Elektronisches Ticketsystem im ÖV

Die Zuger wollen die SBB vom E-Ticket überzeugen

Einen der modernsten Bahnhöfe der Schweiz haben die Zuger schon. Nun wollen sie auch im Bereich E-Ticket vorpreschen. Die ZVB-Busse werden als Erstes ausgerüstet. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Der Kanton Zug will schon lange ein elektronisches ÖV-Billett testen. Damit aber das Pilotprojekt nicht auf Busse beschränkt bleibt, müssen die SBB mitziehen. Diese haben sich bisher zurückhaltend gezeigt, jetzt soll der stete Druck aber Wirkung zeigen. Doch wer hat das Steuer in der Hand?

Der Kanton Zug will bei elektronischen Tickets eine Pionierrolle einnehmen. Und das schon lange. Konkret will das Amt für öffentlichen Verkehr das Zutrittssystem «BiBo» testen, das für «Be-in Be-out» steht. Es funktioniert folgendermassen: Die Fahrgäste müssen kein Billett mehr lösen, sondern besitzen eine Karte mit Chip, welche alle Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln automatisch registriert, sobald jemand den Bus oder die Bahn betritt. Für die gefahrene Strecke wird anschliessend der Preis berechnet und dem Kunden monatlich belastet. Das kann über die Kreditkarte, ein Prepaid-Guthaben oder eine monatliche Abrechnung geschehen.

Erste Tests starten im Herbst

Nach den Sommerferien führt das Amt für öffentlichen Verkehr erste Tests auf einer Buslinie der Zugerland Verkehrsbetriebe (ZVB) durch, wie dessen Leiter, Hans-Kaspar Weber, bestätigt. Das Amt, das der Volkswirtschaftsdirektion von Matthias Michel angegliedert ist, zeigt sich zuversichtlich, dass nach den Tests ein umfangreiches Pilotprojekt gestartet werden kann. «Wir klären zurzeit ab, wie die Kosten und der Zeitaufwand für ein Pilotprojekt sind und wie viele Busse und Züge mit einbezogen werden sollen», so Weber. Die Zuger haben sogar eigens für das Vorhaben eine Stelle als Projektleiter ausgeschrieben. Das Pilotprojekt soll in zwei bis drei Jahren gestartet werden. In einer ersten Phase sollen zwei Buslinien ausgerüstet werden, in einer zweiten dann auch die Bahn.

Zonen-Wirrwarr nervt die Kunden

Viele ÖV-Benutzer sind mit den gängigen Ticketsystemen unzufrieden und überfordert. Das Verlangen nach einem neuen Zugangssystem wird deshalb immer grösser. Die neuen Tarif- und Zonensysteme der SBB (zum Beispiel Z-Pass), und auch die überregionalen Zusammenschlüsse seien nicht benutzerfreundlich und zu komplex, wird von Bahnkunden kritisiert. Zum Beispiel, wenn bei der Streckenwahl am Automaten eine Liste an Streckenvarianten («Via») erscheint und der Kunde nicht weiss, welche er wählen muss.

Die SBB habe die Kritik aufgenommen und wolle unter anderem mit neuen ÖV-Zugangssystemen darauf reagieren. Das sagten SBB-Vertreter an einer Präsentation ihrer Vertriebsstrategie Ende November letzten Jahres. Man habe den Handlungsbedarf erkannt und wolle mit dem Wirrwarr aufräumen.

 

Dafür müssen die SBB mitmachen. Nur so kann das Pilotprojekt auf dem gesamten ÖV-Netz des Kantons stattfinden. Aus Erfahrung weiss man aber beim Kanton, dass die SBB in diesem Projekt weniger zügig vorwärts machen, als man das gerne hätte.

«Anfänglich hatten die SBB angedacht, BiBo in einer bestimmten Region zu testen. Der Kanton Zug hat sich schon von Anfang an bemüht, diese Testregion zu werden», so Weber. Die SBB hätten das Projekt aber Ende letzten Jahres auf Eis gelegt. Zug habe sich zudem auch schon für das Vorprojekt namens «Easy Ride» beworben. Aber dieses sei von den SBB nicht weiterverfolgt worden. «Jetzt versuchen wir es nochmals», sagt Weber. Man wolle die SBB wieder ins Boot holen. Das wäre wichtig, denn «aus Kundensicht macht es wenig Sinn, wenn BiBo nur in den Bussen verfügbar ist», so Weber.

Jetzt sei man mit den SBB auf gutem Weg, sagt Weber. «Wir werden das Pilotprojekt nur in Zusammenarbeit mit den SBB machen und sind sicher, dass wir uns einigen werden.» Das bestätigt wiederum der Mediensprecher des grössten Schweizer Transportunternehmens, Reto Schärli: «Wir stehen mit dem Kanton Zug und auch allen andern Akteuren des öffentlichen Verkehrs in engem Kontakt. Gegenüber dem Kanton Zug haben wir unser Interesse signalisiert, uns bei diesem Pilot aktiv einzubringen.»

«Aus Kundensicht macht es wenig Sinn, wenn BiBo nur in den Bussen verfügbar ist.»

Hans-Kaspar Weber, Leiter Amt für öffentlicher Verkehr Kanton Zug

Zuerst kommt 2015 der «SwissPass»

Dennoch wird deutlich, dass BiBo bei den SBB nicht oberste Priorität hat. Für sie steht «kurz- und mittelfristig im Vordergrund, den ‹SwissPass› erfolgreich einzuführen. Wir möchten das Fuder nicht überladen, zumal wir aktuell daran sind, die alten IT-Systeme abzulösen und zukunftsfähig zu machen. Gerade auch im Hinblick auf eine mögliche Einführung von BiBo», sagt Schärli.

Nächstes Jahr wird unter der Führung des Verbands für öffentlichen Verkehr (VöV) zunächst der SwissPass eingeführt. Diese mit einem Chip ausgerüstete Karte soll der künftige Schlüssel zum öffentlichen Verkehr sein. «Auf dem Chip werden ab Mitte 2015 General- und Halbtax- sowie schrittweise auch Verbund-Abonnemente integriert», sagt Reto Schärli. Mit dem SwissPass werde eine einzige Karte für möglichst viele Mobilitätsdienstleistungen geschaffen. Der Sprecher der SBB betont: «Bevor die Branche des öffentlichen Verkehrs die automatische Erfassung der Reisenden angehen kann, müssen die bestehenden IT-Systeme saniert und ausgebaut werden. Dafür investiert alleine die SBB knapp 150 Millionen über die nächsten Jahre. Diese Grundlage erlaubt es uns, den Vertrieb weiter zu vereinfachen.»


Der SwissPass wird voraussichtlich Mitte 2015 eingeführt. Ein Chip integriert General- und Halbtax- sowie schrittweise auch Verbund-Abonnemente. (Bild:zvg SBB)

Der SwissPass wird voraussichtlich Mitte 2015 eingeführt. Ein Chip integriert General- und Halbtax- sowie schrittweise auch Verbund-Abonnemente. (Bild:zvg SBB)

Druck auf die SBB von verschiedenen Seiten

Hängt also alles von den SBB ab? «Nein», sagt Schärli: «Natürlich müssen auch die SBB als grösstes Schweizer Transportunternehmen mitmachen, aber wir bestimmen nicht alleine. Ein solches System muss von der gesamten Branche getragen werden.» Er räumt ein, dass das System ausgereift sein müsse, damit es wirklich funktioniere. Und weil man sich hier in einem Feld bewege, das sich sehr rasant entwickle, sei heute noch nicht sicher, ob wirklich BiBo, so wie man es heute kenne, das System der Zukunft sein werde. «Wir müssen Schritt für Schritt vorgehen», so Schärli.

«Man ist in der Schweiz noch nicht über die Planung hinaus.»

Reto Schärli, Mediensprecher der SBB

Es ist nicht nur der Kanton Zug, der Druck auf die SBB ausübt. Auch andere Regionen sind bereits daran, Tests durchzuführen. Die Südostbahn will mit der Firma Siemens einen Wagen des Voralpen-Express mit der nötigen Technik für ein E-Ticket ausrüsten. Ausserdem wollen verschiedene Politiker mit dem neuen System vorwärts machen. In Zug verlangte die CVP Verbesserungen im Tarif- und Zonensystem und mehr Benutzerfreundlichkeit. Matthias Michel will sich auch dafür stark machen, der Zuger Regierungsrat ist Präsident der Konferenz der kantonalen Direktoren des öffentlichen Verkehrs.

Zum Druck aus der Branche und der Politik auf die SBB sagt Schärli: «Einige Politiker sind der Ansicht, man könne das so einfach einführen. Aber es gibt viele Detailfragen. Man ist in der Schweiz noch nicht über die Planung hinaus.» Ein System, das in der ganzen ÖV-Branche funktioniere, müsse von allen Transportunternehmen unterstützt werden.

Wird das Zuger Vorhaben das Projekt BiBo jetzt ins Rollen bringen? Hängt alles von den SBB ab? Ihre Meinung zum Thema ist gefragt. Nutzen Sie die Kommentar-Funktion und schreiben Sie ihre Einschätzung!

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2 Kommentare
  • Profilfoto von lifeful
    lifeful, 24.07.2014, 18:21 Uhr

    Also ich finde es schon einen guten Ansatz ein elektronisches Ticket zu machen, ich meine wirk ommen immer mehr in die bargeldlose Gesellschaft und das ist eben der ansatz muss man sagen, ich nutze auch fast nur mehr meine yuna card – egal ob man Flüge bucht, Hotels oder online shoppt, warum sollte dies bei den Öffis anders sein? Für mich eine gute und nachvollziehbare Entwicklung …

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  • Profilfoto von tschovanni
    tschovanni, 24.07.2014, 17:23 Uhr

    Wenn so viele «Experten» mitreden wollen, besteht die Gefahr, dass es zu einem gut eidgenössischen Kompromiss kommt, bei welchem Niemand ganz zufrieden ist. Eine optimale Lösung ist so zum vornherein praktisch ausgeschlossen!

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