Agglomeration bis Nidwalden

Wie bitte? Hergiswil NW gehört zu Luzern?

Die Luzerner Agglomeration macht neu erst nach der Kantonsgrenze Halt. (Bild: zentral+)

Es erstaunt auf den ersten Blick, dass eine kantonsfremde Gemeinde gemäss Statistik zur Agglomeration der Stadt Luzern gehört. zentral+ hat sich im Lopperdorf umgehört. Die Reaktionen zeigen: Hergiswil NW ist besonders.

Da reibt man sich die Augen. Hergiswil gehört offiziell zu Luzern. Nach der neuen Agglomerations- und Stadtdefinition des Bundesamts für Statistik (BfS), die kürzlich der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, umfasst die Agglomeration Luzern neu 18 Luzerner Gemeinden sowie Hergiswil NW (siehe Box).

Anpassung an neue Verhältnisse

Gründe dafür sind neue Kriterien für die Beurteilung der Siedlungsdichte. Diese basieren nicht mehr ausschliesslich auf der Einwohnerzahl, sondern berücksichtigen auch die Anzahl der Beschäftigten, Logiernächte und die Pendlerbewegungen. Kantonsgrenzen werden nicht berücksichtigt. Die neue Methode erlaubt es dem Bund, die Verstädterung der Schweiz statistisch besser abzubilden. Denn Bevölkerungswachstum, veränderte Siedlungs- sowie Verkehrsinfrastruktur verändern den Lebensraum zunehmend. Statistisch gesehen ist Hergiswil also eine Agglomerationsgürtel-Gemeinde von Luzern. So weit so gut. In der Realität aber bleibt die Frage: Gehört Hergiswil zu Luzern?

Zwei Herzen in einer Brust

zentral+ hat im Lopperdorf nachgefragt. Die unterschiedlichen Reaktionen zeichnen ein zwiespältiges Bild. Politisch gesehen ist die Lage klar: Hergiswil gehört zu Nidwalden. In andern Belangen aber ist eine eindeutige Zuordnung schwierig. Kompliziert wird es beim Zugehörigkeitsempfinden. Einerseits fühlen sich die Hergiswiler emotional mehrheitlich zu Luzern hingezogen. Andererseits wird – vielleicht gerade deswegen – Wert auf die Herkunft gelegt. Auffallend deutlich bekennt man sich zu Nidwalden. Ein Widerspruch?

19 Agglo-Gemeinden

In der Agglomeration Luzern leben in total 19 Gemeinden rund 223'000 Einwohnern. Nach der neuen Definition setzt sich die Agglomeration aus Kern- und Gürtelgemeinden zusammen.

Es sind dies die zehn Kerngemeinden Adligenswil, Buchrain, Dierikon, Ebikon, Emmen, Horw, Kriens, Meggen, Rothenburg und die Stadt Luzern als Kernstadt sowie die neun Gürtelgemeinden Eschenbach, Hildisrieden, Inwil, Malters, Neuenkirch, Rain, Schwarzenberg, Udligenswil und Hergiswil (NW).

Nein, wie Luzerns Stadtpräsident Stefan Roth meint: «Die Stadt Luzern ist mit Nidwalden seit jeher eng verbunden durch ihre geografische Nähe, den Tourismus und die Kultur.» Nidwaldner würden Luzern auch als ihre Stadt ansehen. Ebenso wie die Städter die Nachbargemeinden im Süden auch als ihre Heimat empfinden würden. «Gemeinsame Interessen verbinden», hält Roth fest. Dass diese Tatsache auch statistisch zum Ausdruck komme, sei nachvollziehbar. Es zeige sich einmal mehr, dass die funktionalen Räume nicht an den Gemeindegrenzen Halt machten.

Das Eine tun, das Andere nicht lassen

Der Stadtpräsident schlägt aber auch kritische Töne an: «Die Stadt Luzern erfüllt die Aufgaben als Zentrum für 223’000 Menschen gerne. Als Finanzdirektor würde es mich aber auch freuen, wenn dieser Lebensraum seinen Teil an die Zentrumslasten der Stadt Luzern leistet.» Die gesamtschweizerische Entwicklung zeige denn auch die zunehmende Bedeutung der Zentren. Die Anliegen der Städte hätten jedoch auf Bundes- und Kantonsebene immer noch zu wenig Gewicht.

Mit Luzern verbunden

In Hergiswil selber nimmt man die Nachricht gelassen. Werner Marti, Gemeindeschreiber kommentiert die Eingemeindung durch die Statistiker so: «Das erstaunt mich keineswegs. Natürlich bestehen zwischen Hergiswil und der Stadt Luzern Verflechtungen. Diese sind hauptsächlich verkehrstechnischer, gesellschaftlicher, touristischer und wirtschaftlicher Natur und topografisch bedingt» und doppelt nach: «Allerdings möchte ich diese statistische Zuordnung nicht überbewerten. Wir wurden diesbezüglich fremdbestimmt, wenn auch nicht zu unserem Nachteil.» Die statistische Aussage habe deshalb keine politische Dimension. Wohl aber eine verkehrstechnische. Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember wird die Bahnfahrt von Hergiswil nach Luzern etwas günstiger. «Es muss nun nur noch eine Zone gelöst werden», so Marti.

Ähnlich sieht das Erich Näf, Unternehmer und Vizepräsident der Hergiswiler Guggenmusik «Lopper-Gnome». «Einmal mehr zeigt sich die enge Beziehung zwischen Luzern und Hergiswil. Der Lopper trennt uns räumlich von Ob- und Nidwalden. Nicht zuletzt deswegen gab es zur Gründungszeit der Lopper-Gnome auch eine Buslinie der heutigen VBL bis nach Hergiswil.» Deshalb sind die Lopper-Gnome seit ihrer Gründung im Jahre 1965 auch Mitglied der «Vereinigten Guuggenmusigen Luzern».

Unter diesem Namen haben sich rund 80 Gruppierungen aus der Stadt Luzern und den umliegenden Agglomerationsgemeinden zum grössten Fasnachtsverband der Zentralschweiz zusammengeschlossen. Trotzdem steht man in Hergiswil zu Nidwalden, wie Näf betont: «Ich bekenne mich klar zu Nidwalden. Hergiswil gehört aber auch zu Luzern.»

Geschichtlich begründeter Sonderstatus

Ins selbe Horn stösst der Hergiswiler Gemeinderat Renato Durrer. «Mit Nidwalden verbindet uns nur die Brücke bei der Acheregg.» Hergiswil geniesse einen historisch gewachsenen Sonderstatus. Luzern sei schon immer sehr nahe gewesen. «Wir sind Nidwaldner. Unsere topografische Lage rückt uns in mancher Hinsicht aber näher an die Stadt.» Das äussere sich beispielsweise an der Beteiligung der Gemeinde an den Agglomerationsprogrammen beider Kantone. «Die verkehrstechnische Bedeutung des Nadelöhrs Hergiswil ist denn auch nicht von der Hand zu weisen.»

Lediglich in einer Sache ist man sich im Lopperdorf einig. Nidwaldner wollen keine Obwaldner sein. Der Hergiswiler Unterhalter und Transportunternehmer Christoph Niederberger alias «DJ Taxi» bringt es augenzwinkernd auf den Punkt: «Mit Luzern habe ich kein Problem. Hauptsache, nicht Obwalden.»

 

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4 Kommentare
  • Profilfoto von tvm
    tvm, 16.01.2015, 12:19 Uhr

    Interessanter Artikel!
    Hergiswil ist insbesondere aufgrund der geografischen Lage natürlich Luzern zugewandt. Je nach Sachverhalt bezieht/erbingt Hergiswil Leistungen sowohl von NW wie auch von LU – auf keinen Fall sogenannte ‹Rosinenpicker› 😉

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  • Profilfoto von Alain Brunner
    Alain Brunner, 09.01.2015, 12:14 Uhr

    Besten Dank für die Hinweise, sehr aufmerksam. Man könnte das durchaus verwechseln. Wir haben die Kennzeichnung Hergiswil «NW» deshalb nachträglich noch vorgenommen. Es soll ja eindeutig hervorgehen, dass hier nur das Agglomerationsgebiet rund um die Stadt Luzern behandelt wird und nicht das Hergiswil bei Willisau (b.W.) gemeint sein könnte.

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  • Profilfoto von eselsohr
    eselsohr, 09.01.2015, 09:47 Uhr

    Im Kanton LU gibt es ja auch ein Hergiswil.

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  • Profilfoto von Werner Raymond Duss
    Werner Raymond Duss, 08.01.2015, 21:53 Uhr

    Ja 6133 Hergiswil gehört eindeutig zum Kanton Luzern…. (aber ich glaube das ist in der Stadt mehr oder weniger unbekannt)

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