Lateinische Messe in der Sentikirche

Mit dem Rücken zum Volk

Der Pfarrer Gerald Hauser (Mitte) steht mit dem Rücken zu den Kirchgängern und predigt in Latein. (Bild: cha)

Ein Gottesdienst in der Sentikirche ist aussergewöhnlich. Der Pfarrer steht mit dem Rücken zu den Kirchgängern und predigt in Latein. Wer bezüglich der Besucher ein Haufen Fundamentalisten erwartet, wird jedoch enttäuscht. Ein Augenschein mit Ehrfurcht.

Meist einzeln treffen die Gottesdienstbesucher in der unscheinbaren Sentikirche nahe des Kasernenplatzes ein. Es sind mehrheitlich Pensionierte, die am Donnerstagmorgen den Gottesdienst besuchen. Bis zum Beginn der Heiligen Messe trudeln immer mehr Katholiken ein, bis schliesslich gegen die 25 Personen in der schlichten Kirche Platz gefunden haben.

Es herrscht eiserne Stille in den kühlen Räumlichkeiten. Einzig das Licht an der Decke schenkt etwas Wärme. Die Gläubigen knien nieder, umklammern ihren Rosenkranz oder sitzen still für sich auf den hölzernen Bänken. Die Leute kehren in sich, bis schliesslich Glockengeläut den Start des Gottesdienstes ankündigt.

Kurzfassung in Deutsch

Der Pfarrer und Seelsorger Gerald Hauser tritt in weisser Robe mit goldener Verzierung vor den Altar. Die Besucher erheben sich, um dem «Botschafter Christi» Ehre zu erweisen. Hauser richtet sich an die gut 25 Leute: «Heute ehren wir den Heiligen Paulus der Eremit.» Eine kurze Zusammenfassung in deutscher Sprache folgt, ehe der Pfarrer sich abwendet.

Eingespielte Abläufe prägen die Messe

Die Leute setzen sich. Ihr Blick richtet sich auf den Rücken Hausers, der von nun an in Latein predigt. Schnell blicken die Besucher in ein Büchlein, um ihren Einsatz nicht zu versäumen. Es folgen Sprechchöre, die spielerisch zwischen dem Pfarrer und den Gottesdienstbesuchern hin und her gehen. Es sind eingespielte Abläufe – so auch das ständige Aufstehen und Absitzen, die den gesamten Gottesdienst prägen.

Eine Dame neben mir auf der Bank hat Mühe mit der lateinischen Aussprache. Für einen Laien und sehr unregelmässigen Messebesucher ist es kaum möglich, das Gesagte zuzuordnen. Geschweige denn, der erzählten Geschichte zu folgen.

Gemeinsam einsam

Als Besucher fühle ich mich ausgeschlossen. Es fehlen sowohl der lateinische Wortschatz, als auch der Austausch mit den anderen Kirchgängern. Von einer Gemeinschaft kann kaum die Rede sein. Jeder sitzt für sich auf der Bank – vor und nach dem Gottesdienst geht jeder seinen Weg. Gespräche und Diskussionen finden kaum statt. Und wenn, dann nur weil man sich noch vom letzten Gottesdienst kennt.

Auf einmal herrscht unheimliche Stille. Der Pfarrer und die Besucher kehren in sich. Das Einzige, das sich regt, sind die morgendlichen Sonnenstrahlen, die durch das Seitenfenster das Grün des Weihnachtsbaums zum Leuchten bringen. Ein magischer Moment, der sogar einer unreligiösen Person Gänsehaut beschert.

Kommunion und Vaterunser

Hostien und Wein künden das baldige Ende der Messe an. Ist den knapp 25 Katholiken die Kommunion erteilt, folgen das Vaterunser und das Ave Maria. Selbstverständlich drei Mal wiederholt. Schliesslich ist der knapp 60-minütige Gottesdienst zu Ende. Die Kirchgänger strömen aus der Sentikirche, um wieder in den Alltag zurück zu kehren.

«Es ist die Ehrfurcht, die ich hier stärker verspüre»

Messebesucher

Ein älterer Herr vor der Kirche kommt erzählt: «Ich bin öfters hier zu Besuch von Gottesdiensten.» Latein verstehe er dank ehemaligen Unterrichts recht gut. «Es ist die Ehrfurcht – insbesondere an den Sonntagsmessen – die ich hier stärker als in anderen Kirche verspüre.» Der Gottesdienst in Latein trage dazu massgeblich bei, sagt der Katholike, ehe er sich verabschiedet.

Spezieller Gottesdienst

In der Sentikirche St. Jakob an der Baselstrasse 19 wird die Heilige Messe gemäss «Missale 1962» zelebriert. Sie wird auch laut Messbuch von 1570 oder einer der nachfolgenden Ausgaben bis einschliesslich der «Editio typica» von 1962 (Jahr des 2. Vatikanischen Konzils, das in Trient stattfand) als Tridentinische Messe bezeichnet. Seit 2007 gilt die Liturgie von 1962 als ausserordentliche Form (forma extraordinaria) des Römischen Ritus.

Hauptsächlich unterscheidet sich die Liturgieform des Tridentinums von jener des 20. Jahrhunderts durch den geringeren Umfang sowie weniger fortgeschrittene liturgiegeschichtliche Kenntnisse.

Feierliche und tiefsinnige Sprache

«Ich bin mindestens vier Mal in der Woche hier», meldet sich eine Frau zu Wort. Sie verstehe sehr gut, was der Pfarrer predige. «Leider ist meine Aussprache in Latein nicht so gut», lacht sie. Die Sprache sei ein entscheidender Grund, weshalb sie die Gottesdienste in der Sentikirche besuche. «Latein ist eine schöne Sprache. Sie wirkt so feierlich und tiefsinnig, was eine Messe ausmacht.» Ausserdem sei Gerald Hauser ein ausserordentlich toller Prediger, betont die Frau.

Gerald Hauser ist seit dreieinhalb Jahren Seelsorger und Pfarrer der Sentikirche. Auf die Frage, weshalb der Gottesdienst in Latein abgehalten werde, sagt er: «Das Vatikanische Konzil hat lange an der lateinischen Sprache festgehalten. Es ist eine Sprache, die kultur- und länderübergreifend ihre Wirkung hat.»

«Heilige Messe muss übernational sein»

Trotzdem ist es heute schon eher selten, dass eine Messe noch in der lateinischen Form der Liturgie abgehalten wird. Hauser seinerseits betont: «In der globalisierten Welt, in der wir leben, finde ich es komisch, dass diese Sprache mehr und mehr bei Gottesdiensten verschwindet. Denn die Heilige Messe muss übernational sein.»

«Die Kirchgänger können in eine andere Dimension abtauchen»

Gerald Hauser, Pfarrer und Seelsorger

Das merke er jeweils auch an den Gottesdienstbesuchern. «Von Akademikern, Geschäftsleuten über Leute aus der unteren und mittleren Schicht ist hier alles anwesend. Es ist eine bunte Mischung.» Ein Phänomen, das auch mit der unmittelbaren Nähen der Kirche zum Multikulti-Viertel «Baselstrasse» zu tun habe. Hauser präzisiert: «Es waren auch schon Leute aus Sri Lanka und Nigeria bei uns zu Besuch, die in der Baselstrasse wohnen.» Alles andere als ein Haufen Fundamentalisten also. Vielmehr schätzen diese Kirchgänger die Messe in der alten Sprache.

Um der lateinischen Form der Liturgie ihren Wert beizumessen, ergänzt Gerald Hauser: «Die Texte in Latein sind unverfälscht und prägnant.» Das Festhalten an den Werten sei in vielen Belangen omnipräsent, und so auch in der Kirche. «Die Kirchgänger können dank der Sprache in eine andere Dimension abtauchen.» Immerhin für eine Stunde können sie so dem Alltagstrott entkommen.

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