Turbulenzen beim Kunsthaus Zug

«Geblieben sind die grauen Eminenzen und der Direktor»

Hinter dicken Mauern wurde gestritten und beschuldigt, bis die Gremien des Kunsthauses faktisch kollabierten. Wo steckt der Wurm drin? Andres Bruetsch und Matthias Haldemann wissen es. (Bild: zvg)

Der Krach ums Kunsthaus ist scheinbar gelegt, nach der Rücktrittswelle im Frühjahr. Aber ist damit alles wieder im Lot? Der Aussteiger Andres Bruetsch spricht jetzt Klartext: Die Unbequemen seien alle zurückgetreten, die Situation sei ungesund und der Direktor müsse gehen. Dieser gibt Gegensteuer: Gegangen seien die Blockierer.

Will er auspacken? Er will: Was ist schief gelaufen im Kunsthaus Zug, so schief, dass im Mai vier von sieben Stiftungsräten aus der «Stiftung der Freunde Kunsthaus Zug» zurückgetreten sind? So schief, dass das grosse Projekt schon auf der Kippe stand und immer noch steht: Das neue Kunsthaus am See, auf dem Areal des alten Kantonsspitals. Obwohl die Idee so einleuchtend scheint: Ein Haus, in dem endlich beides Platz haben soll, die ständige Sammlung und gleichzeitig die Wechselausstellungen, die dem Kunsthaus Zug schweizweite Anerkennung gebracht haben. Ein Projekt, das viele gut finden, die mit dem Kunsthaus zu tun haben. Für das sich Vertreter von Kanton und Stadt begeistern lassen. Und trotzdem hat es dafür gesorgt, dass eine ganze Reihe von Mitgliedern der beteiligten Gremien zurückgetreten ist: Die Gremien sind faktisch kollabiert. Es wurde gestritten und beschuldigt, externe Experten mussten angestellt werden, um die Organisation überhaupt auf Kurs zu halten (siehe Box). Aber damit ist das neue Kunsthaus noch lange nicht spruchreif. Denn die strukturellen Probleme seien nach wie vor dieselben, sagt einer der Zurückgetretenen.

«Situation ist zutiefst ungesund»

«Geblieben sind die grauen Eminenzen in den Gremien und der Direktor des Kunsthauses», sagt Andres Bruetsch, und da liege das Problem. Er sitzt in der Loggia seines Hauses, unter den Weinreben, und trinkt Wasser mit Ingwerschnitz in der Sommerhitze. «Die ganze Situation ist zutiefst ungesund», sagt Bruetsch, «unter den heutigen Umständen sollte kein neues Kunsthaus gebaut werden. Es wäre letztlich auch gegenüber dem Souverän nicht zu verantworten.»

Bruetsch war Präsident der «Stiftung der Freunde Kunsthaus Zug». Er ist Ende 2013 zurückgetreten, nachdem die Situation im Stiftungsrat eskaliert war. Mit ihm sind auch drei andere Vorstandsmitglieder zurückgetreten: Gaby Billing, Karl-Johannes Ehrat und Roland Hitz. Die «Stiftung der Freunde Kunsthaus Zug» ist eines von zwei Gremien (siehe Box), die das Kunsthaus betreiben, das andere ist die Kunstgesellschaft. Die beiden seien hoffnungslos ineinander verschachtelt, sagt Bruetsch, und indirekt auch noch mit der Stiftung «Sammlung Kamm», die dem Kunsthaus die Sammlung der Familie Kamm als Dauerleihgabe zur Verfügung stellt: «Die Strukturen sind unklar und vermischt, es wird gemauschelt, es gibt keine klare Gewaltentrennung», sagt Bruetsch. Denn in den verschiedenen Gremien sässen oft dieselben Leute, sagt er. «Und so gut und wichtig die Sammlung Kamm für das Kunsthaus Zug ist, so abträglich ist mittlerweile der Einfluss der Familie Kamm auf dessen Weiterentwicklung », sagt Bruetsch. «Die bisherige Gangart hat mit dem heutigen Kunsthaus  mehr oder weniger funktioniert. Ein neues Kunsthaus, in den geplanten Dimensionen, kann man auf diese Art zwar eventuell bauen, aber sicher nicht betreiben.»

«Ein schlechter Kommunikator»

Wo liegt das Problem? «Das liegt unter anderem an den Leuten, die seit sehr vielen Jahren in den Gremien sitzen», so Bruetsch. Man habe kurz nach der Gründung des Kunsthaus Zug den jungen Kunsthistoriker Matthias Haldemann «mehr oder weniger direkt» ab der Uni angestellt, und Bruetsch will auch nicht nur kritisieren: «Matthias Haldemann macht sehr gute Ausstellungen und er hat dem Kunsthaus Zug ein anerkanntes Profil gegeben, welches für ein so kleines Kunsthaus absolut beachtlich ist.» Und die Sammlung Kamm als Dauerleihgabe an das Kunsthaus Zug sei ein kaum zu überschätzendes Juwel.

«Das sind die positiven Umrisse», sagt Bruetsch und lehnt sich zurück, «die negativen sind eigentlich dieselben.» Sagt er und meint damit die Personen: Direktor Haldemann und die Kamms. «Der Direktor ist ein herausragender Kurator, aber ein schlechter Kommunikator. Mit allem Respekt vor den fachlichen Fähigkeiten, hat sich im Verlauf der mehr als zwanzig Jahre seiner Tätigkeit gezeigt, dass Herr Haldemann nicht die richtige Person ist, um ein Kunsthaus in der Grössenordnung des geplanten Neubaus zu führen.» Doch Herr Haldemann sei in den Augen der Familie Kamm ein «untouchable», so Bruetsch. «Da wird’s dann eben schwierig.»

Kniefall vor den Kamms

«Es ist grundsätzlich ungesund, wenn man aus falscher Ehrfurcht vor der Sammlung Kamm Zustände im Kunsthaus akzeptiert, die nicht im Interesse des Hauses liegen.» Zug befände sich in einem anhaltenden Kniefall vor der Familie Kamm. « Das Kunsthaus Zug wird massiv von der öffentlichen Hand unterstützt. Zukünftig wird das noch weit mehr ins Gewicht fallen. Insofern muss das Kunsthaus Zug als eigenständiger, als souveräner Betrieb geplant werden und letztlich funktionieren.» Ansonsten müsste man ein Privatmuseum bauen, sagt Bruetsch. «Natürlich wird die grossartige Sammlung Kamm einen unschätzbaren Wert im neuen Kunsthaus darstellen. Doch darf man den Neubau in der geplanten Dimension niemals allein dadurch rechtfertigen.» Sammlungen würden nur beschränkt Besucher anziehen, es seien die Wechselausstellungen, die ein Kunsthaus beleben, so Bruetsch: «Es ist die gesamte Ausstrahlung eines Hauses, die für Erfolg oder Misserfolg ausschlaggebend ist. Dass das Kunsthaus Zug mit der Sammlung Kamm reich ausgestattet wird, erklärt sich von selbst.» Die Sammlung sei nicht nur als Geschenk zu betrachten: «Es ist für Kunsthaus und Familie Kamm eine Win-Win-Situation. Das Kunsthaus Zug wird aufgewertet – die Familie Kamm wird gleichzeitig von Pflicht und Verantwortung für die Kunstwerke entlastet. Aus dieser Haltung heraus sollte verhandelt werden.»

«Jeden Vorschlag als Einmischung aufgefasst»

Und wegen dieser Haltung ist Bruetsch mit Direktor Haldemann aneinander geraten. Im Betrieb des Kunsthaus Zug seien die Probleme nicht mehr sachlich, sondern rein persönlich abgehandelt worden, sagt Bruetsch. Matthias Haldemann habe seine Vorschläge als Einmischung aufgefasst und zum Anlass für einen Machtkampf genommen. «Nach meinem Rücktritt hat er gegenüber Vertretern vom Kanton ausgesagt, er habe jetzt gegen mich gewonnen», sagt Bruetsch und zieht ungläubig die Augenbrauen hoch, «so hat er das gesehen. Schade, es ging doch immer nur ums Kunsthaus.»

 «Die haben mich dafür gehasst»

Was zum endgültigen Zerwürfnis geführt habe? «Dass ich die Dinge beim Namen genannt habe. Die haben mich dafür gehasst», sagt Bruetsch, «und jetzt sind all die Unbequemen gegangen: Roland Hitz, der während mehrerer Jahre einen klugen, hervorragenden Job gemacht hat, Gaby Billing, die nebenberuflich erfolgreich eine Galerie führt und bereit war, ihr ganzes Wissen ins Kunsthaus einzubringen, Karl-Johannes Erhat, der jahrelang wertvolle Dienste geleistet hat. Alles ehrenamtlich.» Die Reaktion auf die Rücktritte sei vielsagend, so Bruetsch: «Die spröde Bemerkung von Frau Ch. Kamm nach Exodus aus dem Stiftungsrat war: Das ist eine Chance! Das sagt doch alles.»

Lesen Sie auf der nächsten Seite über die Reaktion von Direktor Matthias Haldemann auf die Kritik, und warum ein neues Kunsthaus ohne ihn wenig Sinn mache.

«Es könnten ja auch die Blockierer sein, die gegangen sind»

Matthias Haldemann sitzt ebenfalls in seinem Garten, weiter südlich in der Stadt, hinter den dicken Gutshofmauern des Kunsthauses, und denkt vor jeder Antwort gründlich nach. Und so sturköpfig, wie Bruetsch ihn beschreibt, ist er nicht: «Das war ein schmerzlicher Prozess, aber wir sind daran, die Struktur zu verändern», sagt Haldemann: «Wir sind zu kompliziert aufgestellt mit den beiden Gesellschaften, wir müssen vereinfachen und Kompetenzen klären: Es war zu wenig klar, welche Gesellschaft welche Aufgaben übernimmt. Aber wir sind auf gutem Weg.» Der Knatsch vorbei, Bruetsch und Kollegen zurückgetreten, das Problem gelöst? «Ich denke, es hat einen Bewusstwerdungsprozess gebraucht, und ja, das war schmerzlich. Aber auch wichtig, gerade gegenüber der Politik.» Sagt er und offeriert nach dieser Ausgeglichenheit doch noch eine Spitze: «Aber man könnte es auch mal so betrachten: Es könnten ja auch die Blockierer sein, die gegangen sind. Und die progressiven Kräfte sind geblieben.»

 Wird es nicht irgendwann Zeit, zu gehen?

Dass die Blockierer nach kurzer Zeit frustriert das Amt verlassen, weil ihnen das Tempo derer zu schnell ist, die schon seit immer an Bord sind? Klingt zumindest unwahrscheinlich. «Ich bleibe dabei», sagt Haldemann. «Sehen Sie, Fortschritt braucht auch Kontinuität. Und Kontinuität ist Innovation, wenn sie mit Reflexion und Kritik verbunden wird.» Das Kunsthaus und Haldemann sind zusammen gewachsen, über die Region hinaus, das stimmt. Aber wird es nicht irgendwann Zeit, weiterzugeben? Gerade, wenn solche Rücktritte anzeigen, etwas ist faul in der Struktur? Haldemann: «Wieso? Stimmt die Qualität meiner Arbeit nicht?»

Ein Wechsel zu einem anderen Haus steht für Haldemann nicht in Frage: «Ich mache meinen Job gerne und mit Begeisterung und sehe nicht, was ich in einem grösseren Haus spannender fände als im Kunsthaus Zug.» Es sei zwar nicht sehr gross, aber es biete dafür grosse Freiheit und Raum für Kreativität und Innovation. «Sehen Sie, als ich hier angefangen habe, war ich der jüngste Kunsthausdirektor der Schweiz. Ich war schon immer etwas anders als andere, mich reizen die grossen Kunsthäuser nicht. Ich möchte gerne und mit Freude weiter am Kunsthaus Zug arbeiten, zusammen mit unserem tollen Team.»

«Ich fühle mich überhaupt nicht beeinflusst, sondern unterstützt»

Und die Kritik, die Kamms würden zu viel Einfluss aufs Kunsthaus nehmen, was sagt Haldemann dazu? «Ganz und gar nicht. Die Kamms haben uns mit ihrer Sammlung einen Schatz vermacht. Sie hat uns zu einem Player gemacht, weltweit.» Ein Schatz, der den jungen Direktor Haldemann damals stark gemacht hat. Und gleichzeitig machte dessen Arbeit den Wert der Kammschen Sammlung publik. Ist da der Zusammenhalt zwischen Direktor und den Kamms nicht offensichtlich und verständlich? «Die Frage stellt sich so gar nicht. Das Engagement der Kamms in der Kunstgesellschaft und der Stiftung der Freunde Kunsthaus ist ein Glücksfall. Ich fühle mich überhaupt nicht beeinflusst in meiner Arbeit, sondern unterstützt. Und wir spüren auch viel Unterstützung von den Besuchern, Sammlern, Kunstschaffenden, Mitgliedern, Gönnern und Sponsoren, trotz der negativen Medienberichte.»

Ein neues Kunsthaus ohne Erfahrung aus dem alten sei verfehlt

Ein neues Kunsthaus mit Haldemann könne nicht funktionieren, sagt Bruetsch, Haldemann ist da naturgemäss anderer Meinung: «Wir befinden uns in einem offenen Prozess, in dem auch geklärt wird, wer die Leitung des neuen Kunsthauses übernimmt. Ich würde diesen Auftrag gerne übernehmen, und ich denke, das macht auch Sinn: Ich kenne das Kunsthaus Zug und kann dessen Kultur weiterführen. Und für den Betrieb ist weiterhin die Zuger Kunstgesellschaft und nicht die Stiftung der Freunde, der Andres Bruetsch angehörte, verantwortlich.» Ein neues Kunsthaus ohne die Erfahrungen aus dem vorhandenen Kunsthaus sei verfehlt, so Haldemann: «Denn warum entstand die Situation, dass man ein neues Haus braucht? Aus dem Kunsthausbetrieb natürlich. Wir sind aus unseren Kleidern gewachsen, es ist eng an allen Ecken.»

Ob er nach all den Schwierigkeiten eine Chance sieht, dass das Haus tatsächlich gebaut wird? «Auf jeden Fall. Wir sind voll an der Arbeit, wollen Taten sprechen lassen. Und uns mit Freude dieser Aufgabe stellen. Zug braucht ein neues Kunsthaus, und der grossartige Standort beim Areal des ehemaligen Kantonsspitals, da bin ich überzeugt, ist eine riesige Chance für die Stadt.»

 

Lesen Sie morgen in unserem Interview mit Frau Christine Kamm-Kyburz, welchen Einfluss die Familie Kamm auf das Kunsthaus nimmt. Und was das beste wäre, das dem Projekt passieren könnte.

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