Post vom Bundesrat

Was soll ich mit Jodtabletten?

Bei einem AKW-Unfall soll eine Schachtel mit 12 Jodtabletten helfen. (Bild: kaliumiodid.ch)

Viele Luzerner und Zuger erhalten in den nächsten Tagen ungewöhnliche Post. Vom Bundesrat persönlich: Zwölf Jodtabletten. Aber wofür sind diese gut? Klar zum Schutz, wenn bei einem Super-GAU in den Kernkraftwerken Gösgen oder Beznau Radioaktivität zu uns entfleucht. Und sonst? Hier die Antworten auf die zehn wichtigsten Fragen – nicht ganz ernst zu nehmen, wohlbemerkt.

Zuerst mal, keine Panik! Es handelt sich bei diesem komischen Postpäckli, das in den nächsten Tagen im Briefkasten landen wird, nur um eine «vorsorgliche Schutzmassnahme» des Bundes. Eine Schachtel mit zwölf Jodtabletten. Sie werden in alle nördlich gelegenen Luzerner und Zuger Haushalte verteilt. Was das Ganze soll? Die Einnahme des «Kaliumiodid 65 AApot» kann verhindern, dass bei einer atomaren Katastrophe radioaktives Jod aus der Umgebung in unsere Schilddrüse gelangt. Es ist nur eine Vorsichtsmassnahme. Nützlich bei einem «Störfall» in den Kernkraftwerken Gösgen oder Beznau. Soweit kein Grund zur Beunruhigung. Kein Problem soweit. Aber was stelle ich mit dieser Schachtel jetzt an?

Für uns, für viele Luzerner oder Zuger, ist der Umgang mit diesen neuen Tabletten ungewohnt. Während zum Beispiel Aargauer schon seit Jahren wissen, was bei einem kräftigen «Wumms» in Gösgen zu tun ist, können wir, Bewohnerinnen von Luzern und Zug, noch nicht so Recht mit der neuen Situation umgehen. Wohin mit dem Zeug? Hoffentlich braucht man die Tabletten nie. Und wenn doch: Wie finde ich sie schnell wieder? Darf man mal eine probieren, aus reiner Neugier? Fragen über Fragen. Wir beantworten für Sie die wichtigsten. Und Achtung: Wir nehmen es mit dem «Ernstfall» nicht so ernst. 

1. Warum jetzt? 

Das ist die erste, wichtigste und grundlegendste Frage für den Moment. Folgendes: Die Jodtabletten werden alle zehn Jahre an die Bevölkerung verteilt. Im Januar 2014 hat der Bundesrat per Verordnung die Verteilung der Jodtabletten rund um die Schweizer Kernkraftwerke ausgeweitet (dies nach der Katastrophe in Fukushima). Aus 20 Kilometern Umkreis wurden 50. Jetzt erhalten nicht nur die Aargauer, sonder auch alle nördlich gelegenen Zuger und Luzerner Gemeinden «Kaliumiodid 65 AApot». Aber warum hat der Bundesrat netterweise nicht schon vor zehn Jahren an uns gedacht? Egal. Wir Zentralschweizer betrachten die Erweiterung als aufmerksame Geste. Vielen Dank. 

2. Was mache ich mit dem Zeug? 

Was ist «Kaliumiodid 65 AApot»?

Im Sinne der Seriosität und wirklich komplett humorfrei: Jodtabletten (Kaliumiodid 65 AApot) verhindern die Aufnahme von radioaktivem Jod in die Schilddrüse, sofern sie rechtzeitig eingenommen werden. Bei einem Kernkraft-Störfall kann radioaktives Jod in die Umgebung austreten. Dieses wird vom Menschen durch die Atemluft aufgenommen und reichert sich in der Schilddrüse an. Das Spurenelement Jod ist der wichtigste Baustein für die Schilddrüse, der Motor, der die Stoffwechselprozesse ins Rollen bringt.

Die Verteilung an die rund 4,9 Mio. Einwohnerinnen und Einwohner im Verteilgebiet findet zwischen Ende Oktober und Ende November 2014 statt. Im ersten Quartal 2015 folgt die Verteilung an die Betriebe und öffentlichen Einrichtungen. Kurz vor der Neuverteilung erhalten alle betroffenen Haushalte ein Informationsblatt.

Auf jeden Fall nicht wegwerfen! Klar haben wir das Päckli nicht bestellt, aber zurückschicken kann man es nicht. Das funktioniert nicht wie bei Zalando oder Amazon. Es ist kein Werbegeschenk von Atomgegnern oder so, sondern es handelt sich um staubtrockene Bürgerpflicht. Aber wenn Sie partout keine Jodtabletten im Haus haben wollen, nimmt sie jede Apotheke in ihrer Nähe gerne zur Entsorgung entgegen. 

Ansonsten legt man die Packung am besten irgendwo hin, wo man sie während den nächsten zehn Jahre sicher wieder findet. Männer zum Beispiel griffbereit neben den Rasierapparat, Frauen neben die Hautcrème. Am besten legen Sie den Informations-Flyer des Bundes mit dazu. Da stehen alle wichtigen Informationen drauf, was bei einem «Störfall» zu tun ist.

3. Wie schmecken die Tabletten? 

Auf der Zunge schmecken sie nach nichts und doch unangenehm, beissend bis ätzend. Das sagt Tony Henzen, verantwortlicher Koordinator für die Verteilaktion des Bundes. Allerdings hat Henzen diese Information wiederum von einer anderen Person erhalten. Er selber habe: «Nie eine eingeworfen.» Nehme man aber eine ein, habe das in der Regel wenig bis keinen Einfluss auf die Gesundheit. Nebenwirkungen sind keine zu erwarten. Bitte lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.

Von offizieller Seite her wird nicht empfohlen, eine zu essen. Und schon gar nicht, wenn man Probleme mit der Schilddrüse hat. Streng verboten wird es nicht, obwohl der Hinweis «Einnahme nur auf Anordnung der Behörden» auf der Packung sehr strikt klingt. Etwa wie «Hände weg, das ist ein Befehl!». Zutreffender und nicht weniger korrekt ist: «Eine Einnahme von Jodtabletten ohne behördliche Aufforderung ist zu vermeiden.» Das klingt ein wenig offener.  

 

Viele Luzerner und Zuger Gemeinden sind im Umkreis der AKW's Gösgen und Leibstadt.

Viele Luzerner und Zuger Gemeinden sind im Umkreis der AKW’s Gösgen und Leibstadt.

(Bild: kaliumiodid.ch)

4. Helfen die Tabletten bei Jodmangel?

Absolut. Jod ist ein wichtiger Nährstoff und kann vieles bewirken. Sie warten zum Beispiel auf den Storch und werden trotz aller Bemühungen nicht schwanger? Sie frieren ständig und schleppen sich von einem Infekt zum nächsten? Ihre Haut ist so schuppig, dass Sie einem Fisch Konkurrenz machen könnten? Hinter solchen Beschwerden könnte Jodmangel stecken. In allen drei Fällen lohnt es sich, beim Arzt die Schilddrüsenwerte checken zu lassen. Lassen Sie sich auch reichlich mit Jod ausrüsten. Die Vorrats-Tabletten des Bundes sind hingegen nur für den nuklearen Ernstfall gedacht. Nicht für’s Kinderzeugen.

5. Kann ich die Tabletten als Badesalz verwenden?

Das sollte nicht verwechselt werden: Der Inhaltsstoff «Jod» ist in der Regel dem Speisesalz zugemischt, weil jeder Mensch Jod für den Stoffwechsel braucht. Mit dem «Salz im Bade» hat aber das «Salz in der Speise» rein gar nichts zu tun. Und wie ein Test zeigt, schäumt und riecht Jod nicht, weder nach Veilchen noch nach Eukalyptus. Die Tabletten sind also Langweiler in der Badewanne. Als Badezusatz taugen sie nichts.

6. Ich dachte, die Kernkraftwerke werden bald abgeschaltet?

Eine etwas naive, aber eine berechtigte Frage. Schalten Sie mal zuerst im Hintergrund den Tumbler und den Wasserkocher aus und bestellen Sie bei ihrem Stromanbieter nachhaltige Energie. Nun die Erklärung: Die Laufzeiten der fünf Kernkraftwerke in der Schweiz sind noch «Gegenstand der politischen Diskussion». Das kann also noch ein Weilchen dauern. Überdies besteht nach einer tatsächlichen Abschaltung – in der Phase des Rückbaus – weiterhin das Risiko einer radioaktiven Belastung bei einem Kernkraft-Störfall. Sie werden also nicht drum herum kommen, die Tabletten irgendwo aufzubewahren. Regeln Sie am besten gleich in ihrem Testament, was mit den Tabletten passiert. Zur Sicherheit für Ihre Nachkommen.

7. Was mache ich im «Störfall»?

Das Wichtigste ist bei einem Super-GAU: Nicht in Panik geraten. Denn es ist sowieso schon zu spät. Die Jodtabletten helfen nur ein bisschen, sie schützen nicht vor direkter radioaktiver Strahlung. Es lohnt sich also gar nicht mehr, nervös zu werden. Also: Einwerfen und wenigstens die Schilddrüse retten.

8. Wie öffne ich die Packung?

Auch hier heisst es in erster Linie: Nerven behalten. Die kindersichere Verpackung kann bestimmt irgendwie geöffnet werden. Eine ausführliche Beschreibung, wie die Tabletten herauszulösen sind, befindet sich in der Packung. Da muss man zuerst die Nippel durch die Lasche zieh’n, dann mit dem Finger ganz nach oben dreh’n … . Wer kennt das nicht? 

9. Wie viele Tabletten muss ich einnehmen? 

Das kommt ganz auf die «Strahlensituation» an. Kaufen Sie sich vorsichtshalber einen Geigerzähler. Je mehr dieser surrt, desto mehr Tabletten dürfen Sie einnehmen. Und falls Sie keinen Geigerzähler haben: Die zuständigen Behörden informieren Sie über die weitere Einnahme. Am besten aufmerksam die Medien verfolgen (zentral+ wird live aus dem Luftschutzbunker informieren – in diesem Falle seriös, versprochen). 

10. Was soll ich nachher tun?

Falls es möglich ist, und Sie vom Arbeitgeber in dieser «speziellen Situation» ein paar Tage frei bekommen, können Sie schon mal die Koffer packen und in Richtung Tessin aufbrechen. Der Schweizer Süden ist frei von Kernkraftwerken. Unbedingt Staumeldungen beachten. Vergessen Sie nicht, das restliche Jod den zurückbleibenden Nachbarn, den Hasen oder Wellensittichen zu geben. 

Wir hoffen, mit diesem kurzen Ratgeber sind alle Fragen, die nicht auf den Informationen des Bundes stehen, geklärt. Gehen Sie mit den Tabletten um, wie Sie wollen – Hauptsache sorgsam. Für alles Weitere: kaliumiodid.ch

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Tony Henzen ATAG
    Tony Henzen ATAG, 16.10.2014, 07:39 Uhr

    Wir freuen uns, dass Sie dem Thema Jodtabletten in Ihrer Berichterstattung Platz einräumen und das ernste Thema mit Augenzwinkern behandeln. Aber Vorsicht, ein wichtiger Hinweis von unserer Seite zum Punkt 4 «Helfen die Tabletten bei Jodmangel»: Kaliumiodid 65 AApot sind hochdosierte Jodtabletten, die nicht zur Therapie des Jodmangels geeignet sind. Vielleicht können Sie das in Ihrem Bericht noch etwas deutlicher hervorheben, damit tatsächlich niemand auf die Idee kommt, in ‹Eigentherapie› etwas gegen einen (allfälligen) Jodmangel zu unternehmen.

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