Kein Verfahren gegen FCL-Fans

«Schlechter Geschmack ist nicht strafbar»

Ein als Jude verkleideter FCL-Fan führte den Fan-Marsch an. Der Aufschrei über die FCL-Fan in den Medien war gross. (Bild: Fotomontage zentral+)

Gross war der Aufschrei. Die FCL-Fans sollen beim Auswärtsspiel in St. Gallen am 15. Februar 2015 einen als Juden verkleideten Mann vor sich hergejagt haben. Die Staatsanwaltschaft St. Gallen verzichtet nun auf die Eröffnung eines Strafverfahrens wegen Rassendiskriminierung. Verurteilt wird die Aktion trotzdem von allen Seiten.

Die Rede war von «Juden-Hetze», «Juden-Jagd» und dem «durch die Gassen getriebenen Juden». FCL-Fans machten mit einer hässlichen Aktion im Rahmen eines Fanmarsches beim Auswärtsspiel in St. Gallen vom 15. Februar 2015 auf sich aufmerksam (zentral+ berichtete). Ein als Jude kostümierter Luzerner Fan setzte sich an die Spitze eines Fanzuges. Bei der Begegnung mit den St. Galler Fans führte er laut der St. Galler Staatsanwaltschaft einen Tanz auf, um diese zu provozieren. Dabei wurde er zum Schein von anderen Luzerner Fans von hinten mit einem Stock geschlagen.

Medien stellten Hetze falsch dar

Mit dieser Aktion wurde nicht gegen die Rassismus-Strafnorm verstossen, wie der «Blick» weiss. Auf die Eröffnung eines Strafverfahrens gegen drei FCL-Fans wurde verzichtet. «Gegen die Rassismus-Strafnorm verstösst derjenige, der den Begriff ‹Jude› so verwendet, dass er im ideologischen Sinn ein Klischee als Bestandteil nationalsozialistischer oder faschistischer Ideologie bedient und den Juden die Existenzberechtigung abspricht», teilt die St. Galler Staatsanwaltschaft mit.

«Ich kann den Zusammenhang zwischen der Bezeichnung Jude und einer Diskriminierung nicht feststellen; der Begriff wurde wertfrei verwendet»

Thomas Hansjakob, erster Staatsanwalt des Kantons St. Gallen

Im vorliegenden Fall sei dies allerdings nicht gegeben. «Ich kann den Zusammenhang zwischen der Bezeichnung Jude und einer Diskriminierung nicht feststellen; der Begriff wurde wertfrei verwendet», erklärt Thomas Hansjakob, erster Staatsanwalt des Kantons St. Gallen. Warum die Luzerner Fans die St. Galler als Juden bezeichnen, fand Hansjakob nicht heraus. Fest steht aber, dass gewisse Fangruppen sich sogar selbst mit Stolz als Juden bezeichnen. «Schlechter Geschmack alleine ist nicht strafbar.» Falsch sei die in den Medien kursierende Meldung gewesen, dass die FCL-Fans einen «richtigen» Juden vor sich hingetrieben hätten.

«Und sie werden fallen, die Juden aus St. Gallen.»

Die drei identifizierten FCL-Fans hätten glaubhaft darstellen können, dass ihre Aktionen nicht gegen Juden gerichtet war. Dass die Aktion gedankenlos war, gaben sie allesamt zu. Den drei Luzerner Fans wurden deshalb die Kosten der polizeilichen Ermittlung von je 300 Franken überbunden. Der als Jude verkleidete FCL-Fan hatte sich zudem öffentlich entschuldigt (zentral+ berichtete). Der Begriff des «Juden» tauche bei Fussballfans immer wieder auf, brachte Hansjakob bei seinen Recherchen in Erfahrung. «Im vorliegenden Fall handelt es sich aber schlicht um eine Bezeichnung der FC St. Gallen Fans.» Auch im FCL-Fangesang «Und sie werden fallen, die Juden aus St. Gallen» kommt dies zum Ausdruck.

Der Betroffene hatte sich geäussert, dass das Judenkostüm auch seinem Fasnachtsoutfit entsprochen habe. «Es war also eine – durchaus unüberlegte – Fasnachtsaktion, aber kein Antisemitismus», resümiert Hansjakob. Im Rahmen von Fasnachtsaktionen müsse ein etwas anderer Massstab gelten – Verkleidungen können nicht als Vermummung bestraft werden und nicht jedes geschmacklose Kostüm ist diskriminierend.

Nicht identifiziert werden konnte jener Fan, der dem Anschein nach mit einem Stock auf den Juden eindrosch. Dort wäre wohl ein Strafdelikt vorgelegen. Allerdings hätte auch im Kontakt mit diesem Fan festgestellt werden müssen, ob eine diskriminierende Absicht vorgelegen hätte, hält Hansjakob fest.

Viele empörte Rückmeldungen

Die Aktion löste bei vielen Juden in der Schweiz Kopfschütteln aus. «Ich habe sehr viele Mails erhalten, in denen die Empörung über das Verhalten der FCL-Fans gross war», sagt Hansjakob. Dass die Aktion eine verletzende Wirkung hatte, sei unbestritten – die Grenze zur Strafbarkeit aber nicht überschritten worden.

«Es ist auf alle Fälle geschmacklos.»

Max Fischer, Mediensprecher des FC Luzern

Auch der FC Luzern verurteilte die Aktion seiner Fans aufs Schärfste (zentral+ berichtete). Man habe den Fall mit der Fanarbeit thematisiert und analysiert. Auch hätte es unter den Fans grosse Diskussionen über den Vorfall gegeben. Beim darauffolgenden Auswärtsspiel in Sion hätten die Fans von sich aus ein Transparent präsentiert und sich von der Aktion distanziert. Dass nun kein Strafverfahren eingeleitet wird, habe man so zur Kenntnis genommen, sagt FCL-Mediensprecher Max Fischer. «Ich bin sicher, dass die Justiz nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat.»

Grosse Einigkeit über Fehlverhalten

Fischer weiss einen Ursprung der Bezeichnung «Jude» zu kennen. Als der FC Luzern im Stadion Gersag spielte, bezeichneten St. Galler Fans den mit Stacheldraht gesicherten Gästesektor als KZ. Dies sei von den Luzerner Fans so aufgenommen worden und diese hätten in der Folge die St. Galler als Juden bezeichnet. «Es ist auf alle Fälle geschmacklos», so Fischer.

Und auch die «United Supporters Luzern» distanzierten sich zu den Vorkommnissen in St. Gallen. Im Februar teilten die USL mit, dass sie sich mit Vehemenz dafür einsetzen würden, dass in der Luzerner Fankurve politischer Extremismus und Diskriminierungen aller Art keinen Platz haben. Auch von einem internen Aufarbeitungsprozess der Vorkommnisse war die Rede, wie dieser vor sich ging, konnte von zentral+ allerdings nicht in Erfahrung gebracht werden.

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