Konsum

«Es braucht wieder eine Bierkultur»

Das «Luzerner Bier» vermarktet sich primär durch Mund-zu-Mund-Propaganda. (Bild: Fabian Duss)

Vor drei Jahren wurde das erste «Luzerner Bier» gebraut. Mittlerweile hat es sich als Nischenprodukt in Stadt und Agglomeration etabliert.

Es war die Übernahme der Brauerei Eichhof durch den Heineken-Konzern, welche zwei Luzerner im Jahr 2008 dazu bewog, ihr Bier selber zu brauen. Nach erfolgreichen Waschküche-Experimenten im Freundeskreis wurde eine Firma gegründet, Aktienkapital beschafft und die notwendige Infrastruktur gekauft.

Vor genau drei Jahren wurde der erste Sud «Luzerner Bier» gebraut. Die Brauerei Luzern AG wurde von der Nachfrage überrannt, zwei Wochen später war sie «ausgeschossen», wie Geschäftsführer David Schurtenberger erzählt. Heute teilt er sich mit acht Mitarbeitern 300 Stellenprozente.

Konstante Steigerung

«Wir sind in Luzern angekommen», stellt Schurtenberger befriedigt fest. Die Produktion konnte konstant gesteigert werden: Wurden 2011 noch 1200 Hektoliter Bier gebraut, waren es 2012 bereits 1500. Dieses Jahr strebt man eine Steigerung von 20 Prozent an.

«Wir haben aber keine aggressive Wachstumsstrategie», sagt Schurtenberger. Die Brauerei richte sich zwar am Markt aus, handle aber nicht ausschliesslich gewinnorientiert. Nach der Aufbauphase steht nun die Amortisation der Investitionen an.

Zudem muss die mittlerweile komplette Infrastruktur besser ausgelastet werden. Mit den vorhandenen Anlagen könnte rund doppelt soviel Bier gebraut werden, wie dies heute getan wird. Auch die jahreszeitlichen Schwankungen will man besser in den Griff kriegen. «Im Sommer ist der Bierkonsum hoch und wir müssen viel produzieren. Im Winter hingegen ist die Anlage nicht ausgelastet», erklärt Schurtenberger. Deswegen sucht die Brauerei nun spezifisch nach Kunden, welche im Winter viel Bier benötigen.

Geringer Marktanteil

Auf dem Biermarkt sind die fünf Sorten «Luzerner Bier» kleine Nischenprodukte. «Unser Marktanteil von 1,6 Prozent in Stadt und Agglomeration ist natürlich gering, doch wollen wir primär das kleine Segment bieraffiner Leute erreichen und erweitern. Wenn das gelingt, reicht es schon beinahe, um schwarze Zahlen zu schreiben», sagt Schurtenberger.

Wo die Grossen den Markt beherrschen, entsteht Raum für Nischenprodukte. Seit der Aufhebung des Bierkartells 1991 hat sich die Anzahl Brauereien in der Schweiz mehr als verzehnfacht. Mittlerweile gibt es 385 davon.

Ein Stadt- und Agglo-Bier

Die Brauerei Luzern AG produziert Frischbier. Im Gegensatz zu Lagerbier ist es unpasteurisiert und unfiltriert, was den Geschmack fördert, sich aber in einer geringerer Haltbarkeit niederschlägt. Mithilfe der neuen Abfüllanlage konnte diese von drei auf vier Monate gesteigert werden, was aber immer noch ein «gewisses Einstiegshindernis für Neukunden» darstellt, wie Schurtenberger einräumt.

Der Getränkehändler Häberli in Dagmersellen etwa führt genau deswegen kein «Luzerner Bier» mehr, wie Inhaber Josef Büttiker sagt: «In unserer Region ist der Absatz zu gering. Auf Nachfrage besorge ich es aber.» Bei Pilatus Getränke in Alpnach heisst es indes, man führe das Bier zwar und würde es auch in Ob- und Nidwalden ausliefern, brauche es aber ausschliesslich für städtische Kunden.

Der Fokus auf Stadt und Agglomeration sei strategisch bedingt, erklärt David Schurtenberger. Im äusseren Kantonsgebiet Fuss zu fassen ist sekundär, zumal dort teils bereits regional verankerte Konkurrenzprodukte bestehen.

Aktives Marketing ist unnötig

Die geringe regionale Verankerung hat aber auch mit dem Verzicht auf aktives Marketing zu tun. Das sei zu teuer, aber auch unnötig. «Nach wie vor haben wir den Vorteil, ein gesuchtes Produkt zu verkaufen», erläutert Schurtenberger. «Luzerner Bier» vermarktet sich primär durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Für Anlässe werde man zudem oft als Sponsor angefragt. Daneben stehen immer wieder Betriebsbesichtigungen an.

Der Fokus auf die nahe Umgebung hat aber auch ökologische Gründe. «Auch wenn etwa unser Malz aus Deutschland und die Flaschen aus Osteuropa kommen, wollen wir möglichst wenig Benzinverbrauch für den Vertrieb unseres Biers», sagt Schurtenberger.

Erneut Schützenhilfe von Heineken?

Schurtenberger beobachtet beim Bier einen regionalistischen Konsumtrend, das Potenzial der regionalen Etikette sei gross. «Viele Leute begreifen, dass man das Mineralwasser nicht aus Süditalien heran karren muss, wenn es hier ‹Knutwiler› gibt.»

Nun hofft man, in Luzerns Gastronomie vom Zweit- zum Erstbier zu werden. Es fehle eine Bierkultur, bemängelt Schurtenberger. «Es braucht wieder eine, das würde auch uns als Spezialbier-Produzenten helfen.» Während Gäste bei Bestellung von Wein eine Auflistung des Angebots erhalten, werde bei einer «Stange» oft einfach jenes Bier mit der grössten Marge ausgeschenkt. Viele Gäste erkundigen sich nicht nach den erhältlichen Biersorten und vom Personal werden sie auch kaum darauf hingewiesen.

Grosse Chance für das «Luzerner Bier»

Nach drei Jahren fällt Schurtenbergers Bilanz jedoch positiv aus. «Wir hofften, zunächst vor allem die Kosten decken zu können.» Natürlich habe er aber auch davon geträumt, dass ihm die Bude eingerannt werde. «Die Realität ist irgendwo dazwischen», lautet sein Fazit.

Ein baldiger Wachstumsschub könnte derweil erneut vom Platzhirsch ausgehen: Ab Jahresmitte wird Eichhof-Bier in Chur abgefüllt. Während Eichhof in der Werbung verstärkt Bezug auf seine Innerschweizer Verankerung nimmt, fehlt ein klares, langfristiges Bekenntnis zum Standort Luzern, was in der Region nicht gut ankommt.

Auch bei den Getränkehändlern sieht man im Umzug von Eichhof-Bier eine Chance für das «Luzerner Bier», wie etwa Marcel Jost vom Drink Shop bestätigt. Philipp Arnold von Arnold’s Daily spürt bereits Auswirkungen. Es gäbe schon jetzt Reaktionen von Kunden. Manch einer überlege sich, deswegen auf eine andere Marke umzusteigen. «Bier braucht Heimat», dieses Credo gilt auch heute noch. Dass Heineken nun «ihr» Eichhof-Bier zusehends entwurzelt, sehen Luzerner Biertrinker nicht gerne.

Bei der Brauerei Luzern AG rechnet man damit, dass Eichhof-Bier einst nicht nur in Chur abgefüllt, sondern auch gebraut wird. «Mit zwei Braustätten wird es langfristig nicht funktionieren,» sagt Schurtenberger. Seine Räumlichkeiten würden jedenfalls noch für drei weitere Gär- und Lagertanks reichen, fügt er augenzwinkernd hinzu.

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