Luzern beginnt mit Bedrohungsmanagement

So will der Kanton Amokläufe verhindern

Mit Prävention Amokläufe verhindern. Das ist ein Ziel des Bedrohungsmanagements. (Bild: Symbolbild Fotolia/Andrey Burmakin)

Nun packt der Kanton Luzern an, was er seit Jahren plant: Eine Vernetzung der verschiedenen Behörden, um Amokläufe wie in Menznau zu verhindern. Für den Aufbau dieser Vernetzung sucht der Kanton nun per Inserat nach einer Fachperson Gewaltprävention. Viele Fragen sind noch offen, zum Beispiel beim Datenschutz.

Zwei Jahre ist es her, als beim Amoklauf in Menznau fünf Personen starben, darunter auch der Täter. Der 42-jährige Mann war kein unbeschriebenes Blatt. Er hatte am Arbeitsplatz vor der Tat Drohungen ausgesprochen, war wegen Raub vorbestraft und bei der Polizei wegen häuslicher Gewalt bekannt.

Ämter arbeiten nicht zusammen

Die Puzzleteile waren da, versickerten jedoch bei den verschiedenen Stellen, weil es keine übergreifende Zusammenarbeit gibt. Auch beim Amoklauf im Zuger Kantonsrat 2001, war der Täter den Behörden zuvor bekannt. Friedrich Leibacher war als Querulant bekannt und wegen verschiedener Delikte verurteilt. 14 Politiker wurden damals von ihm erschossen. Oft sind die Zeichen bereits zuvor ersichtlich. Experten sprechen von verschiedenen Stufen der Gewalt.

Nun will der Kanton Luzern ein neues System einführen, um solche Eskalationen frühzeitig zu erkennen und zu unterbinden. Nach jahrelanger Planung macht er sich an die Umsetzung des sogenannten Bedrohungsmanagement-Netzwerks. Dazu sucht der Kanton nun in einem Inserat nach einer «Fachperson Gewaltprävention» in einem 60- bis 80-Prozent-Pensum. Eine der Aufgaben wird so umschrieben: «Sie stellen die Information und die Vernetzung aller Gewalt involvierten Stellen sicher und unterstützen mit koordinierender Hand die übergreifende Zusammenarbeit der internen und externen Stellen/Organisationen.»

Luzerner Behörden besser vernetzen

«Wir stehen noch ganz am Anfang mit dem Aufbau des Bedrohungsmanagements», sagt Madeleine Meier, Abteilungsleiterin des zuständigen Justiz- und Sicherheitsdepartements. Viele Fragen müssten erst geklärt werden. «Und genau deshalb schaffen wir die neue Stelle.» Das Bewerbungsverfahren läuft noch bis am 2. März. Das Ziel ist klar: Gefährliche Personen frühzeitig erkennen und entsprechend zu handeln. Dazu müssen die verschiedenen Stellen besser miteinander vernetzt werden. In Luzern werden alle Departemente, die mit Gewalt konfrontiert werden könnten, in das Bedrohungsmanagement einbezogen: Schule, Soziales, Gesundheit und die allgemeine Verwaltung. Ebenfalls beteiligt sind das Spital und die Polizei.

«Wir orientieren uns stark am Solothurner Konzept.»

Madeleine Meier, Abteilungsleiterin Justiz und Sicherheitsdepartement

Einen Schritt weiter ist der Kanton Solothurn. Er hat bereits ein Bedrohungsmanagement eingeführt. Das System in Solothurn funktioniert in fünf Phasen: 1. Bedrohung erkennen, 2. Bewerten, 3. Reaktion, Schutz und Aufklärung, 4. Informationen sammeln und analysieren, 5. Fallmanagement. «Wir können das Solothurner System nicht 1:1 adaptieren, aber wir orientieren uns stark an diesem Konzept», erklärt Meier. Die fünf Phasen aber werden auch in Luzern angewendet. «Bei den einzelnen Phasen sind noch nicht alle offenen Fragen geklärt.»

Drohung ist nicht gleich Drohung

Ein Beispiel: Eine Person wird am Schalter des Sozialamtes wütend. Er droht: «Ich bringe Sie um!» Wie würde das Bedrohungsmanagement in diesem Fall aktiv? «Eine Person muss mehrmals mit solchen Drohungen auffällig werden. Handelt es sich um eine einmalige Drohung, wäre es übertrieben, die Person zu beobachten», erklärt Meier. Zudem sei die Art der Drohung entscheidend. «Es muss eine strafrechtlich relevante Drohung sein, was beim Beispiel ja gegeben wäre», erklärt Meier. Es sei aber nicht das Ziel, eine riesige Datensammlung über Personen zu schaffen.

Im zweiten Schritt geht es darum, die Gefährlichkeit der Person einzuschätzen. Es wird eine sogenannte Gefährdungseinschätzung gemacht. In Solothurn wird dazu das dynamische Risiko Analyse System, kurz Dyrias verwendet. Diese Software macht anhand von 39 Fragen eine Risikoeinschätzung und zeigt an, wie weit die Person von einem möglichen Gewaltakt entfernt ist. «Macht er andere Leute dafür verantwortlich, dass es ihm schlecht geht?», ist eine dieser Fragen. «Ob wir auch dieses System verwenden werden, müssen wir erst klären», sagt Meier.

Handbuch für Mitarbeiter soll erstellt werden

Einer der wichtigsten Punkte des Bedrohungsmanagement ist die Sensibilisierung der Behördenmitarbeiter. Laut Meier ist geplant, ein Handbuch zu erstellen, wie sie sich in den verschiedenen Situationen am besten verhalten.

Bereits heute koordiniert die Dienststelle des Justiz- und Sicherheitsdepartements einen runden Tisch, an dem sich mehrere Akteure aus Behörden und Institutionen über Gewalt austauschen. Die Treffen finden zweimal im Jahr statt. Unter den Teilnehmern sind beispielsweise die Luzerner Polizei, das Frauenhaus, die Opferhilfe, der Verband Luzerner Gemeinden, die KESB oder das Zwangsmassnahmengericht. Ähnlich wird es beim Bedrohungsmanagement eine Fallkonferenz geben. Fällt jemand durch Drohungen auf, kann eine Fallkonferenz einberufen werden. Die betroffenen Behörden sitzen dann zusammen, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Offene Fragen in einem Jahr beantworten

Der Datenschutz ist eine grosse Herausforderung des Bedrohungsmanagement. Die neue Vernetzung der Behörden macht eine Gesetzesänderung nötig. Besonders im Bereich des Datenaustausches, aber auch für die präventive Kontaktaufnahme mit gefährlichen Personen, im Rahmen einer sogenannten Gefährderansprache. «Bis zu einer Gesetzesänderung arbeiten wir mit Verträgen, welche die interne Weitergabe der Daten regeln», erklärt Meier. Nun gehe es darum erste Erfahrungen mit dem neuen System zu sammeln. Die Abteilungsleiterin geht davon aus, dass bis in einem Jahr die meisten Fragen geklärt sind.

Für den Aufbau hat der Kanton 30’000 Franken budgetiert. Geplant ist, dass die neue Fachperson Mitte 2015 ihre Arbeit aufnimmt. Die Personalkosten hat der Kanton im Aufgaben- und Finanzplan für das halbe Jahr mit 65’000 Franken ausgewiesen. Ab 2016 erhöhen sich die Personalkosten für das kantonale Bedrohungsmanagement auf 130’000 Franken.

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