Zug ist Drehscheibe für Heroinhandel

Drogenring in Zug ausgehoben

Dutzende Kilogramm Heroin stellte die Zuger Polizei sicher. (Bild: zentral+)

Die Zuger Polizei hat nach zwei Jahren Ermittlung einen Drogenring ausgehoben und 15 Personen festgenommen. Es stellt sich heraus: Zug ist eine Drehscheibe für den schweizweiten Heroinhandel. Die Masche war einfach. Und die Schmuggler dreist.

Die Kameraleute trauen sich nicht ganz an den Tisch heran, auf dem die 55 Kilogramm Heroin gestapelt sind. Zwei Polizisten mit automatischen Waffen und schwarzer Kopfhaube stehen im Weg und verbreiten in Zug einen Hauch von der Brutalität, die in anderen Ländern zum traurigen Alltag gehört. «Wir wären froh, wenn am Ende der Pressekonferenz alle Heroin-Blöcke noch da wären», sagt Polizeisprecher Marcel Schlatter zu den versammelten Journalisten, nicht ohne Stolz. «Deshalb bitten wir sie, den Tisch nicht zu berühren.»

Es ist die grösste Ermittlung in Sachen Betäubungsmittel, die die Zuger Polizei je durchgeführt hat. Auf dem Tisch liegt das Resultat von zwei Jahren Ermittlungsarbeit, internationaler Vernetzung und grosser Vorbereitung. 15 Menschen wurden in der Aktion «Hamburg» verhaftet, weil sie verdächtigt werden, in Zug einen international tätigen Drogenring aufgebaut zu haben. Mit dem Ziel, Heroin in der ganzen Schweiz zu verkaufen.

Die Masche war einfach

Elf von ihnen wohnen im Kanton Zug, gehen hier einer Arbeit nach, einige sind arbeitslos, einer bezieht eine Invalidenrente. Und auch die Nationalitäten sind unterschiedlich: Elf Türken, zwei Schweizer türkischer Herkunft, ein Niederländer, ein Iraker. Die Masche war einfach. «Die Verhafteten benutzten die Sommerferien in der Türkei, um Heroin in die Schweiz zu schmuggeln», sagt Thomas Armbruster, Chef der Zuger Kriminalpolizei. «Sie hatten Frauen und Kinder als Tarnung dabei, die davon nichts gewusst haben.»

Sehr reines Heroin

2012 wurde die Ermittlungsktion «Hamburg» ins Leben gerufen, eine Sonderkommission gebildet. Sie hat zusammen mit Expertenteams in mehreren Aktionen Verdächtige verhaftet und Drogen beschlagnahmt. «Meistens ohne Widerstand», sagt Armbruster. 20 Wohnungen wurden durchsucht, jede Verhaftung zwei Monate lang vorbereitet. Es ist sehr reines Heroin, das da auf dem Tisch liegt, zwischen 40 und 60 Prozent, wahrscheinlich aus Afghanistan.

Ohne Zwischenhändler, ins Auto gepackt, auf die Fähre nach Italien, über die Grenze, durch den Gotthard, schon da. Und dann hätte der Ring aus den beschlagnahmten 55 Kilogramm Heroin 330 Kilogramm gestrecktes Heroin für den Verkauf auf der Strasse herstellen können. Mit einem Marktwert von zehn Millionen Franken.

Heroin einfach im Koffer

Und hat das auch gemacht. «Es geht um sehr sehr viel Geld», sagt Staatsanwalt Christoph Winkler, der leitende Oberstaatsanwalt. Dabei gingen die Schmuggler mal subtil vor, und manchmal schlicht dreist. «Die Grenzpolizei hat bei einem gefassten Auto fünf Stunden darauf verwendet, ans versteckte Heroin zu gelangen», sagt Armbruster. In einem Fahrzeug, das in Cham festgehalten wurde, lagen die Heroinblöcke dafür einfach in einem Koffer.

«Man muss sich vorstellen, sie sind damit Ende Sommerferien in die Schweiz gefahren, dann wenn die Schlangen am Zoll so lange sind, dass die Möglichkeit, erwischt zu werden, extrem klein ist.» Da lohne es sich nicht, viel ins Verstecken zu investieren, so Armbruster.

«Es braucht wohl Zeit, bis sich die Organisation erholen kann.»

Christoph Winkler, Staatsanwalt

Wie lange dieser Drogenring funktioniert hat, weiss die Polizei noch nicht. Es muss zumindest eine Zeit lang gut geklappt haben. Die Hinweise für die Aufdeckung des Drogenrings kamen aus Hamburg, aber auch aus Nachbarkantonen. Und ob die Zerschlagung Auswirkungen auf den Drogenhandel in der Schweiz hat? «Wir hoffen, dass wir damit den Drogenhandel nachhaltig geschwächt haben», sagt Staatsanwalt Winkler. «Es braucht wohl eine Zeit, bis sich diese Organisation erholen kann. Wir haben Führungsfiguren festgenommen.»

Dreien von ihnen drohen bis zu zehn Jahre Haft. Einer ist bereits bestraft, drei auf freiem Fuss, zehn befinden sich in Untersuchungshaft. Bei einer Person wurde die Untersuchung abgebrochen. «Man darf sich aber auch keine Illusionen machen. Da gibt es genug andere Organisationen, die die Schweiz weiter mit Drogen beliefern», sagt Winkler. Immerhin, als die Polizei bei einer Hausdurchsuchung 30 Kilogramm Heroin aufs Mal beschlagnahmt hatte, warf das Wellen im Heroinmarkt: «Die Preise sind in gewissen Regionen gestiegen», sagt Winkler.

Schmuggler in der Schweiz nicht integriert

Weshalb die Verdächtigten den Ring aufgebaut haben, und warum gerade in Zug, ist noch nicht klar. «Zug war vielleicht ein Rückzugsort», sagt Armbruster, «möglicherweise sind sie davon ausgegangen, dass die Polizei in Zug nicht so stark ermittelt.» Über die Beweggründe der Täter kann die Polizei noch keine Aussagen machen. «Man kann sagen, dass sie hier nicht in Saus und Braus gelebt haben», sagt Armbruster. «Ob das Tarnung war oder nicht, ist uns noch nicht bekannt. Auf jeden Fall waren sie hier nicht integriert, hatten nur untereinander Kontakt.»

Der Chef der Kriminalpolizei Zug sagt: «Es ist wahrscheinlich halb halb. Bei einigen ist der Job hier wohl nur vorgetäuscht. Einige der Verdächtigen sind aber auch hoch verschuldet und haben sich mit dem Drogenhandel finanziert.» Ein Teil von ihnen stammt aus einer Region in der Türkei, in welcher der Drogenhandel grassiert.

Die Polizei erhofft sich, von den Ermittlungen auch Anknüpfungspunkte zu anderen Drogenringen zu finden. «Die Verdächtigen sind in der Schweiz und im Ausland sehr gut vernetzt, haben viele Kontakte. Es hat viel Arbeit gebraucht, um diese Netzwerke herauszuarbeiten», sagt Armbruster. «Wir sind in der Ermittlungsarbeit auch an die Grenzen unserer Kapazitäten gekommen», ergänzt Staatsanwalt Winkler. «Aber die Zusammenarbeit hat sehr gut funktioniert, international wie interkantonal.» Der letzte Verdächtige wurde vor einer Woche in Italien per internationalem Haftbefehl festgenommen und an die Schweiz ausgeliefert.

«Crime doesn’t pay»

Die 55 Kilogramm Heroin werden nun durch den Kantonschemiker verbrannt. Die Vermögenswerte der Beschuldigten möchte die Staatsanwaltschaft einziehen. «Verbrechen soll sich nicht lohnen, nach dem Motto, ‹crime doesn’t pay›», sagt Winkler. 75’000 Franken Bargeld konnte die Polizei beschlagnahmen, plus zwölf Fahrzeuge und zwei Waffen mit Munition. Die Fahrzeuge verkauft die Polizei. Und es gibt auch schon ein Gesuch um Rechtshilfe in der Türkei, sie soll zwei Grundstücke beschlagnahmen, fordert die Zuger Polizei. «Ob das Erfolg haben wird, ist aber noch nicht klar.» Den Erlös aus diesen Beschlagnahmungen soll schlussendlich ins Staatsvermögen des Kantons Zug überführt werden.

Polizei und Staatsanwaltschaft ist die Freude über den Coup anzusehen. «Wir sind glücklich, dass wir diesen Drogenring aufdecken konnten», sagt Winkler. «Es zeigt, dass der kleine Kanton Zug in der Lage ist, komplexe und internationale Verfahren zu bewältigen und zu koordinieren.»

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