Hitzetage: Die Geplagten

«Ich trinke nur zwei Gläser pro Tag»

Jana Murer hat heisse Tage vor sich: Sie arbeitet auf der Terrasse des Hotels Schweizerhof. (Bild: rob)

Heiss, heisser, am heissesten: Viele freuen sich über die Hitze und geniessen sie im kühlen Schatten oder bei einem Sprung in den See. Was aber ist mit denen, die den ganzen Tag draussen in der Sonne arbeiten müssen, dick eingepackt in Schutzkleider oder Uniformen? zentral+ mit einem Hitzereport bei Bauarbeitern, Polizisten und Gartenbauern – von denen einige die Gefahren fast schon sträflich unterschätzen.

35, 36, 37 oder sogar noch mehr Grad: Die Wettervorhersagen überbieten sich zurzeit mit Rekordwerten und Meteo Schweiz verschickt täglich Wetteralarm-Warnungen der besonderen Art. Statt Dauerregen und Überschwemmungen ist es für einmal die Hitze, die für Furore sorgt.

Auch in Luzern ist es so heiss wie schon lange nicht mehr. Wer kann, sucht schattige Plätze, geht in eine

Arbeiten in der Hitze: Darauf muss man achten

Genügend Flüssigkeit zu sich nehmen – nicht erst trinken, wenn man Durst verspürt –, Kopfbedeckung, Sonnenbrille und körperbedeckende Kleidung tragen sowie Sonnencreme auftragen: Diese generellen Massnahmen bei Hitzetagen gelten auch für Menschen, die draussen arbeiten müssen. Gemäss einer Infobroschüre der SUVA ist es auch wichtig, keine alkoholischen Getränke oder Drogen zu konsumieren.

Irene Kunz, Fachärztin für Arbeitsmedizin und Innere Medizin bei der Suva in Luzern, sagt, was in erster Linie zu beachten ist: «Der menschliche Körper verfügt über ein sehr empfindliches Wärmeregulationssystem, das uns meldet, wann Vorsicht geboten ist. Jeder Arbeitnehmer soll die Körpersignale ernst nehmen und Schatten aufsuchen, ausreichend trinken und das Arbeitstempo anpassen oder öfters Pausen einlegen.»

Die SUVA präzisiert, dass jede Person unterschiedlich auf Hitze reagiert. Typische hitzebedingte Beschwerden sind Schwindel, Kopfschmerzen, Erschöpfung, Übelkeit oder Erbrechen.

Badeanstalt – oder verkriecht sich im klimatisierten Büro. Wer das nicht kann, der bekommt die enorme Hitze von ihrer negativen Seite her zu spüren. zentral+ wollte wissen, wie die Menschen, die den ganzen Tag draussen arbeiten, mit den extrem hohen Temperaturen umgehen.

Krawatte und Gilet auf der Luxusterrasse

«Es ist schon recht heiss hier», sagt Jana Murer und lächelt verlegen. Die Lehrtochter serviert zurzeit auf der Terrasse des Hotels Schweizerhof. Da es sich um ein Fünf-Sterne-Haus handelt, muss Jana Murer entsprechend gekleidet sein: Krawatte, Gilet, lange schwarze Hosen, geschlossene Schuhe – nicht unbedingt das, was man bei diesen Temperaturen freiwillig anziehen würde. «Immerhin ist das Hemd kurzärmlig», sagt die junge Frau.

Mühe mit der Hitze habe sie eigentlich nicht, meint die Lehrtochter. «Es geht ganz gut so, obwohl am Nachmittag jeweils die heisse Luft von der Strasse her hierher strömt. Zudem wird es unter dem grossen Sonnenschirm auch sehr heiss.» Neuerdings hätten sie aber einen Trick, wie sie sich gegen die Überhitzung schützen können, fügt sie an. «Wir haben einen Spray, mit dem wir uns von Zeit zu Zeit das Gesicht und die Arme etwas mit Wasser kühlen können, das tut gut.»

Und wie steht es mit Trinken? Wieder lächelt Jana Murer verlegen. «Ich trinke nur zwei Gläser pro Tag.» Sie wisse, dass das zu wenig sei. «Aber ich habe während der Arbeit einfach keine Zeit, um mehr zu trinken.»

Dick eingepackte Kanalarbeiter

Harte Arbeit muss der Kanalarbeiter Markus Furrer verrichten, egal, ob es heiss oder kalt ist.

Harte Arbeit muss der Kanalarbeiter Markus Furrer verrichten, egal, ob es heiss oder kalt ist.

(Bild: rob)

Gleich nebenan auf dem Trottoir sind drei Kanalarbeiter mit einem grossen Fahrzeug an der Arbeit. Der Schweiss läuft den drei Mannen über das Gesicht, währenddem sie einen grossen Schlauch in den Schacht hinunterlassen. Markus Furrer trägt schwere Schuhe, dicke orange Hosen und ein ebenso dickes Oberteil. Eigentlich müsste er schwer leiden – tut er aber nicht, wie er versichert. «Ich bin mir seit 32 Jahren gewohnt, bei jedem Wetter draussen zu arbeiten, und die Schutzkleider müssen wir halt tragen.»

«Jetzt sind es schon etwa drei Liter pro Tag.»

Markus Furrer, Kanalarbeiter

Markus Furrer gibt zu, dass er es eigentlich lieber etwas kälter hätte. «Ich schwitze stark, wir müssen auch körperlich hart arbeiten.» Aber es gehe schon, meint er. Für ihn ist wichtig, dass er genug trinkt. «Jetzt sind es schon etwa drei Liter pro Tag.»

Ohne Sonnencreme auf der Allmend

Auch die Stadtgärtner sind den ganzen Tag der Sonne ausgesetzt: Daniel Wiss auf der Allend.

Auch die Stadtgärtner sind den ganzen Tag der Sonne ausgesetzt: Daniel Wiss auf der Allend.

(Bild: rob)

Nur die Hälfte, nämlich eineinhalb Liter, sind es bei Daniel Wiss. «Ich weiss, dass das viel zu wenig ist», gibt er zu. Der Landschaftsgärtner hat denn auch ab und zu Kopfschmerzen am Abend. «Aber ich trage immer eine Mütze, immerhin.» Und Sonnencreme? «Uh nein, da bin ich nicht so Fan», gibt er zu. Meist habe er Anfang Sommer mal einen Sonnenbrand, danach sei es kein Problem mehr.

Wiss arbeitet bei der Stadtgärtnerei und pflegt die Sportplätze auf der Allmend. Am Morgen hat er die Sprinkleranlagen in Gang gesetzt und so auch den einen oder anderen «Sprutz» abbekommen. Mit der Hitze hat er keine Mühe. «Es ist doch super, wenn es so warm ist.» Allerdings gebe es Kollegen, die im Treibhaus arbeiten müssen – das sei im Moment nicht so lustig.

«Wenn man nicht mehr schwitzt, stimmt etwas nicht»

Der Polier Ralph Koch arbeitet an der Morgartenstrasse – er weiss, dass Schwitzen derzeit sehr wichtig ist.

Der Polier Ralph Koch arbeitet an der Morgartenstrasse – er weiss, dass Schwitzen derzeit sehr wichtig ist.

(Bild: rob)

Auch auf dem Bau wird ordentlich geschwitzt. An der Morgartenstrasse beim Vögeligärtli wird derzeit unter Hochdruck gearbeitet, damit die Strasse möglichst rasch wieder befahrbar ist. Der Polier Ralph Koch weiss, wie er die kommenden Tage übersteht: «Trinken, trinken, trinken.» Die Bauarbeiter bekommen Getränke gratis, zudem hat man die Arbeitszeit eine Stunde vorverlegt, von sechs Uhr morgens bis vier Uhr nachmittags.

«Mein Rezept: trinken, trinken, trinken.»

Ralph Koch, Polier

Ralph Koch gibt zu, dass er es lieber etwas kühler mag. Leiden tut er unter der Hitze aber nicht. «Dafür bin ich mit 28 noch zu jung.» Einige ältere Kollegen hätten schon mehr zu beissen unter den Bedingungen. Er schaue einfach, dass er immer ordentlich transpiriere. «Wenn man aufhört zu schwitzen, dann stimmt etwas nicht mehr», weiss er.

Auch er trägt grelle und relativ warme Schutzkleidung – ein junger Kollege, der «oben ohne» herumläuft, will sich nicht fotografieren lassen. «Sonst bekomme ich Ärger.» In der Tat: Die Kleidung muss immer anbehalten werden, egal, wie heiss es ist. Vorschrift ist Vorschrift.

Gute Wandersocken und Funktionsleibchen

Josef Dorman steht über 10 Stunden pro Tag am Schwanenplatz und weist den Cars ihre Plätze zu.

Josef Dorman steht über 10 Stunden pro Tag am Schwanenplatz und weist den Cars ihre Plätze zu.

(Bild: rob)

Die Hitze förmlich zu geniessen scheint Josef Dormann. Der Securitas-Mann steht am Schwanenplatz und weist die Touristencars auf die vorhandenen Parkplätze ein und schaut, dass es zu keinen Kollisionen kommt. «Man muss sich einfach mental darauf einstellen können», verrät der 66-Jährige sein Konzept. Er trägt schwere Stiefel mit Schutzklappen, dicke Hosen und eine orange Schutzweste – wie es sich gehört.

«Wir haben halt schwere Sachen an, das muss sein», sagt er nur und verrät, dass er Wandersocken und ein Funktions-Unterleibchen darunter trage. «So ertrage ich die Hitze besser. Und schwitzen ist schliesslich etwas Gesundes», meint er. Am Abend, wenn er nach Hause komme und die Sachen ausziehe, sei er jeweils schon «ziemlich nass». «Aber ich habe es lieber so, als wenn die Temperaturen unter null sind.»

Josef Dormann muss einiges aushalten können, denn er steht jeden Tag elfeinhalb Stunden im Einsatz, abzüglich einer Stunde Mittagspause. Wie hält er das bei den Temperaturen aus? Er lächelt nur. «Ich war früher ein Langstreckenläufer und habe 310 Waffenläufe gemacht», erzählt er stolz. Das bisschen Herumstehen mache ihm nicht so viel aus. «Ich bin robust.»

«Am Abend setze ich mich zuerst eine Stunde auf den Balkon und lagere die Beine hoch. Dann nehme ich eine kalte Dusche.»

Josef Dormann, Securitas

Allerdings ist er am Abend dann doch ziemlich müde. «Zuerst setze ich mich eine Stunde auf den Balkon und lagere die Beine hoch. Dann nehme ich eine kalte Dusche.» So erträgt er diese Hundstage bestens.

Zum Schluss treffen wir noch auf eine junge Polizistin und einen Polizisten. Sie sind so gekleidet, dass sie selbst bei Temperaturen um den Gefrierpunkt nicht kalt hätten. Stiefel, Hosen, Westen, Jacke – wenn man sie nur schon ansieht, bekommt man Schweissausbrüche. «Es geht schon, alles halb so schlimm», meinen beide nur. Fotografieren dürfen wir nicht. Auch nicht, wenn es 35 Grad heiss ist. Aber dafür lächeln sie freundlich – und gehen weiter.

 

 

 

 

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