Flimmerpause: Eine Woche ohne Bildschirm

«Ohne Handy ist es langweilig»

Nicht anfassen! Sara, Ivan, Leona und Gurpreet (von links) verbringen eine Woche ohne elektronische Geräte. (Bild: Robert Bossart)

Ohne Handy, Fernseher, Playstation und Computer – geht das? Ja, sagen Eltern, Lehrer und Jugendarbeiter. Was aber meinen die Kinder? zentral+ wollte es von ihnen direkt wissen – ganz so einfach ist für sie die digitale Enthaltsamkeit nicht.

Es ist so eine Sache mit diesen gut gemeinten Aktionswochen. Flimmerpause. Da wollen besorgte Eltern, verantwortungsvolle Lehrer und weitsichtige Jugend- beziehungsweise Suchtpräventionsexperten den Kindern und Jugendlichen zeigen, dass es auch ohne geht. Ohne alles Digitale und Virtuelle. Diese Woche sollen die Kinder Luzerns auf ihre Handys, Playstations, Tablets, Fernseher, Gameboys, iPods, Computer und was es sonst noch alles gibt, verzichten.

Eine Woche «Aktivitis»

Bereits im Vorfeld wird die Flimmerpause-Woche als «tolle», «spassige» und «erfolgreiche» Zeit gelobt. Die Kids können sich mit allen möglichen Aktivitäten vergnügen und vergessen so gänzlich ihre elektronischen Geräte.

Das tönt alles schön und gut, nur: Ist das auch tatsächlich so für diejenigen, welche direkt betroffen sind? zentral+ machte die Probe aufs Exempel und fragte bei vier Primarschülern aus dem Schulhaus Moosmatt in Luzern nach, wie sie so «ganz ohne» klarkommen.

 

Ivan, 13: Der Abgeklärte

Ivan, 13 Jahre alt, Sechstklässler.

Ivan, 13 Jahre alt, Sechstklässler.

Der Sechstklässler lächelt verschmitzt. Nein, er brauche diese Woche sein Handy gar nicht – zumindest fast. «Ich habe es trotzdem dabei, brauche es aber nur für den Notfall zum Telefonieren.» Das habe er mit seinen Eltern so vereinbart. Ansonsten rühre er das Gerät nicht an.

Ganz so leicht fällt ihm das nicht, wie er einräumt. «Es ist schon ein anderes Gefühl, wenn man diese ganze Elektronik nicht hat.» Es sei halt heute so, dass das immer mehr zum Alltag dazugehöre und nicht mehr wegzudenken sei, meint er. So eine ganze Woche ohne jegliche Geräte, das sei schon eine Herausforderung für ihn, gibt Ivan zu. «Ich fragte mich schon, wie lange ich das aushalte.» Jetzt, nach ein paar Tagen, habe er sich daran gewöhnt. Aber am Anfang hatte er Schwierigkeiten, umzustellen. «Es wird mir schneller langweilig ohne Handy und alles.»

Normalerweise ist Ivan vor allem nach der Schule in der digitalen Welt unterwegs. «Am Abend, wenn ich nach Hause komme, game ich gerne», sagt Ivan. Zudem schaut er sich auf Facebook vor allem Videos an. Auf Whatsapp hingegen ist er in regem Kontakt mit Kollegen. «Dort bin ich viel am Kurznachrichten-Schreiben.»

 

 

Gurpreet, 11: Alles halb so schlimm

Gurpreet, 11 Jahre alt, Fünftklässler.

Gurpreet, 11 Jahre alt, Fünftklässler.

Der Fünftklässer hat sein Handy für die Flimmerpausen-Woche zu Hause lassen müssen. «Meine Eltern haben es mir verboten», sagt Gurpreet mit ernster Miene. Dann lacht er und meint, dass es ihm nicht so viel ausmache, wenn er sein Handy mal nicht dabei hat. «Ich benütze es sowieso nicht so viel, darum ist es für mich nicht so schlimm.» Er sei nicht einer, der immer am Handy «herumsüchteln» müsse.

Normalerweise benutzt Gurpreet sein Handy nur, um zu spielen. Er hat verschiedene Games, die er regelmässig benutzt. «Wir haben zu Hause auch keinen Fernseher, nur einen Computer.» Ab und zu schaue er darauf mal eine DVD. Also ist die Flimmerpause für ihn völlig problemlos? Er schmunzelt verlegen. «‹E chlii› stört es mich schon, dass ich auf alles verzichten muss», gibt er dann noch zu. Die Spiele auf dem PC und seine Lieblingsserie, die er sich jeweils anschaut, das vermisse er ein wenig.

 

Leona, 10: Komisches Gefühl

Leona, 10 Jahre alt, Viertklässlerin.

Leona, 10 Jahre alt, Viertklässlerin.

Sie ist zwar erst in der vierten Primarklasse, hat aber bereits ein eigenes Handy. Und auch schon Mühe, darauf zu verzichten, wie das aufgeweckte Mädchen zugibt. «Es ist schwierig ohne Handy, es wird mir so schnell langweilig.» Vor allem der erste Tag sei komisch gewesen. «Am Abend habe ich dann gesehen, dass ich Hunderte von Whatsapp-Nachrichten bekommen habe. Da musste ich einfach reinschauen und ein paar beantworten», sagt sie und kichert verlegen. Aber die Flimmerpausen-Woche sei «total lässig», räumt sie ein. «Heute waren wir mit der Quartierarbeit den ganzen Nachmittag im Wald, an einem anderen Tag konnten wir Backen oder einen Tanz einüben. Das macht Spass.»

Leona braucht ihr Handy normalerweise vor allem, um Musik zu hören, zum Gamen, für E-Mails und Whatsapp-Nachrichten. «Aber wenn ich hier im Kids-Treff ‹Bachstei› bin, brauche ich das Handy sowieso fast nie. Hier ist immer so viel los, da ist ein solches Gerät überflüssig», meint sie.

 

Sara, 11: Die Problemlose

Sara, 11 Jahre alt, Fünftklässlerin.

Sara, 11 Jahre alt, Fünftklässlerin.

Die Fünftklässlerin besitzt noch kein Handy, dafür aber ein iPod Touch. «Diese Woche bleibt es auf meinem Nachttisch liegen», sagt Sara bestimmt. Sie hat keine Mühe, für eine Woche auf elektronische Geräte zu verzichten. «Ich finde es gut, zu zeigen, dass man auch so Spass haben kann.»

Normalerweise sei sie aber eine fleissige Benutzerin von elektronischen Geräten. Über Viber tauscht sie sich schriftlich mit Kolleginnen aus, auf Youtube schaut sie Comic- und Unterhaltungsvideos an und auf Facebook hat sie Kontakt mit Verwandten im Ausland. «Ja, und Filme im Fernsehen schaue ich auch gerne. Aber für eine Woche kann ich gut auf all das verzichten.»

Luzerner Kinder machen mit

Zum zehnten Mal wird im Kanton Luzern die Aktionswoche «Flimmerpause» durchgeführt. Letztes Jahr haben über 2000 Personen mitgemacht, auch diese Woche sind wieder zahlreiche Kinder und Jugendliche mit dabei. Das nationale Projekt (von «Akzent Prävention und Suchttherapie» initiiert) wird in der Stadt Luzern in verschiedenen Quartieren realisiert.

Bei der Flimmerpause steht der Verzicht auf die Geräte nicht im Vordergrund, obwohl dies wünschenswert sei, schreiben die Organisatoren. Es gehe vielmehr darum, die Vielfalt an verschiedenen «realen» Freizeitangeboten aufzuzeigen. «Wir bieten jeden Tag nach der Schule Freizeitangebote für die Kinder an», sagt Manuela Stalder, städtische Quartierarbeiterin am Standort Hubelmatt/Moosmatt/Säli. Dieses Jahr haben die Primarschule Moosmatt und die städtische Quartierarbeit den Kindern die Möglichkeit gegeben, eigene Angebote zu machen, weil die Kinder am besten wissen, was eine tolle Freizeitgestaltung ist. Eltern, Lehrpersonen und die Quartierarbeit unterstützen sie bei der Planung und der Umsetzung ihrer Freizeitideen. «So haben wir zum Beispiel auf Initiative eines Jungen und der Unterstützung seiner Mutter gelernt, wie man einen Fisch ausnimmt», so Stalder. Das sei sehr spannend gewesen.

Weitere Infos: www.flimmerpause.ch; www.quartierarbeit.stadtluzern.ch

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