Zuger Pfarrei muss sich neu finden

Kirche in der Krise

Die St. Michaels-Kirche ist nicht nur ein Ort der Idylle. (Bild: www.swiss-foto.ch)

Es brodelt in der Kirchgemeinde. Und das bereits seit Längerem. Vor einem Jahr wurde der bisherige Kirchenratspräsident abgewählt, dazu kamen mehrere Wechsel im Kirchenrat: Im Oktober dieses Jahres reichte der aktuelle Pfarrer der Pfarrei St. Michael seine Demission ein. Was sind die Gründe? Und wo zeichnen sich Lösungen ab?

«St. Michael war immer schon eine Pfarrei, in der es verschiedene Meinungen gab. Wir haben hier aktiv denkende und kritische Menschen», sagt der neue Kirchenratspräsident Patrice Riedo. In der Tat. Nicht nur die Abwahl von Peter Niederberger aus dem Amt des Kirchenratspräsidenten im letzten Oktober weist darauf hin.

Ein Jahr später, also vor rund einem Monat, hat Mario Hübscher, der seit 2010 Pfarrer der Pfarrei St. Michael ist, seine Demission im Bistum eingereicht. Einer seiner Hauptgründe: «Zu wenig Unterstützung in Zug und zwar auf ganz verschiedenen Ebenen.» Hübscher ist in eine schwierige Situation hinein getreten. Riedo sagt dazu: «Die Pfarrei hatte fünf Jahre lang keine definitive Lösung, bevor Hübscher kam. Und auch nach dessen Wahl ist fast ein Jahr vergangen, bis er die Stelle in Zug angetreten hat. Dadurch lasteten schon viele Hoffnungen und Erwartungen auf Hübscher, bevor dieser die Stelle überhaupt angefangen hatte.»

«Ich fühle mich wie eine Mutter an einer Familienfeier, bei der jedes Familienmitglied alleine auf seinem Zimmer feiert.»

Mario Hübscher, Pfarrer der Zuger Pfarrei St. Michael

Und dann kam Hübscher und begann mit den Pfarreiangehörigen eine Vision zu erarbeiten. «Ich habe mir gewünscht, dass die Menschen aus der Pfarrei am Sonntagmorgen alle in einer Kirche feiern. Denn jeder Sonntag gleicht quasi einem kleinen Osterfest, an dem die Leute zusammenkommen sollten.» Ein schwieriges Unterfangen, wie sich herausstellte. Allein in der Pfarrei St. Michael, welche eine der vier Stadtzuger Pfarreien bildet, gibt es mehrere Kirchen, Kapellen und Klöster, in denen eigene Gottesdienste abgehalten werden. Hübscher sagt dazu: «Ich fühle mich wie eine Mutter an einer Familienfeier, bei der jedes Familienmitglied alleine auf seinem Zimmer feiert.»

Zwar konnte Hübscher während seines ersten Amtsjahres erreichen, dass die Gottesdienste am Sonntagmorgen von den zwei benachbarten Kirchen St. Michael und St. Oswald auf einen zusammengeführt wurde. «Darüber gab es an einer Pfarreiversammlung sogar eine Abstimmung, die eindeutig zu Gunsten dieser Lösung ausgefallen war», erklärt Hübscher.  Ein Teilerfolg zwar, doch gleichzeitig schaffte sich Hübscher mit dieser Zusammenlegung nicht nur Freunde in Kirchgemeinde und Pfarrei.  

Die Kirche ist zu gross

«Es gab Kirchgänger, die nicht glücklich waren mit diesem Entscheid, dass die Sonntagsmesse neu in der grossen St. Michael-Kirche abgehalten werden soll. Dies, obwohl ein Bus direkt neben der Kirche hält und sie über einen Treppenlift verfügt», sagt Hübscher. Kirchenratspräsident Patrice Riedo erklärt dazu: «Die Kirche St. Michael ist riesig. Selbst wenn 100 Leute da sind, wirkt sie leer. Pfarrer Hübscher bekam für seine Idee, ein Zentrum für Kirchgänger zu machen, nicht den erhofften Zuspruch. Und das ist letztlich ein zentraler Auslöser der Schwierigkeiten, die entstanden sind. Einige Leute haben sich nicht verstanden gefühlt.»

Der Wunsch Hübschers nach einem Ort, an dem alle Kirchgänger zusammenkommen, ist nachvollziehbar. Doch sei es ihm, so bekennt er selbst, zu wenig gelungen, seine Idee genügend zu kommunizieren und damit eine Mehrheit für sich zu gewinnen. Hübscher ist überzeugt davon, «dass die Zukunft der Kirche bei denen liegt, die sich aktiv beteiligen». War es diese Hoffnung, welche Hübscher schlussendlich zum Verhängnis wurde? «Es sind eine Vielzahl von Mosaiksteinen, die zu diesem Entscheid geführt haben.»

Die schwierige Suche nach Lösungen

Beispielsweise, dass der Anspruch an eine Führungsperson in der Pfarrei St. Michael in den letzten Jahren viel grösser geworden sei, und das bei schwieriger werdenden Rahmenbedingungen. Dass die Situation für Pfarreileitungen und Pfarrer immer anspruchsvoller wird, stellt man auch beim Bistum Basel fest. Adrienne Suvada, Kommunikationsverantwortliche des Bistums, sagt warum: «Die sehr vielfältigen Erwartungen von heutigen Gläubigen an die Seelsorger, die soziale und soziologische Zusammensetzung einer Pfarrei, die Anzahl der Gläubigen und die Führung des Personals mit den unterschiedlichen Vorstellungen und Erwartungen für ihren pastoralen Dienst.» Dies seien Gründe dafür, dass die Pfarrstelle bei der Pfarrei St. Michael während längerer Zeit vakant gewesen sei.

Sachliche wie strukturelle Probleme veranlassten Mario Hübscher im Oktober, einen Schlussstrich unter die jetzige Situation zu ziehen. Er reichte beim Bistum Basel seine Demission ein. Obwohl sich der Kirchenrat Hübschers Schwierigkeiten bewusst gewesen sei und man dieses Jahr mehrmals Gespräche darüber geführt habe, sei der Zeitpunkt der Demission für viele überraschend gekommen. Trotzdem sagt Riedo auch klar: «Die Situation war schwierig und es hat unterschwellig gebrodelt. Wahrscheinlich wäre es wieder auf einen Konflikt heraus gelaufen, weshalb ich froh bin, dass wir jetzt einen klaren Entscheid haben. So ist es uns möglich, neue Lösungen zu suchen.»

Noch nicht mit dem Rücken zur Wand

Riedo spricht von einem «generellen Unbehagen», welches in der Kirchgemeinde geherrscht habe; verursacht durch die Konflikte der letzten Jahre, die Abwahl des Kirchenratspräsidenten, mehrere Wechsel im Kirchenrat und die Auflösung des Arbeitsvertrages mit dem Kirchenratsschreiber Hans Danuser diesen Sommer.

«Wir haben grosse Herausforderungen vor uns», ist sich Riedo bewusst. «Wir stehen finanziell gesehen heute noch besser da als vergleichbare Kirchgemeinden und können daher aus der Situation heraus agieren. Der Druck ist noch nicht so gross, als dass wir mit dem Rücken bereits zur Wand stehen würden.» Darum müsse man jetzt die Zukunft planen und die nötigen Veränderungen einleiten.

«Es ist wichtig, dass wir uns finden, Klarheit schaffen, generell die Kompetenzen und die Zusammenarbeit definieren und organisieren. Das ist die Grundvoraussetzung und da sind wir dran», sagt Riedo. Ende September wurde eine Klausur durchgeführt. Im Zentrum stand die grosse Frage: Wie geht es weiter mit der katholischen Kirche in Zug? Riedo antwortet darauf: «Wir müssen eine Lösung finden, die Konstanz schafft, müssen jemanden finden, der Akzeptanz findet in der Gemeinde. Ich bin mir darüber bewusst, dass dies eine Herkulesaufgabe ist.»

«Das ist doch ein Zeichen, dass die Kirche nicht schläft, sondern aus ihren alten Spuren raus möchte und lebendig ist.»

Karl Huwyler, Präsident der Vereinigung Katholischer Kirchgemeinden des Kantons Zug

Viel Wirbel, grosse Veränderungen und Verunsicherung. Doch ist das alles nur negativ? Nein, findet Karl Huwyler, der Präsident der Vereinigung Katholischer Kirchgemeinden des Kantons Zug.

«In der Privatwirtschaft kommt es häufig vor, dass es zwischenmenschlich nicht passt, Leute abgewählt werden und es Führungswechseln gibt. Das ist doch eine positive Sache und zeugt von Aufbruchsstimmung.» Dabei gäbe es nicht nur Verlierer, sondern auch viele positive Aspekte, findet Huwyler. «Das ist doch ein Zeichen, dass die Kirche nicht schläft und nicht versteinert ist, sondern aus ihren alten Spuren raus möchte und wieder lebendig wird.»

Mario Hübscher wird noch bis im kommenden Sommer Stellung halten in Zug. Und danach? «Pläne gibt es noch keine und das ist auch gut. So kann ich mich auf die Arbeit hier konzentrieren und habe nichts anderes im Blickfeld.» Also gibt es noch keine Visionen? «Ich habe schon daran gedacht, für ein paar Monate nach Südamerika zu reisen und dort einen Priester zu begleiten, der die Leute auf dem Land aufsucht, damit sie wenigstens einmal in drei Monaten eine Messe haben. Grundsätzlich gehöre ich natürlich zum Bistum Basel und werde deshalb von Bischof Felix Gmür eine Aufgabe übertragen bekommen.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Markus Mathis
    Markus Mathis, 26.11.2014, 11:53 Uhr

    Wenn an der Pfarreiversammlung für die Idee von Mario Hübscher gestimmt wird und die Ja-Stimmer sich dann doch quer legen, wenns konkret wird, dann braucht sich niemand wundern, wenn der Pfarrer reissaus nimmt. Wobei: Ich kenne Mario Hübscher persönlich und kann mir nicht vorstellen, dass es ihm bei den normalen Leuten in der Pfarrei an Akzeptanz fehlt. Ich vermute eher, dass die diversen Unter-Häuptlinge, die im Pfarreigebiet wirken, aus Angst um ihre eigenen wie auch immer beschaffenen Pfründe mehr oder weniger aktiv gebremst haben.

    Wobei für den normalen Kirchgänger die Perspektive eine andere ist, als für den Pfarrer. Dass dieser in der Pfarrei die Gemeinschaft pflegen will, ist nachvollziehbar, da sein Job. Ich geh aber nicht wegen dem sozialen Event in die Kirche, oder weil ich andern Menschen eine Freude machen will, sondern für mich selber, um Einkehr zu halten und ehrlich gesagt ist mir die hübsche und original-gotische St.-Oswald-Kirche lieber als die riesige neo-irgendwas Kirche Sankt Michael.

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