Glasfaser-Anschlüsse im Neubau

«Bewohner haben keine Wahlfreiheit»

Glasfaserkabel versprechen breitbandiges Internet. Dass nun in einem Neubau ausschliesslich Glasfaser verlegt wurde, ist «Swisscable» ein Dorn im Auge.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

In Rotkreuz an der Lindenmatt wurden Wohnungen ausschliesslich mit Glasfaser ausgestattet. Der Verband der Schweizer Kabelnetze «Swisscable» ist damit nicht einverstanden. Und plädiert für die Wahlfreiheit der Mieter bezüglich des Anbieters.

Eine Technologie, die vielversprechend ist: Mit Glasfaser sollen laut Swisscom, die den Bau von Glasfasernetzen an vorderster Front vorantreibt, Download-Geschwindigkeiten von einem Gigabit pro Sekunde möglich werden. Den technologisierten Haushalten soll so der steigende Durst nach der Nutzung multimedialer Inhalte gestillt werden.

Neben Glasfaser ist noch in mehr als 80 Prozent der Haushalte ein Kabelnetz vorhanden. Allerdings ist es ein Auslaufmodell. Das Glasfasernetz, auch FTTH-Netz (fibre-to-the-home) genannt, hingegen zukunftsweisend. Dies geht gar soweit, dass Bauherren bei Neubauten auf Buchsen für das Kabelnetz ganz verzichten. So geschehen im Lindenmatt-Quartier in Rotkreuz, wie «blick.ch» berichtete, wo die Wohnungen ausschliesslich mit Glasfaseranschlüssen ausgestattet wurden.

Dass darunter jedoch die Wahlfreiheit der Mieter bezüglich des Internet-Anbieters leidet, stösst «Swisscable» sauer auf. «Es ist ganz und gar nicht in unserem Sinn, dass in Neubauten vermehrt auf Kabelanschlüsse verzichtet wird», erklärt Sandra Ritz von Swisscable. Als Verband der Schweizer Kabelnetze, der 220 Mitglieder zählt, sei es ihr Anliegen, dass die Hausbewohner Wahlfreiheit hätten.

Höhere Kosten für Glasfaser

Roland Roth von der Hausherr Immobilien AG, Verwalterin der Liegenschaften in besagtem Quartier, erklärt auf Anfrage: «Wir haben die Wohnungen mit Glasfaser von Swisscom verbaut.» Weshalb ganz auf Kabelanschlüsse verzichtet wurde, kann Roland Roth nicht beantworten. Er versichert, dass der Verzicht auf konventionelle Kabeldosen nicht aus Kostengründen erfolgt sei. Ganz im Gegenteil: «Die Investitionskosten für Glasfaseranschlüsse waren sogar etwas höher», so Roland Roth.

Glasfaser als Grundversorgung

In eine moderne Wohnung führen heute grundsätzlich drei verschiedene Leitungen. Einerseits ist es das Kupferkabel, das in eine Telefonsteckdose führt. Andererseits gibt es das Koaxialkabel von Cablecom und lokalen TV-Kabelanbietern. Dieses führt in eine Steckdose mit drei Anschlüssen: Je einer für Fernsehen, einer für Kabelradio und einer für Internet und Telefon. Zuletzt gibt es noch das Glasfasernetz, auch FTTH-Netz genannt, das breitbandiges, also schnelleres, Internet verspricht.

Seit 2008 ist der breitbandige Internetzugang als Service Public definiert. Denn dieser wurde als öffentlicher Dienst in den gesetzlich geregelten Leistungskatalog der Grundversorgung aufgenommen. Die Swisscom verlegt daher gemeinsam mit lokalen Elektrizitätswerken Glasfasernetze. Bis Ende August hat Swisscom gemeinsam mit der Versorgerin ewl 47’000 Wohnungen mit Glasfaser erschlossen. In Zug ist die Swisscom alleine dafür zuständig und hat dort rund 15’000 Wohnungen erschlossen.

Kein Zugang zu Diensten des lokalen Kabelnetzes

Ritz verweist zudem auf die vielfältige Nutzung der Kabelbuchse: «Die Kabeldose ist eine Multimediadose», so Ritz, «und bietet neben schnellem Internet unter anderem auch Festnetztelefonie, Radio und Digital-Fernsehen». Wenn also nur noch Glasfaser zur Verfügung gestellt wird, habe die Mieterschaft so keinen Zugang zu den Diensten des lokalen Kabelnetzes, wie Telefonie und Fernsehen via Kabel, aber auch weitere Dienste, wie beispielsweise Filme und Sendungen auf Abruf. «Das ist eine grosse Beeinträchtigung», erklärt Ritz.

Die Swisscom andererseits betont, dass sie als einzige Anbieterin auch Liegenschaften in abgelegenen Gebieten mit der festgelegten Mindestbandbreite von einem Megabit pro Sekunde verbinde. «Wir nehmen den Grundversorgungsauftrag sehr ernst», erklärt Sprecher Olaf Schulze. Schlussendlich entscheide der Hauseigentümer, welche Infrastruktur zu seinem Haus verlegt werde. «Wenn ein Besitzer ausdrücklich auf das Kabelnetz verzichtet, ist das ein Entscheid, auf den Swisscom keinen Einfluss hat.»

Cablecom-Sprecher Marc Maurer sieht sein Unternehmen, dessen Angebote über das Kabelnetz zu empfangen sind, durch den Verzicht auf den Einbau eines Kabelnetzes nicht unbedingt benachteiligt. «Vielmehr ist dies primär gegenüber den Kunden unfair. Die Wahlfreiheit wird klar eingeschränkt.» Der Kunde soll selbst entscheiden können, welchen Anbieter und welche Produkte er wählen möchte, so Maurer.

«Für uns ist das neu»

Eine Pionier-Situation also für die Liegenschaft Lindenmatt. Denn in den Kantonen Luzern und Zug sind momentan keine weiteren Fälle bekannt. Beat Wicki, Geschäftsleiter des Mieterverbandes Luzern, sagt auf Anfrage: «Das war bisher nie ein Thema.» Auch Robert Küng vom kantonalen Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement hört davon zum ersten Mal.

Genügt nun der Einbau einer der beiden Netzinfrastrukturen bei Neubauten? «Nein», antwortet Matthias Lüscher, PR-Leiter bei Swisscable, in einem Artikel in der «immobilia». Wenn man den Mietern Wahlfreiheit ermöglichen, den Wert der Liegenschaft steigern und den Wettbewerb unter den Netzbetreibern fördern wolle, sei der Anschluss beider Netze sinnvoll. «Die freie Wahl zwischen den Angeboten der verschiedenen Anbieter ist im Markt für Eigentums- und Mietwohnungen ein nicht zu unterschätzender Mehrwert und Wettbewerbsvorteil.»

«Wer auf einen Kabelanschluss verzichtet, verzichtet auch auf ein Stück Service Public»

Sandra Ritz von «Swisscable»

Letztendlich sind die Kabelnetzbetreiber digitale Grundversorger und leisten einen erheblichen Beitrag an den Service Public. «Diese stellen sicher, dass Breitbandinternet bis zu 250 Megabit pro Sekunde in rund 2,7 Millionen Haushalten flächendeckend verfügbar ist», erklärt Sandra Ritz. «Wer also auf einen Kabelanschluss verzichtet, verzichtet damit auch auf ein Stück Service Public.»

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