Hetze und Rassendiskriminierung im Netz

Kaum Anzeigen, kaum Beweise

Da viele rassendiskriminierende Kommentare auf den Sozialen Medien gleich wieder verschwinden, ist die Verfolgung dieser Straftaten sehr schwierig. (Bild: fotalia/Rob Hyrons)

In den Sozialen Medien verlieren die User oft den Anstand und drücken sich aggressiv aus. Das ist nicht neu. Doch wie sieht es rechtlich aus? Wann ist ein Post oder Tweet illegal und wie oft wird in Luzern dagegen vorgegangen?

Dass vielen Menschen online das Mundwerk lockerer sitzt als sonst, das ist bekannt. Auch, dass es teilweise zu üblen Beschimpfungen und Rassendiskriminierungen kommt (zentral+ berichtete). Und das auch in der Zentralschweiz. Gerade in den letzten Monaten wurde der Ton im Zusammenhang mit der Flüchtlingsdebatte auch in den Sozialen Medien rauer.

Verbale Fehltritte im Netz werden nun oft aus gesellschaftlicher und psychologischer Sicht diskutiert. Vermeintliche Anonymität und fehlendes Einfühlungsvermögen werden dabei als Gründe genannt. Doch wie wird in Luzern rechtlich mit Online-Hetze und Rassendiskriminierung umgegangen?

«Es sind sehr wenige Fälle, da wir oft auch gar nichts von diesen Vorfällen erfahren.»
Kurt Graf, Luzerner Polizei

Ein Beispiel aus dem Sommer 2014: «ha sho emmrr gseit Jude das sind Böse! #HH». Die Luzerner Staatsanwaltschaft befand den Autor dieses Posts für schuldig (zentral+ berichtete). Doch Anzeigen und Verurteilungen sind in Luzern generell selten. Rassendiskriminierung ist in den Sozialen Medien häufig, wird aber kaum geahndet.

Keine Anzeige bisher im 2015

Die Ausgangslage ist klar: Rassendiskriminierungen (StGB Art 261bis – siehe Box), von welchen die Polizei erfährt, werden von Amtes wegen verfolgt.

Doch dieses Jahr blieb es noch ziemlich ruhig bei der Luzerner Polizei. Im Jahr 2015 ist bisher noch keine Anzeige erstattet worden. Die Polizei selbst reichte in den vergangenen Jahren jährlich in einem bis vier Fällen Anzeigen ein. «Es sind sehr wenige Fälle, da wir oft auch gar nichts von diesen Vorfällen erfahren», so Kurt Graf von der Luzerner Polizei. Private stellen ebenfalls kaum Anzeige. «Das ist definitiv die Ausnahme», so Graf. Um wie viele Anzeigen von privater Seite es sich jedoch genau handelt, kann die Polizei nicht sagen.

Eine Registrierung bisher

In wie vielen Fällen derzeit ermittelt wird, sei ebenfalls nicht erfasst, erklärt die Luzerner Polizei. Im Fall Emmen werde jedoch ermittelt. Nach der Medienmitteilung zur Vergewaltigung wurden auf der Facebookseite der Gemeinde zahlreiche rassistische Kommentare gepostet. Es ging dabei so weit, dass die Kommentarfunktion gesperrt werden musste. Dieser Fall ist nun bei der Staatsanwaltschaft registriert und wird daher auch untersucht und eventuell zur Anzeige gebracht.

Artikel zur Rassendiskriminierung

Der Artikel 261bis lautet:

Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft, wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet sind, wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktion organisiert, fördert oder daran teilnimmt, wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Meschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht, wer eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion verweigert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

Doch die Chancen dafür, dass die Leute tatsächlich verurteilt werden, stehen wohl nicht allzu gut. Denn, wenn lediglich 14 Anklagen seit 2010 gemacht wurden und nicht bekannt ist, wie viele davon tatsächlich verurteilt wurden, dann scheint dies im Vergleich zu den zahlreichen rassistischen und gewaltverherrlichenden Kommentaren auf Facebook eine lächerlich tiefe Anzahl zu sein.

Verfolgung erschwert

Zahlreiche Fälle dringen aus einfachen Gründen nicht bis zu den Behörden durch. «Viele Portale oder Personen löschen die Kommentare oder sie melden sie bei Facebook», so Myriam Stucki, Informationsbeauftragte im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (fedpol). Das erschwere die rechtliche Verfolgung.

Oft sei es auch dann sehr schwierig, an die Leute ranzukommen, erklärt die Luzerner Polizei. Denn auf den Sozialen Medien seien viele Leute unter falschen Namen oder Abkürzungen registriert.

Daher sei die Reaktion der Leute, die einen solchen Post sehen, oft entscheidend für den weiteren Verlauf einer Ermittlung beziehungsweise einer Anzeige. Wichtig sei, dass man Screenshots der Posts macht. Denn oft wird den Schreibern hinterher klar, dass sie sich im Ton vergriffen haben, oder die Betreiber einer Gruppe oder der Plattform löschen den Post.

Stucki empfiehlt, eine Meldung bei fedpol über das Meldeformular zu machen oder Anzeige bei der zuständigen Kantonspolizei zu erstatten.

Tatsächlich strafbar?

Ob ein Kommentar in einer öffentlichen oder einer geschlossen Gruppe gepostet wird, macht aus rechtlicher Sicht einen Unterschied. Tatsächlich ist der Strafbestand nur dann gegeben, wenn man sich klar öffentlich geäussert hat.

Auch das Argument der Meinungsfreiheit taucht bei rassistischen Aussagen häufig auf. Die Meinungsfreiheit hört jedoch dann auf, wenn es sich um Diskriminierungen, systematische Herabsetzung oder Verleumdungen von einer Rasse, Ethnie oder Religion handelt. «Das sind Offizialdelikte und diese werden von fedpol sehr ernst genommen», so Stucki.

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