Gastspiel in Zuger Hochbegabtenschule

Der Mathe-Weltmeister als Schreck aller Kassierer

Kein Westcoast-Rapper, sondern ein professioneller Kopfrechner in Aktion. (Bild: wia)

Der mehrfache Kopfrechen-Weltmeister Gert Mittring ist ein besonderer Kopf – Rechnen ist für ihn keine Qual, sondern, im Gegenteil, ganz entspannend. Da kommt es schon mal vor, dass er unbewusst anfängt, die Steigung seiner Wanderungen zu berechnen.

Talentia. Das ist dort, wo hochbegabte Kinder hingehen, die in der normalen Schule nicht klarkommen, da sie heillos unterfordert sind. Als hochbegabt kann man auch Gert Mittring betiteln. Der Deutsche ist mehrfacher Weltmeister im Kopfrechnen und hält am Samstag in der Talentia einen Vortrag über seinen aussergewöhnlichen Bezug zu Zahlen. Mittring kommt jedoch schon einen Tag früher und hilft den Schulkindern mit Tricks, wie sie selbst komplizierte Rechnungen im Kopf lösen können.

Alles klar?

Betritt man das Schulzimmer, in dem Mittring eifrig erzählt, fällt auf, wie ruhig die Kinder zuhören. Sie alle sind hochkonzentriert, verfolgen die Berechnungen des Mathe-Weltmeisters und scheinen zu verstehen. Fragt der Deutsche nach Lösungen und Zwischenresultaten, dauert es kaum Sekunden, bis jemand aufstreckt. Signifikant: Mittring rechnet offenbar nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit den Fingern. Er stellt mit der einen Hand zehn Einheiten, mit der anderen zwei Einheiten dar, redet sich dabei um Kopf und Kragen.

«Wir haben also zwei Finger bei der 20er-Hand, diese korrespondiert mit der 30er-Hand, klar?»

Gert Mittring, mehrfacher Weltmeister im Kopfrechnen

Es ist viel Information, die auf die Kinder reinprasselt, doch scheint es sie nicht zu stören. «Wir haben also zwei Finger bei der 20er-Hand, diese korrespondiert mit der 30er-Hand, klar?», erklärt Mittring eifrig. Noch reicht es für eine Berechnung, dann müssen die Kinder abdüsen, einige haben Küchendienst, die anderen sicher schon Hunger.

Wenn der Kopf einfach zu rechnen beginnt

Nein, was Mittring da macht, sieht nicht nach qualvoller Mathematik aus. «Ich bin begeistert davon und ausserdem davon überzeugt, dass man alle Menschen davon begeistern kann, wenn man einen Bezug herstellt, der sie interessiert», erklärt er. Das Rechnen ist bei ihm also keine Arbeit, «viel eher passiert es sehr unbewusst. Beim Wandern beispielsweise rechne ich aus, wie lange der Aufstieg noch dauert, oder ich überlege mir, wie lange ich brauche, um eine Strecke beim Schwimmen zurückzulegen.»

«Ich bin nur sehr knapp durchs Abitur gekommen.»

Gert Mittring, mehrfacher Weltmeister im Kopfrechnen

Und wie hat sich sein Talent herauskristallisiert? «Ich habe mich selbst gefördert. Aber bis zum Ende des Gymnasiums hatte ich keine intrinsische Motivation. Ich bin nur sehr knapp durchs Abitur gekommen», sagt der 48-Jährige dazu. Umso mehr ist es nun ein Anliegen des Psychologen, Pädagogen und Psychologen, dass Talente heute gefördert werden. «Es ist wichtig, dass Vorbilder geschaffen werden können, insbesondere unter Altersgenossen. Zudem wäre es schön, es gäbe schweizweit Wettbewerbe im Kopfrechnen.»

Mittring empfindet sein Talent als durchaus nützlich in Alltagssituationen. So bleiben Einkaufsläden und Restaurants nicht verschont von Mittrings Können. Es komme oft vor, dass er Rechnungen zurückschicke oder sich an der Kasse melde. «Ich bin bestimmt schon bekannt in einigen Läden», schmunzelt er.

Ab IQ 130 gehts los

Die Zuger Schule für Hochbegabte Talentia existiert seit 2005. Momentan werden dort 22 Kinder in drei Gruppen unterrichtet, jeweils zwei Jahrgänge pro Klasse. Meistens wird in Leistungsgruppen gearbeitet.

Der Mädchenanteil in der Schule liegt bei nur 40 Prozent. Claudia Kretschi, Vorstandsmitglied des Vereins Talentia, hat dafür eine Erklärung: «Hochbegabte Mädchen kommen in der normalen Schule eher zurecht als Knaben. Sie suchen sich ihre Herausforderungen eher in der Freizeit, falls das in der Schule nicht gelingt.»

Nicht jedes Kind darf an die Talentia. Zu Beginn werden Abklärungen gemacht zu IQ und Kreativität sowie auch zur Lernbereitschaft. Bei einem Intelligenzquotienten von 130 wird man in Erwägung gezogen, danach folgt eine Hospitationswoche, bei welcher beobachtet wird, wie sich ein Kind in der Klasse verhält und ob es das Unterrichtsmaterial schnell begreift.

Wenn das Kind Bauchweh kriegt

Gratis ist der Unterricht natürlich nicht. Pro Schuljahr zahlt ein Kind 24’000 Franken, dazu kommen Spesen fürs Mittagessen. «Wir versuchen, mittels unserer Stiftung Geld zu generieren, damit sich auch weniger wohlhabende Eltern diese Schule leisten können. Ausserdem motivieren wir die Eltern, mit ihrer Schulgemeinde zusammen zu spannen», erklärt Kretschi. Da könne es eine Zeit dauern, bis sich eine Lösung herauskristallisiert. «Das ist schade, denn viele Eltern kommen erst zu uns, wenn das Problem akut ist, wenn ein Kind beispielsweise bereits Bauchweh hat, weil es so ungern zur Schule geht.»

Die 22 Kinder, die derzeit im Schulhaus unterrichtet werden, haben all diese Hürden bereits hinter sich und kommen in den Genuss von gezielter Förderung und individuellem Unterricht. Geht man durchs Haus, finden sich an jeder Ecke ausgestellte Projekte von Schülern.

Es handelt sich um Arbeiten, an denen die Kinder in den letzten Wochen intensiv gearbeitet haben. Da befasst sich beispielsweise ein Viertklässler mit dem Periodensystem, ein Mädchen setzt den Fokus auf das Thema Fledermaus und hat zu diesem Zweck unter anderem eine solche gebastelt, die schräg über ihrem Tisch schwebt.

Es sind die Vorbereitungen für den Tag der offenen Tür, der am Samstag, dem 23. Mai, stattfindet. Neben der Projektausstellung der Schüler können Interessierte dort Gert Mittrings Ausführungen zum Kopfrechnen lauschen. Diese beginnt morgens um 9 Uhr.

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