Luzerner Kantonsgericht muss Fall neu beurteilen

Mit Video zu Sex erpresst

Das Kantonsgericht Luzern muss über die Bücher. (Bild: cha)

War es sexuelle Nötigung, Vergewaltigung oder Nötigung? Zwei Männer kontaktierten in einem Chat eine damals 17-Jährige und erpressten diese mit der Veröffentlichung eines Sex-Videos. Die junge Frau gab nach und willigte in ein Treffen mit Geschlechtsverkehr ein. Nach einer Aufhebung durch das Bundesgericht musste das Luzerner Kantonsgericht den Fall neu beurteilen. Der Staatsanwalt fordert mehr Härte beim neuen Urteil.

Das Luzerner Kantonsgericht und das Bundesgericht sind sich bei diesem Fall uneins. «Das Verhalten erfüllt die Tatbestände der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung», so die Ansicht des Bundesgerichts. Es revidierte im August letzten Jahres das Urteil des Luzerner Kantonsgerichts. Dieses verurteilte zwei jugendliche Männer wegen einfacher Nötigung. Nun muss das Kantonsgericht den Fall neu beurteilen. Einer der beiden Beschuldigten sass am Dienstag wieder vor dem Gericht.

Erpressung via Chat

Die Tat geschah vor sechs Jahren. Am 16. Januar 2009 nahmen der Beschuldigte und sein Kumpel via Chat Kontakt mit einer damals 17-Jährigen auf. Die drei kannten sich. Sie forderten die junge Frau auf, noch am selben Abend nach Emmenbrücke zu kommen, um mit ihnen Sex zu haben. Ansonsten würden sie ein Video im Internet veröffentlichen, welches die junge Frau dabei zeigt, wie sie Oralsex mit einem der beiden hatte. Eine Woche zuvor hatte die junge Frau im Auto mit den beiden Oralsex, ohne Zwang und einvernehmlich.

Noch während des Chats schrieb die junge Frau ein E-Mail an die Frauenzentrale und bat um Hilfe. Unter dem Druck fuhr sie dann gegen 22 Uhr mit der Bahn zu den beiden nach Emmenbrücke. Die Männer nötigten die junge Frau mehrmals zu Oralverkehr mit ihnen. Einer der beiden hatte auch Sex mit ihr.

War Gegenwehr möglich?

War es Vergewaltigung oder Nötigung? Mehrere Faktoren spielen rechtlich eine relevante Rolle. Zum Beispiel, ob Gegenwehr zumutbar war oder auch die Intensität des ausgeübten Drucks. «Kein ausreichender Druck oder Zwang liegt beispielsweise vor, wenn ein Mann seiner Frau androht, nicht mehr mit ihr zu sprechen, alleine in die Ferien zu fahren oder fremdzugehen, falls sie die verlangte sexuelle Handlung verweigert», argumentiert das Bundesgericht. Im vorliegenden Fall geht es davon aus, dass das Opfer keine andere Wahl gehabt habe, als sich den Forderungen zu stellen. Dies weil die Drohung – das Video im Internet zu veröffentlichen – «sehr schnell» hätte umgesetzt werden können und das Ergebnis sei nicht mehr rückgängig zu machen. 

Das Luzerner Kantonsgericht sah das vorgängig anders. Die Tat haben sie als einfache Nötigung beurteilt. Die junge Frau hätte der Aufforderung nicht Folge leisten müssen, argumentierte das Kantonsgericht bei seinem Urteil am 24. Juni 2013. Sie hätte andere Möglichkeiten gehabt, als zu den beiden zu fahren.

«Psychische Narben»

Der Oberstaatsanwalt fordert das Kantonsgericht nun zu mehr Härte auf: «Erpresster Sex ist Vergewaltigung», zitiert er einen Artikel des «Beobachters» über diesen Fall. Der Staatsanwalt fordert nun eine unbedingte Freiheitsstrafe von «mindestens vier Jahren». Sagte aber auch, dass er sich durchaus auch eine Strafe zwischen fünf und zehn Jahren vorstellen könnte. «Die Tat ist nicht spurlos an der jungen Frau vorbeigegangen», so der Staatsanwalt. Seit zwei Jahren sei sie in psychiatrischer Behandlung, habe Flashbacks und nehme Psychopharmaka. «Sie wird ein ganzes Leben lang psychische Narben davon tragen.» Es sei der «massivste und schlimmste Angriff auf die Würde und Integrität einer Frau».

Zweite Verhandlung steht an

Der Beschuldigte war geständig und bereute die Tat. Sein Verteidiger beantragte eine bedingte Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren. Er argumentierte, dass die beiden sich schon vor der Tat zueinander hingezogen fühlten und sexuell verkehrten. «Aus rechtlicher Sicht ist das Bundesgerichtsurteil unverständlich», zeigte sich der Verteidiger enttäuscht. Dass die junge Frau keine Möglichkeit zur Gegenwehr gehabt habe sieht er anders. «Die Entwicklung der Gesellschaft spielt der Staatsanwaltschaft in die Hände», bedauert der Verteidiger.

Er gibt zu bedenken: «Wir haben immer noch ein Täter- und nicht ein Opferstrafrecht.» Die Resozialisierung bleibe das Ziel. Und im Falle des Beschuldigten könne eine günstige Prognose erstellt werden. Er spricht von einem Jugenddelikt, dass «dumm» gewesen sei. Dennoch müsse man berücksichtigen, dass sich die beiden zueinander hingezogen gefühlt hätten. Das zeige auch der Oralverkehr eine Woche vor der Tat. «Das relativiert das Verschulden.»

Die Verhandlung nahm den Beschuldigten sichtlich mit. «Ich bekenne mich schuldig. Ich war ein 19-jähriger Typ. Naiv. Es tut mir alles sehr leid», sagte der Angeklagte und weinte dabei. Je nach Ausgang der Verhandlung droht dem Kosovaren, seine Aufenthaltsbewilligung C zu verlieren. Nächste Woche findet die Verhandlung des zweiten Beschuldigten statt. Das Urteil wird das Gericht dann für beide Fälle gemeinsam sprechen.

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