Erster Widerstand gegen das Zuger Eidgenössische

«Ich will keine Kühe schlachten fürs Schwingfest»

Bis hinter dem Herti Sägemehl geschluckt werden kann, muss zuerst noch 30'000 Kubikmeter Erde hin. Hier ein Bild von Stans, 1977. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Den Zuschlag für das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest 2019 bekommt der Standort Zug wohl schon im März. Das bedeutet 300’000 Besucher für die kleine Stadt. Wie das gehen soll, ist noch völlig unklar: Die Verantwortlichen vom Verein ESAF Zug hüllen sich in Schweigen. Für den betroffenen Landwirt geht das alles langsam zu weit.

«Ich dachte, ich sei der Böse im Kanton, wenn ich das Eidgenössische Schwingfest verhindere», sagt der Landwirt Philipp Freimann. «Mittlerweile habe ich das Gefühl, ich wäre der Böse im Kanton, wenn ich das Fest zulassen würde.»

Es ist vor allem sein Land und das von ihm gepachtete, dass für den geplanten Grossanlass 2019 gebraucht werden soll. Bis im März muss der Verein «ESAF Zug» seine Bewerbung für das eidgenössische Schwing- und Älplerfest 2019 einreichen.

Dass er den Zuschlag erhalten wird, ist dabei sehr wahrscheinlich. Wie allerdings das Eidgenössische in die kleine Stadt Zug und auf das Areal hinter dem Herti-Quartier passen soll, das ist unklar. Man rechnet für das Fest mit 300’000 Besuchern, verteilt auf drei Tage. Zum Vergleich: Die Zuger Herbstmesse zieht jedes Jahr 80’000 Besucher an, und das verteilt auf neun Tage.

Zum zweiten Mal eidgenössisch

Es ist schon das zweite Mal, dass sich Zug um ein Eidgenössisches Schwing- und Älplerfest bewirbt. 1961 hat das Eidgenössische auf dem Stierenmarktareal stattgefunden – damals gab es rund ums Areal allerdings noch Landwirtschaftsland und keine Hochhäuser.

«Es ist eine Belastung für mich»

Das OK gibt sich schweigsam – es ist nicht einmal bekannt, wer genau im Organisationskomitee sitzt. OK-Präsident und Baudirektor Heinz Tännler sagt auf Anfrage, man wolle noch nicht kommunizieren, da man mit den Landwirten noch in Verhandlungen stecke.

Den Landwirten allerdings wird das Ganze langsam zu gross, zumindest dem, den es am stärksten betrifft. «Es ist eine Belastung für mich», sagt Freimann. «Wir diskutieren jetzt schon seit zwei Jahren darüber, ob es anderes Weideland für meine Tiere gibt. Langsam komme ich zum Schluss, dass es einfach keines gibt.»

«Was das für mich wirklich heisst, davon hat niemand gesprochen.»

Philipp Freimann, Landwirt

Er wolle dem Fest zwar nicht im Weg stehen, aber: «Ich stecke gerade in einer Krise, was das Schwingfest betrifft. Es ist mir schon nicht recht, meine zwanzig Hochstamm-Obstbäume umzutun. Aber ich werde bestimmt nicht meine Kühe schlachten fürs Schwingfest. Ich brauche eine Ausweichfläche für die Kühe, und sie muss in der Nähe sein. Ich kann nicht jeden Tag 80 bis 90 Tiere verladen und auf eine Weide am anderen Ende des Kantons bringen.»

Sieben Jahre keine Weide mehr

Das Land werde er für die nächsten sieben bis neun Jahre nicht benutzen können. Die Terrainanpassungen für die Schwingerarena würden bis September 2015 dauern. Es müssten 30’000 Kubikmeter Erde verschoben werden, damit der Boden hergerichtet werden könne. Danach wäre nur eine sehr eingeschränkte Nutzung möglich: Keine Weide, keine Düngung, nur Grasnutzung mit schlechter Futterqualität, kein Ackerbau und nur sehr beschränkte Befahrbarkeit. «Und das immer in Absprache mit den Bodenexperten.»

«Man hat immer nur davon gesprochen, dann haben wir das Fest und haben es lustig miteinander, und gut ist. Aber was das für mich wirklich heisst, davon hat niemand gesprochen. Das ich acht Jahre lang Ärger haben werde und Umtriebe. Es geht mir nicht um Geld, sondern darum, dass ich meinen Bauernhof weiterführen kann.»

Das Eidgenössische kommt ohne Debatte aus

Nach dem Fest werde er weitere Probleme haben: «Neuanpflanzungen und vor allem jahrzehntelanges Pflegen der jungen Obstbäume.» Zudem gäbe es Ertragsausfälle, und auch die schattenspendenden Hochstämmer seien nicht mehr da, was eventuell Probleme mit dem Tierschutz geben könnte. «In welchem Zustand der Boden nach dem Fest ist, kann auch noch niemand sagen.»

Das eidgenössische Schwing- und Älplerfest 2019 kommt bis jetzt fast ganz ohne öffentliche Debatte aus: Auf ihre Leserbriefe habe es fast keine Reaktionen gegeben, sagt etwa die Steinhauserin Edith Seger. «Das interessiert offenbar noch niemanden. Dabei ist es ein so grosser Anlass.» Man wisse nicht, wie der Stand der Planung sei, und die Öffentlichkeit werde nicht informiert. «Obwohl die Öffentlichkeit schlussendlich auch betroffen ist. Wenn man wenigstens wüsste, wer da mitmacht, oder was genau geplant ist. Oder wer das ganze sponsern soll.»

Die 1800 Lastwagen fahren nicht durchs Herti

Man spricht nicht darüber, weil es auch nichts zu erfahren gibt: Die Website des Organisationskomittees hat offenbar seit August 2013 kein Update mehr bekommen, und das OK selber will sich momentan nicht äussern, da es noch mitten in Verhandlungen mit den Landwirten stehe.

«Die Leute werden erst bemerken, um was es da geht, wenn es schon zu spät ist», sagt Werner Zerberli, der Präsident des Quartiervereins Herti. «Das liegt nun mal in der Natur der Sache.» Trotzdem sei sein Verein nicht gegen das Schwingfest: «Wir sind kritisch positiv eingestellt», sagt Zeberli.

«Wir kommunizieren dann, wenn wir etwas Neues zu kommunizieren haben»

Regierungsrat Heinz Tännler, OK-Präsident ESAF Zug

Man könne ja nicht gegen alles sein, und der Verein wolle sich nicht querstellen. Trotzdem bleibt auch das Quartier nicht unberührt: Es sei im Herti das Gerücht umgegangen, dass die 1800 Lastwagen, welche die Erde fürs Riesenfest anliefern sollen, durchs Quartier fahren würden. «Baudirektor Tännler hat mir versichert, dass die Lastwagen nicht durchs Herti fahren würden, sondern über den Kreisel beim Unterwerk, von Baar her.»

Das habe er zwar nicht schriftlich, «aber das Wort des Baudirektors ist mir gleich viel wert wie eine schriftliche Bestätigung.» Auch im Herti wisse man allerdings nicht, wie weit das Projekt schon fortgeschritten sei. «Es hat zwei Mal eine Orientierung an unserer Generalversammlung gegeben, aber mehr noch nicht. Wir haben jetzt aber den Baudirektor gebeten, dass er eine Informationsveranstaltung macht, sobald Zug den Zuschlag erhalten hat.»

OK ist noch nicht vollständig

Baudirektor Tännler sagt zur Kritik: «Wir sind ein privater Verein und wir kommunizieren dann, wenn wir etwas Neues zu kommunizieren haben.» Das eidgenössische Schwing- und Älplerfest sei keine politische Frage, sondern ein Event aufgrund einer privaten Initiative. «Wir werden informieren, sobald wir den Zuschlag für das Fest erhalten haben.»

Zur Kritik, es sei noch nicht kommuniziert worden, wer im OK sitzt, sagt Tännler: «Das OK ist noch nicht vollständig zusammengestellt. Wir wollen jetzt zuerst einmal die Zusage schriftlich in der Hand haben. Dann können wir weiter informieren.»

Aber ist ein Event mit 300’000 Besuchern, also knapp drei Mal die Zuger Bevölkerung, nicht so gross, dass das Volk dazu befragt werden müsste? Nein, sagt Tännler: «Da können wir nicht auch noch eine Konsultativabstimmung machen und die Bevölkerung befragen.» Der Regierungsrat stehe dahinter, der Stadtrat und auch die Korporation. «Natürlich sind wir mit den Leuten im Gespräch, die davon betroffen sind.» Da müsse man jetzt etwas offener über das Fest nachdenken: «Es ist doch toll, dass eine private Initiative etwas so Grosses für die Region auf die Beine stellen will. Das ist eine tolle Sache.»

 

 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Tabea Zimmermann Gibson
    Tabea Zimmermann Gibson, 17.12.2014, 21:02 Uhr

    In diesem Artikel werden grosse und wichtige Fragen aufgeworfen. Was wäre wohl klüger: diese vor oder nach einer Entscheidung bez. Schwingfest in der Öffentlichkeit und Politik zu diskutieren? Doch wohl eher vorher, nicht wahr?!
    Tabea Zimmermann Gibson, Zug

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