Kindes- und Erwachsenenschutz

Beistände stehen zwischen den Fronten

Im Zuger Mandatszentrum arbeiten acht Berufsbeistände. Die meisten betreuen um die 60 Fälle. (Bild: zvg)

Bei den gegenwärtigen Arbeitsbedingungen bleibt für die persönliche Beziehungspflege mit Betroffenen nur noch wenig Zeit, sagen zwei Zuger Berufsbeistände. Im Gespräch beschreiben sie die alltäglichen Herausforderungen und Widerstände ihres Berufs.

Berufsbeistände sind für den Vollzug der von der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) angeordneten Massnahmen zuständig. Damit stehen sie zwischen den Behörden und den Betroffenen – eine unbequeme und herausfordernde Situation. Sind hilfsbedürftige Personen mit Entscheiden der KESB nicht einverstanden, werden trotzdem die Beistände direkt damit konfrontiert.

Einen Beistand erhält, wer zum Beispiel an einer geistigen Behinderung, einer psychischen Störung, an einer schweren Krankheit oder Altersschwäche leidet, dement oder süchtig ist und einen Unterstützungsbedarf aufweist. Auch bei einer vorübergehenden Urteilsunfähigkeit wie etwa nach einem Unfall kann eine Beistandschaft eingerichtet werden.

Berufsbeistände unterstützen die hilfsbedürftigen Personen nur dort, wo diese tatsächlich aufgrund der Abklärungen der KESB Unterstützung brauchen.

Im Scheinwerferlicht

Zahl der angeordneten Massnahmen steigt weiter

Ende Juli bestanden im Zuger Kindes- und Erwachsenenschutz 1'168 Massnahmen. Die Mehrheit der Mandate führen private Mandatsträger (474) und das Mandatszentrum in Zug (426). Dazu kommen Kindesschutzmandate der Fachstelle punkto Jugend und Kind Zug (195) und der Kinder- und Jugendberatung Zug (73). Damit bewegt sich die Zahl angeordneter Massnahmen bereits Mitte Jahr auf dem Niveau von Ende 2012. Alleine in den ersten sechs Monaten übernahm das Zuger Mandatszentrum den Vollzug von 31 neuen Massnahmen.

Das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht gilt seit Januar 2013. Die mit der Gesetzesrevision verbundenen Umstellungen in den Verwaltungen von Gemeinden und Kantonen sorgte für einigen medialen Wirbel. Es hiess, die Behörden seien überfordert, die hilfsbedürftigen Personen kämen zu kurz. Die zuständigen Ämter baten die Öffentlichkeit derweil um etwas Geduld. Die Fachkräfte müssten sich zuerst in die Dossiers einarbeiten und sich an die neuen Strukturen anpassen.

Zum Team der acht Berufsbeistände im Zuger Mandatszentrum gehören auch die 57-jährige Sabine* und Franziska*, 28 Jahre alt. Beide verfügen über eine abgeschlossene Fachhochschulausbildung in Sozialer Arbeit. Dazu kommen Weiterbildungen im Bereich der Mandatsführung.

Die beiden Berufsbeiständinnen erleben ihren Beruf als sehr vielseitig. Franziska erwähnt die täglichen Herausforderungen: «Jeder Tag bringt etwas Neues. Ein Klient hat vielleicht eine Krise. Unabsehbare Ereignisse verlangen von uns eine grosse Flexibilität. Wir sind mit allerlei Menschen konfrontiert, von 3- bis zu 93-Jährigen.»

Widerständen ausgesetzt

Klar, dass sich in diesem Tätigkeitsbereich auch Schwierigkeiten ergeben. Widerstände würden vor allem zu Beginn einer neu angeordneten Massnahme auftreten. «Die Betroffenen merken in der Regel aber schnell, dass wir ihre Interessenvertreter sind, lediglich die Entscheide der KESB umsetzen und mit ihnen zusammen arbeiten. Das ist unser Auftrag», sagt Sabine.

«Wir setzen lediglich die Entscheide der KESB um und arbeiten mit den Betroffenen zusammen. Das merken sie in der Regel aber schnell.»

Sabine*, Berufsbeiständin

Dass die Entscheidungsgewalt bei der KESB liege, entlaste ihre Arbeit, fügt  ihre Kollegin Franziska an. «Es liegt in der Natur der Sache, dass wir teilweise auch mit Widerständen konfrontiert sind», so die Berufsbeiständin weiter.

Beschwerden beim Verwaltungsgericht

Kommt es hart auf hart, können sich die von angeordneten Massnahmen betroffenen Personen im Kanton Zug mit einer Beschwerde direkt ans Verwaltungsgericht wenden oder Anträge bei der KESB stellen.

Ist das für die Berufsbeistände, die genau dazwischen stehen, eine ungemütliche Situation? Sabine und Franziska geben sich betont gelassen: «Ich nehme eine Beschwerde nicht persönlich», sagt Sabine. Und Franziska sagt, sie betrachte dies sogar als Chance, denn die KESB sei verpflichtet, auf eine Beschwerde zu reagieren und die Gesamtsituation des Betroffenen neu zu überprüfen. Das sei durchaus zum Vorteil aller.

Angehörige fühlen sich manchmal ausgegrenzt

Dass sich mit den Berufsbeiständen Unbekannte in das Leben einer hilfsbedürftigen Person einmischen und mitentscheiden, wird in deren sozialem Umfeld nicht immer wohlwollend entgegen genommen. «Wir müssen uns an Persönlichkeits- und Datenschutz halten. Dadurch können sich Angehörige ausgegrenzt fühlen», sagt Sabine. Das verlange von den Berufsbeiständen viel Fingerspitzengefühl in ihrer vermittelnden Tätigkeit.

«Für Familienmitglieder ist es jeweils keine einfache Situation. Sie betreuten die betroffene Person über Jahre. Dann kommt ein Berufsbeistand und plötzlich wissen sie nicht mehr über alles Bescheid», so Franziska und erwähnt gleich im Anschluss die hohen, an Beistände gerichteten Erwartungen. «Wir sollten alle Probleme lösen», dieser Haltung begegne sie oft. Diese sei mit der Hoffnung verbunden, dass Beistände alles zum Positiven verändern würden. «Das führt immer wieder zu Enttäuschungen», weiss Franziska aus eigener Erfahrung.

Sabine ergänzt, dass Personen aus dem sozialen Umfeld gerne Ratschläge geben würden. Da müsste sie als professionelle Mandatsträgerin kommunikativ und kooperativ agieren, aber auch klar Grenzen aufzeigen können. «Im Allgemeinen finden wir einen Konsens», so die 57-Jährige.

«Angehörige können dem Wohl einer betroffenen Person aber auch schaden.»

Franziska*, Berufsbeiständin

Bei Kindern verhalte es sich jedoch etwas anders als bei Erwachsenen: «Die Eltern sind immer Experten, wenn es um ihre Kinder geht. Ich masse mir nicht an, dass ich es in diesen Fällen besser weiss, sagt eine der beiden Mandatsträgerinnen.

Die Einschätzung der Angehörigen beziehe sie aber in jedem Fall mit ein. Das sei ihr wichtig und ein Zeichen dafür, dass sie die Angehörigen ernst nehme. «Angehörige können dem Wohl einer betroffenen Person aber auch schaden», fügt Franziska einschränkend an. Dann könnte unter Umständen ein Kontaktverbot zum Thema werden.

Arbeitsaufwand ist gestiegen

Seit der Gesetzesrevision ordnet die KESB neu individuell zugeschnittene Massnahmen für jede hilfsbedürftige Person an. Dies erfordert von der KESB detaillierte Fach- und Dossierkenntnisse, eine sorgfältige Situationsanalyse, eine fachliche Diagnose der betroffenen Person sowie eine Umschreibung des Auftrags für die Mandatsträgerinnen und Mandatsträger. Besonders die umfangreichen Abklärungen und Begründungen führen zu einem erhöhten Arbeitsaufwand, der seither auch in den Medien regelmässig thematisiert wurde.

«Ja, die Anforderungen an Beistände sind gestiegen», unterstreichen die beiden professionellen Mandatsträgerinnen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was das neue Gesetz gemäss den Beiständen für Auswirkungen auf ihre Klienten hat.

Weniger Zeit für Klienten

Das neue Gesetz sieht weiter vor, dass neben den professionellen Beiständen auch private Mandatsträgerinnen und -träger den Vollzug von Massnahmen übernehmen können. Sie erhalten in der Regel weniger komplexe Mandate (siehe Box).

Können auch private Beistände den hohen Anforderungen an die Mandatsführung genügen? Die beiden Berufsbeistände sind sich sicher, dass das möglich ist. Dass zum Beispiel Angehörige private Mandate übernehmen können, erachten Sabine und Franziska als entscheidend, denn es ermögliche eine persönlichere Betreuung, als diejenige, die sie als Berufsbeistände anbieten könnten.

Es sei jedoch wichtig, dass die Privaten Mandatspersonen von der KESB begleitet und bei Bedarf geschult würden, meinen die Berufsbeiständinnen weiter. Dafür benötigte Ressourcen wurden bei der Planung des neuen Amtes jedoch unterschätzt. In der Zwischenzeit setzte der Kanton allerdings verschiedene Massnahmen zur Verbesserung (Seiten 6 und 7) der Situation um.

Dass die Zeit für die persönliche Beziehungspflege bei den Berufsbeiständen sehr knapp ist, bedauern Sabine und Franziska. «Zur Vertrauensbildung ist der persönliche Kontakt zu den Klienten wichtig», sagen sie einstimmig.

«Case-Managerinnen»

Aufgrund der zur Verfügung stehenden Personalressourcen habe der Termindruck aber seit der Gesetzesänderung spürbar zugenommen. Sie hätten weniger Zeit, um selber Beziehungen zu ihren Klienten zu pflegen. Die fortlaufende Dokumentation aller Arbeiten habe ebenfalls zugenommen. Allgemein habe sich die Arbeit, mit Ausnahme der beschriebenen Verlagerung, aber wenig verändert. Dass die KESB neu von Juristen dominiert würde, können die beiden nicht bestätigen. Die KESB sei von Gesetzes wegen eine interdisziplinäre Behörde.

«Zur Vertrauensbildung ist der persönliche Kontakt zu den Klienten wichtig.»

Sabine* und Franziska*, Berufsbeiständinnen

Die beiden Berufsbeiständinnen bezeichnen sich jetzt als «Case-Managerinnen», welche vor allem die Koordination eines Mandates übernehmen.
Sabine sagt zudem, die ganze Berichterstattung für die Mandatsführung sei heute «formalistischer und umfangreicher». «Das bedeutet Mehraufwand, ermöglicht aber auf der anderen Seite nachvollziehbare und überprüfbare Schritte innerhalb einer angeordneten Massnahme. Gleichzeitig gibt mir der gesetzliche Rahmen Sicherheit in meinem beruflichen Alltag», erklärt die Berufsbeiständin.

«Nicht alle Massnahmen funktionieren auf Anhieb»

In der Kritik stand zuletzt oft die Führung einzelner Mandate. Beiständen wurde eigenmächtiges Handeln vorgeworfen, das nicht im Interesse der hilfsbedürftigen Personen erfolgt sei. Mit dieser direkten Kritik an der Arbeit der Berufsbeistände sind auch die Mitarbeitenden des Zuger Mandatszentrums konfrontiert. «Nicht alle Massnahmen funktionieren auf Anhieb», sagt Sabine und Franziska fügt an, die Behörden dürften den Willen einer hilfsbedürftigen Person nicht blockieren, im Gegenteil: «Der Wille und die Selbstbestimmung einer Person ist sehr zentral und muss respektiert werden.»

«Der Wille und die Selbstbestimmung einer Person ist sehr zentral und muss respektiert werden.»

Franziska*

Die Förderung der Selbständigkeit von Betroffenen sei dabei das oberste Gebot. Trotzdem gäbe es sehr schwierige Mandate, die auch sie als professionelle Mandatsträger massiv herausforderten. Wenn zum Beispiel die für eine hilfsbedürftige Person geplanten Platzierungen in Institutionen eine nach der anderen nicht funktionierten.

Um solche schwierigen Fälle zu besprechen und gegenseitig Erfahrungen auszutauschen, sitzen die Berufsbeistände im Mandatszentrum jede zweite Woche zusammen. Dazu kommen externe Begleiter, die bei Bedarf kontaktiert werden können, und sechs Mal pro Jahr ein Coaching, bei welchem das methodische Vorgehen der Beistände analysiert wird.

*Namen wurden auf Wunsch hin anonymisiert.

Das Zuger Amt für Kindes- und Erwachsenenschutz (KES)

Für das KES arbeiten derzeit rund 40 Personen. Das Amt besteht aus der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) und drei Abteilungen zur Abklärung der Situation von betroffenen Personen, dem Revisorat und dem Mandatszentrum mit 8 Berufsbeiständen.
Der Zuger Regierungsrat hält sich bei den Berufsbeiständen an die obere Grenze der Richtlinien. Das heisst, dass pro Mandatsträger jährlich maximal 80 Mandate geführt werden dürfen. Das entspricht pro Mandat einem Arbeitsaufwand von etwa 20 Stunden im Jahr.
Welche Massnahmen konkret beschlossen werden, entscheidet alleine die KESB. Sie besteht die aus zwei Sozialarbeitern, zwei Juristen, einer Psychologin und einem Pädagogen. Die KESB selber nimmt Gefährdungsmeldungen entgegen und ordnet Massnahmen an.

Mandate führen neben den Berufsbeiständen der KES auch externe Fachstellen. Deren Mandate werden ebenfalls von Berufsbeiständen geführt. Parallel gibt es viele private Mandatsträgerinnen und Mandatstäger. Diese erhalten in der Regel weniger komplexe Mandate, können aber mehr Zeit für die Betreuung aufwenden und stammen häufig aus dem privaten Umfeld einer betroffenen Person.

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