Gastronomie im Wandel der Zeit

Warum der «Hirschen» so heisst, wie er heisst

Der «Hirschen»: ein tierisch beliebter Name. (Bild: David von Moos)

«Rössli», «Hirschen» oder «Ochsen» machen sich nicht nur auf dem Teller gut. Auch als Bezeichnung von Gaststätten sind Tiere sehr beliebt. Alleine im Kanton Luzern gibt es 15 «Löwen». Und bekanntlich sind auch Namen wie «Kreuz», «Krone» oder «Schlüssel» sehr häufig. Ein Experte erklärt, warum.

Wer durch die Gassen der Luzerner Altstadt streift, kann sie nicht übersehen. Die alten Wirtschaftsschilder, die mächtig und prächtig von den Fassaden glänzen. So auch rund um den Franziskanerplatz in der Stadt Luzern. Hinter dem «Schlüssel» leuchtet der «Goldene Stern», gerade um die Ecke steht der «Wilde Mann». Über die Reuss geht’s unter anderem zur «Krone» und zum «Hirschen». Es klingt wie eine Reise zurück zu den Wurzeln der Gastfreundschaft.

Tradition gegen Moderne

Denn eigentlich haben wir uns daran gewöhnt, dass Restaurants wohlklingende Namen exotischer Destinationen wie «Mekong», «Shanghai» oder «Casablanca» tragen. Oder Trendiges in englischer Sprache. Kreative Wortschöpfungen. Manchmal ganz abstrakte Bezeichnungen; das Zeitalter der Postmoderne lässt den Gastronomen die Qual der Wahl. Der Vielfalt sind keine Grenzen gesetzt. «Anything goes».

Fast wie im Zoo

Umso mehr fallen die alten Namen von traditionellen Wirtshäusern auf. Ein Blick ins Telefonbuch von Luzern und Zug zeigt: Tiernamen sind besonders beliebt. Alleine im Kanton Luzern gibt es 15 mal den «Löwen». Dicht darauf mit 14 Nennungen folgt das «Rössli».

Währenddem hat der der «Löwe» im Kanton Zug ausgebrüllt, dafür sind sechs «Rössli» an erster Stelle. Bereits ausgestorbene heimische Tierarten wie «Ochsen» (LU 7; ZG 3), «Adler» (LU 7; ZG 1) und «Bären» (LU 3; ZG 3) sind im Reservat der Gastronomie unsterblich. Auch prominent vertreten ist der «Hirschen» (LU 7; ZG 1) und der «Schwanen» (LU 3). 

Löwenstarke Luzerner

Martin Graf vom Schweizerischen Mundartwörterbuch Idiotikon erklärt: «In vielen Fällen wurden die Tiere im Wappenschild des Grundeigentümers oder der Gemeinde zum Namensgeber.» Darum gebe es im Kanton Bern überdurchschnittlich viele «Bären».

«Ob allerdings die vielen Löwen im Luzernischen alle mit dem Stammwappen der Habsburger zu erklären sind, darf bezweifelt werden.» Der Löwe verkörpere seit jeher Stärke und Macht. «Damals umgab den Löwen noch mehr als heute ein Hauch von Exotik. Und schliesslich macht sich ein Löwe halt einfach gut als Marke.»

Mittelalterliches Marketing

Viele Beizennamen haben ihren Ursprung in Zünften. So zum Beispiel ziert der «Widder» das Zunftwappen der Metzger. Die mittelalterliche Wortmarke war oft auch auf eine ganz bestimmte Klientel ausgerichtet. «Das «Rössli» entstand aus der mittelalterlichen Sust, es bot ursprünglich Ross und Reiter Unterkunft», so Graf. Deshalb sei dieser Name besonders häufig in der Nähe von alten Verkehrsrouten anzutreffen.

Manchmal habe man mit dem Namen auch ganz einfach ausgedrückt, was im betreffenden Haus auf den Tisch kam: Hase, Hecht, Hirsch und anderes Wild. Seltener sei einfach kopiert worden, was andernorts schon funktionierte. Manches war eben früher nicht anders als heute.

Auffallend häufig sind auch Symbole. Das «Kreuz» kommt 21 mal vor, dicht gefolgt von «Sonne» (LU 14; ZG 1) und «Sternen» (LU 6; ZG 1). Himmlische Kost wird im «Engel» (LU 3; ZG 2) aufgetischt. Fürstlich essen kann man aber auch in der «Krone» (LU 8; ZG 3).

Auf ein Bier mit den vier Evangelisten

Eine Besonderheit in der Zentralschweiz ist die hohe Dichte von Gasthäusern mit dem Namen «Engel», «Adler», «Ochsen» oder «Löwen». Dafür hat der bekannte zentralschweizer Historiker und Volkskundler Viktor Weibel aus Schwyz eine Erklärung: «Die vier Tiere stehen für die vier Evangelisten. In der katholisch geprägten Innerschweiz standen Gasthöfe mit diesen Namen darum meistens in der Nähe einer Kirche.» Auch andere Tiere und Symbole des Christentums kämen in der Zentralschweiz besonders häufig vor.

Es geht aber auch weniger bedeutungsvoll. Ruedi Stöckli, Wirt im Restaurant «Strauss» in Meierskappel und Präsident des luzerner Gastronomieverbandes GastroLuzern: «Unser Betrieb heisst so wegen den vielen Blumen die seit jeher am und ums Haus blühen.» Der einzige Vogel hier sei der Wirt, sagt Stöckli zwinkernd.

 

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