Versicherungsbetrug

Zwei Jahre bedingt für gewerbsmässigen Betrug

Die Basler Versicherung (Foto des Hauptsitzes) war am Verfahren in Luzern als Privatklägerin beteiligt. (Bild: PD )

Das Luzerner Kriminalgericht hat einen 54-jährigen Schweizer zu zwei Jahren Gefängnis bedingt verurteilt. Der Computerfachmann war zu hundert Prozent krankgeschrieben und bezog Taggelder. In Wirklichkeit ging er seinen Geschäften nach.

Wegen gewerbsmässigen und versuchten Betrugs hat das Kriminalgericht einen Obwaldner schuldig gesprochen. Es geht um widerrechtlich bezogene Kranken-Taggelder im Zeitraum von 2003 bis 2004. Der Mann ist nicht geständig.

Am Anfang stand eine Krankmeldung. K.D. arbeitete vor elf Jahren für eine EDV-Beratungsfirma* und war gemäss Gericht deren Geschäftsführer. Er verdiente laut eigenen Angaben 14’000 Franken brutto im Monat. Alle Angestellten der EDV-Firma waren bei der Basler Versicherung gegen Krankheit versichert.

Krankgeschrieben

K.D. klagte bei seinem Hausarzt wegen Müdigkeit und Kribbeln in den Beinen und erklärte, dass er überhaupt nicht mehr arbeiten könne. Tatsächlich leidet der Mann an einer chronischen Nebennierenerkrankung und Diabetes. Als ihn der Arzt wieder zu 50 Prozent arbeitsfähig erklären wollte, erreichte der Mann, dass er wieder vollumfänglich krank geschrieben wurde. Offenbar gab es aber Zweifel. Es folgten weitere Gespräche, unter anderem mit dem Schadeninspektor der Versicherung. Gegenüber diesem beklagte sich der Mann über Konzentrationsschwierigkeiten, Schwindel und Energieverlust. Er könne lediglich eine Stunde täglich auf den Beinen stehen und keine Treppen steigen. Längere Autofahrten seien aufgrund seines Zustands nicht möglich, aber für seine Arbeit nötig. Andere Ärzte untersuchten den Mann.

«Sehr vital und fleissig»

Schliesslich beauftragte die Basler Versicherung die Weibel Consulting aus Risch mit der Überwachung des Beschuldigten. Gemäss Observation betrieb dieser an der Industriestrasse in Kriens ein Geschäftslokal. Ausserdem sei er für eine weitere EDV-Firma tätig und beschäftige eigenes Personal. Die Firma stellte in ihrem Bericht fest, dass es sich bei K.D. um einen selbständigen Geschäftsmann handelte, der im Innen- und Aussendienst arbeite und «sehr vital und fleissig sei». Die Versicherung zahlte keine Taggelder mehr. Ein Mitarbeiter der Versicherung sprach erneut mit dem Krankgeschriebenen. Dieser schilderte seinen Tagesablauf als sehr beschwerlich, eine einzige Abfolge von Ruhepausen, die er dauernd einlegen müsse. Er verlangte die Weiterzahlung von Taggeldern.

Lange für Tests gebraucht

Schliesslich untersuchte das «Institut für Assessment» von Ernst Hermann den Mann. Für die vorgenommenen Tests, die normalerweise 40 bis 60 Minuten dauern, benötigte er über drei Stunden. «Diese lange Bearbeitungszeit kann gemäss Bericht nicht einmal bei schwersten psychoorganisch gestörten Patienten festgestellt werden», heisst es im Urteil. Zudem habe es eine starke Diskrepanz zwischen der benötigten Zeit zum Lösen einer Aufgabe und seinem Verhalten bei der Diagnose und am Telefon gegeben. Dort sei er «hellwach» gewesen. Das Institut kam schliesslich zum Schluss, dass sich die geschilderten Beschwerden des Mannes mit keiner Diagnose in Übereinstimmung bringen lasse. Er sei deshalb voll arbeitsfähig. Gemäss der Staatanwaltsschaft hat der Mann die Ärzte und die Basler Versicherung somit arglistig getäuscht.

Leugnete Erwerbstätigkeit

Zum Verhängnis wurde dem Obwaldner die erdrückende Last von gesammelten Beweisen für seine Erwerbstätigkeit, bei vollem Bezug von Krankentaggeldern. Er habe es unterlassen, die Versicherung über seine Aktivitäten zu informieren. Auf konkrete Nachfrage leugnete er, erwerbstätig zu sein.

In Wirklichkeit erledigte er aber gemäss dem Urteil Softwarearbeiten, handelte Verträge aus, nahm Kundenkontakt wahr, leitete IT-Projekte und aquirierte Kunden. Die Anklage stützt sich zum Beispiel auf Aussagen der Firma Bühler AG aus Uzwil, deren Informatikverantwortlichen, und auch dem Inhaber. Der Beschuldigte sei der Firma gegenüber als Projektleiter aufgetreten, sei per Telefon und Mail ständig erreichbar und habe persönlich an Sitzungen teil genommen.

Callcenter in Kriens betrieben

Er gründete ausserdem mit einem Partner die Einzelfirma Telesolutions, mietete einen Büroraum in Kriens und installierte dort eine Art Callcenter. Zwischen 2004 und 2005 wurden dort mindestens 16 Telefonistinnen im Stundenlohn beschäftigt. Diese mussten gemäss vorgegebenen Telefonlisten Kunden anrufe und Beratungstermine vereinbaren. Der Geschäftspartner verkaufte Versicherungen. Der beschuldigte K.D. die Computerdienstleistungen der Firma, wo er angestellt war. «Der Beschuldigte war teilweise selbst im Büro in Kriens anwesend, gab den Telefonistinnen Anweisungen», heisst es in der Anklage.

Entlöhnt wurden die Callcenter-Angestellten vom Privatkonto des Beschuldigten. Die Löhne wurden von seinem Obwaldner Privatkonto bezahlt, diese und die Telefonspesen stellte der Mann wiederum dem Mutterhaus der Computerfirma in Wiesbaden in Rechnung. Für eine Angestellte liess sich der «Geschäftsmann» Einarbeitungszuschüsse von einer Arbeitslosenkasse überwiesen.

Lukrative Einnahmen

All das rentierte gut für den krankgeschriebenen Manager. Er erhielt beträchtliche Spesen für Reisen, Verpflegung und Telefonkosten. Ingesamt 105’245 Franken wurden innert zwei Jahren auf verschiedene Konti einbezahlt. Nach Einstellung der Taggeldleistungen folgten weitere Vergütungen von knapp 40’000 Franken von diversen Privatpersonen und Firmen.

Dadurch habe sich K.D. des gewerbsmässigen Betrugs und des versuchten gewerbsmässigen Betrugs schuldig gemacht. Der Prozess fand im Januar am Kriminalgericht Luzern statt. Der Beschuldigte gibt nichts zu und verweigerte meistens die Aussage.

Tatverschulden mittelschwer

Das objektive Tatverschulden wiege mittelschwer, heisst es im Urteil. Neben dem hohen Deliktsbetrag von über 200’000 Franken falle auch das hartnäckige und qualifizierte Vorgehen auf. Der Beschuldigte habe während anderthalb Jahren stets neue Arztzeugnisse bei der Versicherung eingereicht, die seine angebliche hundertprozentige Arbeitsunfähigkeit belegen sollten. Auch als die Taggeldzahlungen eingestellt wurden, habe er die Versicherung zur Wiederaufnahme der Zahlungen zu bewegen versucht. «Das spricht für eine konstant anhaltende kriminelle Energie», so das Gericht. Er hat nicht nur die Versicherung betrogen, sondern auch seinen Hausarzt manipuliert. Er handelte aus rein finanziellen Motiven, aber ohne wirtschaftliche Not.

Wenig bekannt

Das Gericht schreibt, dass über die persönlichen und die Einkommensverhältnisse des Beschuldigten kaum etwas bekannt sei. Es stützt sich auf Informationen aus dem Kanton Nidwalden, wo der Mann damals wohnte. Nach diesen hat der Mann keine Betreibungen, jedoch in den letzten 20 Jahren 18 Verlustscheine über total 161’195 Franken registriert. Angeblich sei er selbständig im Informatikbereich erwerbstätig und finanziell selbsttragend.  Da er keine Vorstrafen hat, wurde die Strafe von zwei Jahren bedingt auf zwei Jahre ausgesprochen. Zudem hat er gemäss dem erstinstanzlichen Urteil der Basler Versicherung Taggelder in der Höhe von 212’070 Franken zu bezahlen.

Für weitere Forderungen der Versicherung, die gemäss Gericht «zu wenig beziffert und belegt» seien, wurde die Privatklägerin auf den Zivilweg verwiesen; die «Basler» wollte den Angeklagten auch die Kosten der Observation von 39’524 Franken zahlen lassen; die ausführende Firma Weibel Consulting aus Risch ist im Handelsregister gelöscht. Nichts zu rütteln gibt es an den Kosten des Verfahrens. Der Beschuldigte muss diese gemäss Urteil alle tragen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Verurteilte hat Berufung eingelegt. Sein Luzerner Strafverteidiger verlangt einen vollen Freispruch.

*Der Beschuldigte stand ab 2000 in einem Arbeitsverhältnis mit der CSO Solutions AG. Bei der CSO Solutions AG handelte es sich um eine EDV-Unternehmensberatung-Firma. Diese unterhielt einen engen Kontakt zum deutschen Mutterhaus, der CSO GmbH in Wiesbaden (D). Über die CSO Solutions AG in Basel wurde bereits 2004 der Konkurs eröffnet. Der Beschuldigte taucht in den Handelsregistereinträgen der Firma nicht auf.

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