Pädophile Luzerner überwachen

Jetzt kommt die Fussfessel zum Einsatz

Die Fussfessel ist mit einem GPS-Sender versehen. So kann kontrolliert werden, ob sich die Person an ein Rayonverbot hält. (Bild: SID BL)

Auf Anfang Jahr hat der Bund das Gesetz im Bereich der Pädophilie verschärft. Neu haben die Behörden die Möglichkeit, ein Rayonverbot mittels Fussfesseln zu überwachen. Aber: In Luzern ist man technisch noch gar nicht so weit. Viele Fragen müssen erst geklärt werden.

Das Votum der Bevölkerung war so deutlich wie selten bei einer Abstimmung: Pädophile sollen nie mehr mit Kindern arbeiten dürfen. 65 Prozent der Schweizer Stimmbürger und alle Kantone sagten im Mai 2014 Ja (1,8 Millionen Stimmbürger) zur entsprechenden Initiative. Zurzeit arbeitet das Parlament in Bern an der Umsetzung. Der Bundesrat lehnte die Initiative zuvor zwar ab, verschärfte aber auf Druck der Öffentlichkeit hin das Strafrecht. Bei schweren Sexualdelikten müssen die Gerichte neu ein zehnjähriges Tätigkeitsverbot anordnen. Möglich wäre auch ein lebenslanges Verbot, wie dies die Initiative in jedem Fall forderte. Das neue Bundesgesetz über das Tätigkeits- und das Kontakt- und Rayonverbot ist seit Anfang Jahr in Kraft. Was bedeutet das für Luzern?

Neue Überwachung mit Fussfessel

Das neue Gesetz besteht also aus drei Teilen. Die grösste Veränderung betrifft das Kontakt- und Rayonverbot. Was das bedeutet, soll ein Beispiel zeigen, mit dem sich das Luzerner Kriminalgericht vor fünf Monaten befasste. Ein heute 40-jähriger Mann hat von einem sechsjährigen Mädchen seines Mitbewohners zahlreiche Nacktfotos gemacht. Das Kriminalgericht hat den Mann Ende September 2014 wegen mehrfacher sexueller Handlung mit Kindern zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Zudem hat es dem Mann verboten, sich dem Mädchen und ihrer Mutter mehr als 500 Meter zu nähern. Ob sich der Mann tatsächlich daran hält, ist heute schwer überprüfbar.

Das ändert sich mit der Verschärfung des Bundesgesetzes. Heute würde mit einer GPS-Fussfessel überwacht, ob der Mann das Kontakt- und Rayonverbot auch einhält. Würde, denn das Gesetz gilt erst seit dem 1. Januar 2015 und tritt nicht rückwirkend in Kraft. Die elektronische Überwachung, das sogenannte Electronic Monitoring (EM), wird ab einer Freiheitsstrafe von über sechs Monaten oder einer Geldstrafe von über 180 Tagessätzen angewendet.

Fussfessel gibt Alarm beim Durchschneiden

Obwohl das Gesetz seit Anfang Jahr in Kraft ist, ist man in den meisten Kantonen noch nicht für die neue Technik gerüstet. So auch in Luzern, wie Peter Emmenegger, wissenschaftlicher Mitarbeiter des kantonalen Justiz- und Sicherheitsdepartements, sagt. Luzern arbeite deshalb in solchen Fällen mit dem Kanton Baselland zusammen. Er ist einer von sieben Pilotkantonen, die bereits Erfahrungen mit dem EM machen konnte.

«Das Band ist mit verschiedenen Alarmsystemen gesichert.»

Gerhard Mann, Generalsekretär der Sicherheitsdirektion Baselland

Die Fussfessel besteht mehrheitlich aus Plastik, ist sehr stabil und wasserdicht, wie Gerhard Mann, stellvertretender Generalsekretär der Sicherheitsdirektion von Baselland, erklärt. Das Band werde so um den Knöchel gelegt, dass es zwar nicht einenge, aber auch nicht über die Ferse abgezogen werden könne. Schliesslich versiegelt eine Klammer das Band. Könnte dieses nicht einfach durchschnitten werden? «Das könnte man zwar machen, löst aber Alarm aus. Das Band ist mit verschiedenen Alarmsystemen gesichert.» Die Fussfessel gebe im normalen Betrieb keine Geräusche von sich. «Man kann aber verschiedene Einstellungen vornehmen, beispielsweise, dass die Fussfessel bei einer Rayonverletzung auch ein akustisches Signal gibt.» Eines dann, wenn die Person die Sperrzone betritt und eines, wenn sie diese wieder verlässt.

Technische und topografische Herausforderung

Noch sind verschiedene technische Herausforderungen zu meistern. Das System gerät zum Beispiel dann an die Grenze, wenn ein Funkloch die Verbindung unterbricht. Zudem wirft das neue Gesetz neue Fragen auf, die erst geklärt werden müssen. Etwa, wie die Rayons definiert werden. Hier bestehe die Schwierigkeit darin, sinnvolle Zonen zu definieren, sagt Mann. «Werden alle Kindergärten eines Kantons als Rayon definiert, können das sehr viele sein. Um die eigentliche Verbotszone wird zudem normalerweise auch ein Pufferzone gelegt.» Je nach Zahl der Rayons ist es also eine Herausforderung für den Fussfesselträger, diese nicht ungewollt eben doch zu betreten. Zudem ist man auf eine genauen GPS-Technik angewiesen. «Die neusten GPS-Fussfesseln sind im besten Fall auf 20 bis 30 Meter genau, je nach topografischen und technischen Gegebenheiten aber erheblich ungenauer. Das muss bei der Festlegung der Verbotszone berücksichtigt werden», so Mann. 

Betritt die Person dennoch die Puffer- oder Verbotszone, erhält sie eine Meldung auf ihrem GPS-Gerät, und der Verstoss wird auf der Zentrale angezeigt. «Beim jetzigen Stand erfolgt keine sofortige Reaktion gegenüber dem Verurteilten», sagt Mann. Die Systemmeldungen würden täglich bearbeitet und Verstösse werden der Vollzugsbehörde gemeldet. Diese wird sich dann mit den rechtlichen Konsequenzen auseinandersetzen.

Die EM eignet sich heute nicht in jedem Fall. «Im jetzigen Stadium ist nicht vorgesehen, akute Fälle, die bei einer Rayonverletzung sofortige Intervention brauchen, mittels EM zu überwachen», erklärt Mann. Bei solch schweren Fällen würden andere Mittel, wie beispielsweise eine stationäre Therapie, eingesetzt. «Es geht nur um eine Kontrolle, ob sich die verurteilte Person an ein Rayonverbot hält oder nicht.» Dies habe auch eine prophylaktische Wirkung: Der Verurteilte weiss, dass er die verbotene Zonen nicht betreten kann, ohne dass dies registriert wird. «Es sind Fälle, die keine 1:1 Überwachung vor dem Bildschirm brauchen. Es reicht, wenn regelmässig die Meldungen im System überprüft werden», so Mann.

Drei bis fünf Personen pro Jahr betroffen

Für das Luzerner Justiz- und Sicherheitsdepartement bedeutet die neue Vollzugsart aber auch mehr Aufwand. «Die Behörde muss die betroffene Person instruieren, sie muss die Zonen festlegen, welche nicht betreten oder nicht verlassen werden dürfen», erklärt Emmenegger. Diese Zonen müssen auch auf einem Server hinterlegt werden. «Wird eine Verletzung registriert, wird die Behörde mit der betroffenen Person den Vorfall besprechen, sie verwarnen, allenfalls den Vorfall als Widerhandlung beim Strafrichter anzeigen.» Ob dieser Aufwand mit dem bestehenden Personal bewältigt werden kann, sei noch offen. «Das wird sich mit der Zeit zeigen.»

«Heute gibt es im Kanton Luzern noch keinen konkreten Fall.»

Peter Emmenegger, Justiz- und Sicherheitsdepartement Luzern

«Heute gibt es im Kanton Luzern noch keinen konkreten Fall», sagt Emmenegger. Das Gesetz kommt erst bei Straftaten ab dem 1. Januar 2015 zur Anwendung. Bis zu einer Verurteilung können weitere Monate vergehen. Die Erfahrung zeige aber auch, dass in Luzern ein kleiner Teil der Straftäter betroffen wäre. Die Schätzung liegt bei drei bis fünf Personen pro Jahr. Die Dauer der Massnahme legt das Gericht fest.

Eine weitere Massnahme zur Prävention von Pädophilie ist der Sonderstrafregisterauszug. Der Bund hat diesen per Anfang Jahr geschaffen. Er ist für Personen gedacht, die beruflich oder in ihrer Freizeit mit Minderjährigen zu tun haben. Konkret also Lehrer, Fussballtrainer aber auch Betreuer in Kindertagesstätten oder Behindertenheimen. Schulen oder entsprechende Einrichtungen können vor der Anstellung einen solchen Auszug verlangen. Darin ist nur ersichtlich, ob ein Berufsverbot vorliegt oder ein Tätigkeitsverbot mit allfälligem Kontakt- und Rayonverbot. Andere Strafen sind darin nicht ersichtlich.

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