(Tor-)Tour durch die Stadt Luzern

Zwischen Randstein und Seitenspiegel

Der Platz in der Stadt Luzern ist begrenzt. (Bild: cha)

Die Stadt Luzern bietet Velofahrern so einiges. Vor allem Schweissausbrüche und Adrenalinschübe. zentral+ hat sich auf dem Drahtesel an die wohl schlimmste Route durch Luzern gewagt – und überlebt.

Luzern ist eine Velostadt! Oder? Zumindest versucht die Leuchtenstadt krampfhaft, sich als Radlerparadies zu präsentieren. Mit einer wunderbaren Velo-Zählstelle an der Haldenstrasse nahe Schwanenplatz vermittelt Luzern dieses Bild. Mit seinen teils engen, gefährlichen Radwegen auf dicht befahrenen Strassen kommuniziert die Stadt wiederum das Gegenteil.

Pilatusstrasse, Seebrücke und Haldenstrasse: Abschnitte, auf denen die Fahrt auf dem Zweirad durch die Stadt keine Freude mehr bereitet. Zwischen Autos oder Bussen eingeklemmt, kann einem als schwächster Verkehrsteilnehmer durchaus unwohl werden. Schweissausbrüche und Adrenalinschübe vorprogrammiert. Glücklicherweise hält das den Kopf hellwach und die Konzentration auf einem Level, das bitternötig ist, die Passagen unbeschadet zu überstehen, wie das Abfahren des selbsternannten «Teufelskreises» beweist.

Start: Hirschengraben

16 Uhr. Der Feierabendverkehr steht in den Startlöchern. Auf Höhe «Radikal» startet die (Tor-)Tour. Die Eingliederung in den Verkehr fällt hier noch leicht. Insofern kein Bus in Sicht ist und kein kurzentschlossener Autofahrer spontan rechts in die Klosterstrasse einbiegen will, kann man in Ruhe auf der Busspur in Richtung Pilatusplatz fahren. Bis zu dem Ort, wo die Busspur endet. Doch bereits nach zwanzig Metern war die Tour fast zu Ende. Eine Autofahrerin drängelt von der Klosterstrasse auf den Hirschengraben. Ein erstes Mal ist das Reaktionsvermögen gefordert. Mit beschämtem Blick lässt die Dame wissen, dass es ihr ja leid tut, aber sie hat mich halt einfach nicht gesehen.

1. Etappe: Pilatusplatz – Bundesplatz

Kurz vor dem Lichtsignal am Pilatusplatz teilt sich die Spur. Die Bus- beziehungsweise Velospur löst sich kurz vorher in Luft auf. Hier ist Vorsicht geboten, und Tempo gefragt. Denn: Während die Autofahrer ungeduldig und so knapp wie möglich am Velofahrer vorbeirasseln wollen, versucht man hier auf dem Zweirad irgendwie nicht im Weg zu sein. Doch das ist gar nicht so einfach, weshalb man automatisch den Gang hochschaltet und so schnell wie möglich die Obergrundstrasse hinter sich lassen will.

Jetzt aber hopp! Die Abzweigung in die Moosstrasse ist nur noch 50 Meter weit weg. Wiederum wollen die Autos rechts weiter geradeaus mit 50 Km/h – und ja nicht weniger! – an den Velos vorbeifahren und jene auf der Spur zum Linksabbiegen um alles in der Welt die Grünphase nicht verpassen! Also bitte nicht gemächlich velölen, sondern strampeln!

Wer bis jetzt noch nicht aufgrund der Anstrengung ins Schwitzen gekommen ist, wird spätestens in der Moosstrasse ob der Konzentration ein paar Detziliter Schweiss verlieren. Denn nebst Fussgängern und Autos, deren Seitenspiegel den Lenker nur ganz knapp nicht erwischen, ist auf sich extrem spontan öffnende Autotüren von auf der rechten Strassenseite geparkten Fahrzeugen Acht zu geben. Doch mit der nötigen Portion Glück und etwas Reaktionsvermögen ist der Bundesplatz schon so gut wie erreicht!

(Bild: cha)

2. Etappe: Bundesplatz – Bahnhof Luzern

Die erste anspruchsvolle Kreuzung wartet. Auf dem doppelspurigen Bundesplatz gibt es keine spezielle Velosignalisation. «luzernmobil» empfiehlt, hier alternativ vom Drahtesel abzusteigen und diesen über die Fussgängerstreifen zu schieben. Doch die Vorfreude auf den Adrenalinkick macht mutig. Hier heisst es, sobald eine Lücke gefunden ist: «Grend abe ond döre!». Dabei gilt es natürlich, die korrekte Spur zu nehmen.

Überlebt? Sehr schön. Nach ein paar Hitzewallungen kann der nächste Abschnitt etwas gemütlicher angegangen werden. Entlang der Zentralstrasse führt eine Velospur. Einzige Gefahr: Die Markierungen am Boden auf dem Fahrrad-Streifen haben bei nassen Verhältnissen etwa die ähnliche Wirkung wie Seife.

(Bild: cha)

3. Etappe: Seebrücke – Schlossberg

Beim Bahnhof Luzern wartet die nächste «anspruchsvolle Kreuzung». Zwar dürfen die Zweiräder bei Grün vor den Autos losfahren. Allerdings drängeln diese doch etwas ungeduldig knapp am Fahrrad vorbei. Die Velospur auf der Seebrücke ist erreicht. Zwischen einem vbl-Bus und einem Touristencar eingeklemmt ist man ständig auf die Aufmerksamkeit der anderen angewiesen. Wechselt hier ein Fahrzeug die Spur, ohne dass der Fahrer sich achtet, ist man als Velofahrer schneller im Spital oben, als einen lieb ist.

Etwas nervös, aber unbeschadet, geht es vorbei am Löwenplatz. Kurz danach ist erneut viel Konzentration gefragt. Denn auf einem kleinen Abschnitt wechselt der Velostreifen für rund zwanzig Meter auf das Trottoir. Währenddem ein Touristenpaar unachtsam umherschlendert, ist doppelte Vorsicht und ein gutes Reaktionsvermögen gefragt.

4. Etappe: Schlossberg – Kantonsspital

Die Zürichstrasse hochgestrampelt kommt der ersehnte Schlossberg. Doch dort wird’s erneut tückisch: Das Einspuren vom Velostreifen ganz rechts auf die Spur zum Linksabbiegen ist im Feierabendverkehr nicht einfach – und so ist man stets auf seine eigene Achtsamkeit und den «Goodwill» der Autofahrer angewiesen. Wer dies unbeschadet übersteht, auf den wartet anschliessend der erste Abschnitt abseits einer stark befahrenen Strasse – wenn auch nur für knapp 200 Meter.

Wiederum muss von ganz rechts auf die linke Fahrspur eingespurt werden. Nach mehrmaligem Blick nach hinten tut sich eine kleine Lücke auf, die nochmals volle Beinpower beansprucht. Die Spitalstrasse ist erreicht und verspricht eine kurze Erholung auf der Geraden.

(Bild: cha)

5. Etappe: Kantonsspital – Kreuzstutz

Letzte Chance, entstandene Blessuren behandeln zu lassen. Vorbei am Kantonsspital wartet bereits eine Kolonne, die hinunter bis zur St. Karli-Brücke und zum Kreisel Kreuzstutz reicht. Millimeter-Arbeit ist angesagt, um an den stehenden Fahrzeugen rechts vorbei zu fahren. Immer wieder ist man jedoch zum Stoppen gezwungen, da das «Linkshalten für die Velos» seit der Autoprüfung aus dem Gedächtnis verschwand.

Nun gut. Endlich ist der Kreisel Kreuzstutz in Sichtweite. Dort fordert die Einfahrt in den Kreisverkehr nochmals alles ab. Denn wer dort bergauf nicht in die Pedale tritt, darf mit Gehupe und bösen Blicken rechnen.

(Bild: cha)

Letzte Etappe: Kreuzstutz – Hirschengraben

Die Zielgerade ist erreicht, die Baselstrasse abgefahren. Quietsch! Eine Millisekunde Unachtsamkeit hat fast zu einer Kollision geführt. Kurz vor der Eisenbahnbrücke beim Gütschbähnli wäre ich erstaunlicherweise nicht mit einem Auto, sondern einem weiteren Velofahrer zusammengeknallt. Ohne einen einzigen Blick in irgend eine Richtung zu wagen radelte der ältere Herr auf seinem Rennrad direkt vor meine Nase. Das war knapp.

Das macht nochmals so richtig wach für die letzten paar hundert Meter. Gefühlte fünfzig Kopfdrehungen, drei Liter verlorenen Schweiss und zwei Beinahe-Kollisionen später ist der Hirschengraben wieder erreicht. Wer sein Leben wieder zu schätzen wissen will, dem sei diese Tour dringendst empfohlen. Selten habe ich mich so lebendig gefühlt – überglücklich, noch am Leben zu sein. Denn diese Strecke als Velofahrer unbeschadet zu überstehen, ist nicht selbstverständlich, wie die Unfallkarte zeigt.

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4 Kommentare
  • Profilfoto von Manuel Gautschi
    Manuel Gautschi, 20.08.2015, 10:36 Uhr

    Ich fahre täglich die Strecke zwischen Eichhof und Maihof mit dem Velo und bin auch sonst viel mit meinem Drahtesel in Luzern unterwegs. Ausweichmöglichkeiten gibt es tatsächlich viele. Brandgefährlich und praktisch nicht zu umfahren sind hingegen die Abschnitte zwischen Bahnhof und dem Schlossberg (mit Ausnahme des deutlich längeren und anstrengenderen Wegs über den Bramberg) und zum Verkehrshaus.

    Will ich in Luzern mit dem Velo unterwegs sein, muss ich dies aber wohl in Kauf nehmen, genau wie die Autofahrer ihre Staus im Stadtzentrum. Was mich als überlegter und vorsichtiger Velofahrer dagegen nervt, sind jene unvernünftigen Velofahrer, die in gefährlichen Situation, zum Beispiel rund um Linienbusse oder Cars, drängeln oder sogar überholen und sich dann bei mir über meinen aus Erfahrung zurückhaltenden Fahrstil beschweren (da denke ich mir dann meine eigene Sache).

    Nichts übrig habe ich auch für die vielen Autofahrer, die vergessen haben, wie sie beim Abbiegen auf dem Velostreifen einspuren müssen und diejenigen, die im Feierabendverkehr teilweise telefonierend mitten auf Kreuzungen stehen.

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  • Profilfoto von Thomas Scherer
    Thomas Scherer, 18.08.2015, 17:30 Uhr

    Dass der Autor so viel Angstschweiss verloren hat, muss er zu einem schönen Teil sich selbst zuschreiben. Wer nicht unbedingt am Hirschengraben, an der Basel- oder an der Pilatusstrasse einen Halt machen muss, fährt nicht mit dem Velo auf dieser Route. Diese Strassen sind fürs Auto (und allenfalls den Bus) gemacht. Diese Strecken lassen sich an der Bahnhofstrasse oder entlang der Reuss umfahren. Die vorausschauende Routenwahl gehört mit zum Velofahren.
    Zudem: Im Verkehr muss jeder Verkehrsteilnehmer (jede Teilnehmerin) die Augen offen halten. Immer und überall. Das hat nichts mit dem Velo zu tun und nichts mit Luzern.
    In Luzern sind wir noch weit vom Veloparadies entfernt. Aber eine lebensgefährliche Hölle ist es nicht. Man muss einfach ein wenig mit Köpfchen fahren, nicht nur mit den Waden. Es macht den Eindruck, als sei der Autor absichtlich kopflos drauflos gefahren.

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  • Profilfoto von claudehagen
    claudehagen, 18.08.2015, 10:58 Uhr

    Sehr geehrte(r) Leser(in)

    Vielen Dank für Ihre Anmerkung. Es war die Absicht, die verkehrsreichste Veloroute durch die Stadt Luzern zu wählen. Dies ist insofern relevant, als dass täglich eine vierstellige Zahl an Velofahrern diese Strecke abfährt und diesen «Strapazen» ausgesetzt ist. Wie aus dem Bericht zu entnehmen ist, wurde die Strecke stets auf Velowegen abgefahren, also keineswegs gemieden.

    Freundliche Grüsse

    Claude Hagen

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  • Profilfoto von Liberal
    Liberal, 17.08.2015, 16:20 Uhr

    Man kann ja auch sämtliche Velowege meiden und gezielt Hauptachsen fahren und dann einen solchen Bericht schreiben. Sorry, aber der Beitrag ist lächerlich.

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