Marco Kunz zum Podium 41

Kalte Wasserkübel gegen Drogendealer

Kokser haben keinen Platz im Podium 41, findet dessen Gründer Marco Kunz. Die grössten Koksnasen seien sowieso woanders zu finden: In den Zuger Bürogebäuden. (Bild: fam)

Randständige – was heisst das überhaupt? Das fragt der Podium-41-Gründer. Und sagt im Interview, wo die echten Koksnasen sitzen, wo das eigentliche Problem liegt und wofür Handstaubsauger und Gartenschläuche nützlich sind.

«Ich gehe nicht mehr ins Podium», sagt Marco Kunz, dabei hat er es gegründet und vierzehn Jahre seines Lebens dort verbracht. Was er von der heutigen Diskussion ums «Podium 41» hält (zentral+ berichtete) und was er unter Randständigkeit versteht, sagt er im Interview. Zur Warnung für Zartbesaitete: Kunz ist selber randständig. Sagten zumindest alle anderen. Deshalb hat er das «Chaotikum», wie das Podium 41 früher hiess, damals ja auch gegründet.

Marco Kunz: Aber was heisst das überhaupt, randständig? Wir haben uns nicht randständig gefühlt. Wir wurden einfach nicht mehr in die Zuger Restaurants gelassen, weil wir Löcher in den Hosen hatten und barfuss waren. Nachdem wir jahrelang Abend für Abend für Umsatz gesorgt hatten, haben plötzlich der «Widder» und die «Platzmühle» und einige anderen Spunten beschlossen, dass sie uns nicht mehr haben wollen.

zentral+: Weshalb wurden Sie rausgeworfen?

Kunz: Ich denke, sie haben gemerkt, dass es wirtschaftlich aufwärtsgeht mit Zug, und wollten sich als schicke Restaurants etablieren. Damals hat gerade das Wirtschaftswachstum in Zug begonnen.

zentral+: Wie kam es denn zur Gründung des Podiums?

Kunz: Wir wollten einen Ort haben, an dem wir sein können. Und haben das der Stadt mit viel Durchhaltewillen erklärt. Bis sie uns dieses Grundstück gegeben hat, auf dem jetzt das Podium steht. Wir haben dann eine Baracke aus Zürich holen können, die hat die Stadt ebenfalls bezahlt. Das Mobiliar haben wir selbst besorgt und alles eingerichtet.

zentral+: Randständige, die selber etwas auf die Beine stellen? Heute ist das Podium ja eher ein Ort, wo Randständige geduldet werden, nicht einer, den sie selber gestalten.

Kunz: Wie gesagt, wir haben uns nicht als randständig empfunden. Aber die Stadt hat uns natürlich schon so betrachtet, man hat uns ja auch an den Rand der Stadt gesetzt. Da waren wir dann plötzlich auch physisch randständig. Aber wer definiert den Rand der Gesellschaft? Und wer sagt, auf welcher Seite des Rands jemand steht?

zentral+: Das klingt rebellisch, aber so ist das Podium ja gar nicht mehr. Es ist institutionalisiert, hat eine gesellschaftliche Aufgabe und Verantwortung übernommen. Vom eurem damaligen Kampf nach Raum ist ja nicht mehr viel übrig. Brauchts den überhaupt noch?

Kunz: Für mich ist das Podium heute sowieso nicht mehr das, was es für uns damals war. Ich gehe auch nicht mehr hin, weil die Leute mir immer sagen, du, früher wars viel besser, die Seele fehlt. Wir sind aber auch selber schuld. Wir haben uns gesagt, wir wollen in Zug bleiben, wir dürfen Zug nicht aufgeben. Und wer zuletzt geht, der macht das Licht aus. Und genau das ist passiert, wir sind alle gegangen und haben das Licht ausgemacht. Keiner von uns lebt mehr in der Stadt.

zentral+: Und das Podium?

Kunz: Die GGZ hat es mit einem neuen, sozialen Anspruch übernommen: Jetzt sollte es ein Ort für «Randständige» sein, für die man uns ja auch immer gehalten hatte. Das ist schon in Ordnung, aber damit kommen wohl dieselben Probleme, die wir auch immer hatten: die Dealer. Wir haben jahrelang gekämpft, immer weiter dafür gesorgt, dass das Koks aus dem Podium verschwindet. Haben kalte Wasserkübel über die Dealer ausgelehrt, wenn sie sich im WC versteckten, um etwas zu verkaufen. Oder sie mit dem Schlauch abgespritzt, wenn sie an der Ecke standen. (Kunz grinst.) Das war schon damals im Chaotikum so, da hatte jede und jeder von uns immer einen kleinen Handstaubsauger dabei, und wenn jemand auf dem Tisch einen Joint drehen wollte, haben wirs einfach eingesogen. Wenn du das ein paar Mal machst, dann ist allen klar, wies läuft. Und wenns schlimm wurde, haben wir unter anderem zusammen mit der Polizei Razzien vereinbart, wenn wieder gedealt wurde.

zentral+: Was meinen Sie genau damit, dass die GGZ nun einen anderen Anspruch hatte – es war ja immer eine alternative Klientel im Podium, Leute aus allen Gesellschaftsschichten, eben auch Leute vom gesellschaftlichen Rand.

Kunz: Ja, es war immer auch ein Ort für Familien, für alle, die kommen wollten. Aber das mit dem Koks ist eingeschliffen, und das macht es schwierig, es wieder rauszubekommen. Obwohl ich finde, die Leiterin des Podiums macht das sehr gut, und sie kommuniziert auch gut.

zentral+: Sie haben vierzehn Jahre lang im Podium 41 gearbeitet, kann ein solcher Ort überhaupt auf lange Zeit funktionieren, an dem Familien, Kiffer, arme Leute und Spaziergänger von der Seepromenade zusammensitzen?

Kunz: Klar kann er das. Ich sage auch immer allen: Wenn die Dealer tatsächlich zu viel Raum haben, dann, weil die anderen Besucher ihnen den Raum geben. Wenn die normalen Leute wieder mehr ins Podium gehen, dann haben die Dealer auch weniger Platz. Das Koks hat im Podium nichts verloren. Das Kiffen, das stört nicht mal die Polizei, natürlich sprechen sie Bussen aus, aber das ist ein Lausbubending. Und das Gifteln, also Heroin, das ist nie aufgekommen.

zentral+: Wie kann man Dealer fernhalten?

Kunz: Es ist eine schwierige Frage. Die Dealer sind da, wo sie die Jungen finden. Und die Dealer selber sind ja meistens Asylsuchende – das freut natürlich die SVP, dass ich das sage, aber es ist halt so; Wenn wir Asylsuchende bei uns aufnehmen, aber ihnen verbieten, zu arbeiten, dann müssen sie halt etwas finden, um über die Runden zu kommen. Dann fangen sie halt an zu dealen. Die SVP ist da zumindest konsequent, sie will ja alle Asylsuchenden abweisen. Aber wer verkauft dann das Koks? Ein Schweizer. Denn die grössten Koksnasen sitzen nicht im Podium, die sitzen in den schicken Zuger Büros und ziehen sich bequem ihre Linie rein, bevor sie in den «Widder» zum teuren Znacht gehen.

zentral+: Heute versucht eine Front von konservativen Politikern per Volksinitiative dem Podium den Geldhahn zuzudrehen. Schmerzt Sie das?

Kunz: Nein. Ich glaube nicht, dass das durchkommt. Zudem finde ich es schade, dass diese jungen SVP-Politiker gar nicht klar sagen, worum es ihnen geht. Sie wollen einfach das Geld abstellen. Wenn man wirklich darüber reden könnte, wo der Schuh drückt, dann könnte man ja etwas ändern, statt einfach alles abzuschaffen.

zentral+: Sie würden sich auf eine Diskussion über den Sinn und die Ausrichtung des Podiums einlassen, obwohl Sie es gegründet haben?

Kunz: Auf jeden Fall, da muss man ehrlich bleiben und über die Sachen sprechen können. Wenn zum Beispiel für diese Politiker das Problem da liegt, dass sie gerne mit ihren Familien in die Beiz gehen würden, aber nicht sehen wollen, dass nebenan jemand einen Joint baut, dann kann man doch das klären, und dafür sorgen, dass es nicht mehr passiert. Aber man muss halt schon sagen, wo das Problem genau liegt.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Gregor R. Bruhin
    Gregor R. Bruhin, 19.07.2015, 13:22 Uhr

    Vermutlich bin ich als «junger SVP Politiker» gemeint und deshalb möchte ich gleich die Frage beantworten, ob ich meine Beweggründe verschleiere oder nicht. Meine «wahren» Beweggründe sind jene, die ich auch im Grossen Gemeinderat, in verschiedenen Artikeln und auf der Strasse vertrete. Es gibt für mich keine Hidden Agenda, wer mich kennt, der weiss ich habe eine klare und ehrliche Linie. Auch wenn diese nicht allen gefallen und zeitweise anecken. Zu den Beweggründen:

    1. Ich störe mich am tolerierten Kiffen im Aussenbereich
    2. Ich störe mich am Littering und dem öffentlichen Urinieren (vgl. Vorlage vom Stadtrat)
    3. Ich störe mich daran, dass CHF 50’000.00 jährlich mehr notwendig werden, um die Personalsicherheit mit Doppelschichten zu wahren
    4. Ich störe mich daran, dass dieser Ort mit diesen Problemen an einem Ort geführt wird, wo sich Kinder und Familien vielfach bewegen. Wollen wir unseren Kindern ein solches Vorbild bieten?
    5. Ich störe mich daran, dass alle 4 Jahre diese Diskussion geführt werden muss und nie etwas gegen die genannten Probleme passiert.

    Der Vorschlag der GPK einer zweijährigen Betriebskreditverlängerung, mit einem klaren Auftrag zur Behebung der Probleme, war ein Kompromissvorschlag. Es ist daher falsch, dass mir und dem Referendumskomitee immer wieder unterstellt wird, dass wir die Randständigen vertreiben wollen. Wir wollten eine Lösung, der Stadtrat und letztendlich der Grosse Gemeinderat wollten keine Lösung und keine Änderung der bestehenden Situation. Ein Referendum ist die letzte Konsequenz, die Notbremse, dass es nicht 4 Jahre unverändert so weiter geht.

    Als Randnotiz finde ich es tendenziös wie unausgewogen dieses «unabhängige» Medium über die Diskussion rund ums Podium 41 berichtet. Falsche Zitate in zwei Artikeln und der Fakt, dass lediglich der Dialog die beiden Seiten ausgewogen zu Wort kommen lassen, sind nur 2 Beispiele.

    Gregor R. Bruhin
    Gemeinderat SVP Stadt Zug
    Mitglied der Geschäftsprüfungskomission (GPK)

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