Kriminaltouristen zu Freiheitsstrafen verurteilt

Uhren und Schmuck für 700’000 Franken gestohlen

Die Bijouterie Lauener an der Bahnhofstrasse wurde 2014 brutal überfallen. (Bild: mbe.)

Im Juni 2014 wurde das Schmuck- und Uhrengeschäft Lauener an der Zuger Bahnhofstrasse brutal überfallen. Die Täter konnten fliehen. Das Strafgericht Zug hat zwei mutmassliche Mittäter aus Serbien gestern zu viereinhalb und fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Vor dem Zuger Strafgericht sassen am Dienstag diejenigen Männer, bei denen man die Beute fand. Sie beteuerten ihre Unschuld. Das Gericht sieht ihre Schuld jedoch als erwiesen an.
Die serbischen Staatsangehörigen Alexandar A. (35) und Marko D. (40) hatten sich wegen den Vorwürfen des Raubs, der Sachbeschädigung und eventueller Hehlerei vor Gericht zu verantworten. Sie wurden einen Tag nach dem Überfall in Zug in der Wohnung eines Bekannten in Baar verhaftet und sitzen seither in Sicherheitshaft. Gestern hat das Zuger Strafgericht den jüngeren zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und den älteren zu vier Jahren und fünf Monaten verurteilt. Der Verteidiger des Älteren kündigte Berufung an.

Kommissar Zufall

Der Zufall führte die Polizei – man mutmasst, dass es die Zürcher Kollegen waren – auf die Spur der beiden. Polizisten statteten ihrem Logisgeber in Baar, dem Landsmann M.L., wegen eines anderen Delikts frühmorgens am 12. Juni einen Besuch ab. Dabei stiess sie auf die beiden anderen Männer – und auf die Beute des Überfalls vom 11. Juni. Dass die beiden nicht die Räuber sind, steht allerdings fest. Das beweisen die Videoaufnahmen, auf denen die Räuber zu sehen sind.

Dennoch glaubte die Staatsanwaltschaft nicht an ihre Unschuld. Sie ging davon aus, dass die beiden die Tat mitgeplant hatten. Und zwar im Ausland. Das wird in der Anklageschrift so beschrieben: «Zu einem nicht mehr bestimmbaren Zeitpunkt fassten M.D. und A.A. sowie zwei unbekannte Männer an einem unbekannten Ort, mutmasslich in Krusevac, Serbien, den Entschluss die Bijouterie Lauener an der Bahnhofstrasse in Zug, auszurauben.»

Viele offene Fragen. Zu viele? Der Zuger Strafverteidiger Reto Steinmann sprach von einer «abenteuerlich anmutenden» Anklage. «Meiner Meinung nach steht sie auf eher wackligen Beinen.»

Der Überfall auf Lauener

Unbestritten ist der Raubüberfall: Am 11. Juni letzten Jahres, kurz nach 17 Uhr, betraten die Täter die Bijouterie Lauener. Sie bedrohten die Inhaberin und drei Verkäuferinnen mit einer Pistole des Typs «VZOR 70 Cal 7.65». Die Waffe mit sechs Patronen im Magazin war gesichert und nicht durchgeladen, doch das wussten die Frauen nicht. Die Täter zwangen die Frauen, sich auf den Boden zu legen. Mit mitgebrachten Hämmern schlugen sie das Innenglas der Schaufenster ein. Sie flüchteten mit 127 Uhren und Schmuckstücken im Wert von 713’029 Franken. Und hinterliessen einen Sachschaden von rund 56’000 Franken.

Das Ganze dauerte bloss einige Minuten. Anschliessend fuhren sie mit zwei gestohlenen Velos via Industriestrasse und Lüssiweg zum Parkplatz der Kantonsschule Zug. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Beute wie auch die Pistole oder die getragenen Kleider dem am Dienstag angeklagten A. dort übergeben wurde.

Am Abend nahm dieser in der Wohnung die Uhren aus ihren Originalverpackungen und wickelte sie fein säuberlich in WC-Papier ein. Dieses Paket verstaute er in einen Rucksack. Den Rucksack wiederum in eine Reisetasche, zusammen mit dem Werkzeug und der Pistole. Laut Staatsanwaltschaft wollten die Angeklagten am nächsten Tag aus Zug abreisen. Doch die Polizei vereitelte diesen Plan.

Leugneten die Mittäterschaft

Am Prozess mit einem Übersetzer stellten die Angeklagten in Abrede, Mittäter zu sein oder von dem Überfall zu wissen. Der jüngere A. erklärte, er habe einige Tage vor dem Überfall in einem Seelokal in Zug einen Mann namens «Darko» kennen gelernt. Dieser habe ihn gebeten, einige Gegenstände für ihn aufzubewahren und ihm am nächsten Tag wieder zurück zu geben. Statt «Darko» sei dann aber die Polizei vor der Türe gestanden. Er habe immer noch Angst vor «Darko».

Bei der Befragung wirkten die Aussagen des Angeklagten wenig plausibel. Er berief sich beispielsweise auf durch Alkohol ausgelöste Erinnerungslücken. Unklar blieb auch, warum er die Sachen ausgepackt und säuberlich sortiert hatte, wenn er doch nichts mit dem Überfall zu tun hatte. Zudem fand die Polizei seine Kleider in den Sachen – ein Zeichen, dass er kurz vor der Abreise stand und die Sachen bereit gemacht habe.

Der andere Angeklagte D. erklärte ebenfalls, nichts mit der ganzen Sache zu tun zu haben. Erst von der Polizei habe er vom Überfall erfahren. Er änderte seine Aussagen zu seinem Aufenthaltsort während des Überfalls mehrmals und verwickelte sich in Widersprüche. Doch seine DNA wurde auf verschiedenen Tatgegenständen gefunden. Auch auf einem Bolzenschneider, der für das Aufknacken der Veloschlösser benutzt wurde.

«Kleine Mosaiksteinchen»

Er habe zwar nicht den «rauchenden Colt» als Beweis vorzuweisen, sagte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. «Aber viele kleine Mosaiksteinchen.» A. und D. stammten aus der gleichen Stadt und würden sich gut kennen. Sie seien bewusst getrennt eingereist. «Zwei junge Männer aus Serbien würden sonst Aufmerksamkeit erregen», sagte er. Es sei nie darum gegangen, Verwandte besuchen (Der Logisgeber ist mit A. verwandt). Sondern darum, die Beute des Überfalls bei diesem zwischenzulagern und dann so schnell wie möglich aus Zug wegzubringen.

Schwer belastet wurden die beiden vor allem von ihrem Logisgeber M.L. Dieser sagte gegenüber den Untersuchungsbehörden, er sei von Unbekannten deswegen später bedroht worden.

Jeder musste seine Rolle genau kennen

Laut Staatsanwalt ist der Raub von den vier Beteiligten genau vorbereitet worden. «So etwas lässt sich nur in einigen Minuten durchziehen, wenn jeder seine Rolle kennt und sich ganz genau an den Plan hält.» Es sei davon auszugehen, dass die beiden Angeklagten keine untergeordneten Gehilfen gewesen waren. «Man hat ihnen die Beute anvertraut und vertraute ihnen sehr.»

Sie hätten zumindest geholfen, die Beute des Raubs wegzuschaffen und erfüllten somit objektiv den Tatbestand der Hehlerei. Der Staatsanwalt verlangte sechs Jahre Gefängnis für A. und fünf Jahre für D.

«Aus dem falschen Land»

Der Verteidiger von D., Reto Steinemann, meinte, sein Klient habe sich in keiner Weise an kriminellen Handlungen beteiligt. «Er ist nicht irgendein Halunke aus dem Ostblock.» Die gefundenen Fingerabdrücke auf einzelnen Uhren seien ein Beweis, dass er nichts mit dem Überfall zu habe, «sonst hätte er sie sicher nicht mit blossen Händen angefasst.»

Steinmann erklärte zudem, sein Klient sei Gründungsmitglied einer internationalen Firma, die gestohlene Kunstwerke wieder beschaffe und in deren Leitung ein langjähriger ehemaliger Scotland-Yard-Beamten sitze. Die Staatsanwaltschaft hingegen sah das als Beweis an, dass der Serbe der organisierten Kriminalität nahe stehe.

Der jüngere Angeklagte räumte ein, dass er die Polizei über die gestohlenen Uhren hätte informieren sollen. Aus Angst vor «Darko» und der Polizei habe er das aber nicht getan. Seine Verteidigerin beantragte, dass ihr Mandant der Hehlerei schuldig zu sprechen und dafür mit einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten zu sanktionieren sei.

Strafgericht fällte Urteil

Das Gericht fällte gestern Nachmittag das Urteil: Es verurteilte A. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Den zweiten Angeklagten D. verurteilte es zu einer Freiheitstrafe von vier Jahren und fünf Monaten. Der Richter erklärte, dass es klare Hinweise darauf gebe, dass A. den Tatplan gekannt hätte. Er bezeichnete die Geschichte mit «Darko» als «hahnebüchen». Zudem habe er die Uhren schön mit WC-Papier verpackt, wofür er keine plausible Erklärung liefern könne. Und er habe die Beute mit seinen Kleidern vermischt. «Das ist weder glaubhaft, noch plausibel und voller Widersprüche», so der Richter.

Widersprüchliche Aussagen

Auch die Aussagen des zweiten Beschuldigten seien widersprüchlich. Dieser sei aber intelligenter vorgegangen. «Immer bevor etwas rauskam, hat er versucht, dem Vorwurf die Spitze zu nehmen. Beispielsweise sagte er vorsorglich, es könnte sein, dass er den Bolzenschneider berührt habe, auf dem man später seine DNA fand.»

Das Verschulden der beiden wiege «recht schwer». Straferhöhend für A. war, dass er auch in der Schweiz mit einer Freiheitsstrafe vorbestraft ist. Was er getan hat, wurde nicht mitgeteilt. Doch er erhält deswegen ein halbes Jahr mehr Haft.

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