 Prozent der Kosten über Erträge selber, das noch zu steigern, sei nicht einfach. Gut möglich, dass also beim Angebot abgebaut werden muss. «Es kann sein, dass wir beim Personal einsparen müssen, was heisst, dass weniger Leistung erbracht werden könnte», sagt Widmer. Das kann dazu führen, dass das Velochaos rund um den Bahnhof anwächst. «Uns ist es darum lieber, wenn wir mehr Einnahmen generieren.» Allerdings ist da mit erheblichem Widerstand der Velofahrer zu rechnen.

In der Nähe des Bahnhofs sind die Veloabstellplätze immer zum Bersten voll.

In der Nähe des Bahnhofs sind die Veloabstellplätze immer zum Bersten voll.

(Bild: rob)

Widerspruch zur Mobilitätsstrategie

Sowohl die Vereinigung Pro Velo wie auch die Grünen kritisieren deshalb die Sparvorhaben beim Veloordnungsdienst. Keine andere Stadt investiere verhältnismässig so wenig in den Velodienst wie Luzern, monieren die Grünen. Die IG Velo ist der Auffassung, dass etwelche Gebühren fürs Abschleppen oder erhöhte Mietpreise fürs Parkieren am Bahnhof das Velofahren nicht attraktiver machen. Genau das aber möchte die Stadt nicht: Die Mobilitätsstrategie sieht vor, den Veloanteil am gesamten Verkehrsaufkommen bis 2020 von heute zwei auf vier Prozent zu verdoppeln und bis 2035 sogar auf zehn Prozent zu erhöhen. So gesehen mutet es etwas seltsam an, dass ausgerechnet beim Veloordnungsdienst abgespeckt werden soll.

Gut möglich also, dass dieser Sparposten am 22. Oktober im Stadtparlament noch für heisse Diskussionen sorgen wird. Dies auch, weil die GPK gegenüber dem Stadtrat im Vorfeld schon Kritik an den Sparplänen beim Velodienst geäussert hat. «Wir haben Bedenken geäussert, weil es heute schon zu wenig Veloabstellplätze rund um den Bahnhof gibt», sagt Kommissionspräsidentin Luzia Vetterli (SP). Die Kommission zeigte sich besorgt, dass das Sparvorhaben zu mehr Chaos in der Innenstadt führen wird.

 

 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Sarastro
    Sarastro, 04.09.2015, 19:29 Uhr

    Vermutlich würde die Wiedereinführung einer kostenpflichtigen Velovignette mit Registrierung des Eigentümers das Problem entschärfen. Damit würden sich die Velofahrer nicht nur an den Kosten beteiligen, die durch die Schaffung von Abstellplätzen und die Beseitigung herren- und damenloser Fahrräder entstehen, sondern die Eigentümer = Kostenverursacher könnten so zur Rechenschaft resp. zur Kasse gebeten werden. Zugleich könnten die Eigentümer gestohlener + gesuchter Fahrräder ermittelt werden.

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