Weggis: Felssturz bedroht Wohnhäuser

Nach 52 Jahren gezwungen zu gehen

Eines der betroffenen Häuser im Gebiet Horlaui. (Bild: cha)

Zehn Bewohner müssen ihre Wohnungen verlassen, ihre Häuser werden abgebrochen. Ende Juni hat die Gemeinde Weggis das Steinschlagrisiko im Gebiet Horlaui als zu gravierend beurteilt. Eine aussergewöhnliche Situation, mit der die Hausbewohner konfrontiert wurden. Und mit der sie hart zu kämpfen haben, wie unsere Reportage vor Ort zeigt.

Das beschauliche Dorf Weggis ist in Aufruhr. Die Anwohner im Gebiet Horlaui wurden erst vor kurzem mit der Nachricht konfrontiert, dass sie ihre Häuser gestützt auf die polizeiliche Generalklausel zu räumen hätten. Der Gemeinderat Weggis hat für fünf Häuser an schönster Lage und mit bester Aussicht auf den Vierwaldstättersee ein Betretungs- und Nutzungsverbot verhängt. Die Wohnhäuser seien laut Gemeinderat absehbar durch Blockschlag gefährdet. Aussiedlung heisst somit die Devise.

Die Situation trifft die Bewohner. Besonders schwierig ist es für den 86-jährigen Werner K.*. Freundlich bittet er mich in sein Heim. Bereits jetzt stehen im ganzen Haus etliche Umzugskartons. An den Wänden hängen antike Schwerter, alte Töpfe und museumsreife Gewehre. Im Hintergrund läuft im Fernsehen der Viertelfinalmatch zwischen Roger Federer und Stanislas Wawrinka. Letzterer schleudert gerade wegen eines unnötig vergebenen Punktes wutentbrannt sein Racket auf den Boden. Irgendwie passend zu Werner K’s. momentaner Gefühlslage.

«Ein nicht ganz einfacher Entscheid»

Bereits seit mehreren Jahren werden im Gebiet Horlaui absturzgefährdete Felsobjekte messtechnisch und visuell überwacht. In einer Vorstudie zu den geplanten Schutzmassnahmen Horlaui wurden in den vergangenen Monaten weitere Abklärungen durchgeführt. Die Risikosituation ist wesentlich kritischer als zuvor zu beurteilen, so das Fazit. Die Abklärungen und deren Resultate hätten den Gemeinderat Weggis dazu bewogen, diesen «für den ihn nicht ganz einfach Entscheid» zu treffen.

«Der Brief der Gemeinde kam am 30. Juni»

«Ich bin sehr enttäuscht. Es ist eine Misere», sagt der 86-Jährige, der sein Eigenheim 1962 erbaut hat und nun innerhalb eines Monats seine Sachen packen muss. «Der Brief der Gemeinde kam am 30. Juni per Einschreiben. Darin steht, dass ich mein Haus bis am 1. August 2014 verlassen haben muss.»

Den Anstoss für diese gravierende Situation habe laut Werner K. sein Nachbar weiter oben gegeben. «Er hat einen Brief an die Gemeinde Weggis aufgrund losen Gesteins geschrieben.» Dass dessen Zeilen solch hohe Wellen schlagen würden, habe niemand erwartet. «Anschliessend kamen Geologen ins Gebiet und schauten sich die Felsen an. Welche Folgen das nun hat, sehen Sie ja selbst», sagt der langjährige Bewohner enttäuscht und blickt dabei auf die vollgepackten Umzugskartons. Immerhin hat Werner K. bereits gute Aussichten für eine neue Unterkunft: «Ich verhandle gerade mit dem Hotel Alpenblick, wo ich vermutlich eine Zweieinhalbzimmer-Wohnung beziehen kann.»

Insgesamt zehn Anwohner müssen ihr Zuhause räumen. Sie reagieren müde und gereizt auf unsere Fragen, möchten nichts sagen. Zu gross war der Ansturm der Medien an diesem Mittwoch, als der Gemeinderat seinen Entscheid publik machte.

Noch keine Anschlusslösung

Weiter oben am Hang öffnet eine Frau mit langen grauen Haaren die Haustür. Sie ist freundlich, bittet sofort ihren Mann zur Tür. Schnell ist klar, dass er den Medienrummel satt hat. Ich entgegne ihm mein Verständnis und möchte ihm zum Abschied eigentlich bereits die Hand reichen, als die Emotionen doch noch die Oberhand gewinnen: «Wir sind einfach sehr traurig, dass wir hier raus müssen.» Nach 15 in dem Haus verbrachten Lebensjahren treffe ihn dieser Entscheid hart. «Eine Anschlusslösung haben wir noch nicht. Aber wir müssen ja raus, weshalb wir bereits unsere sieben Sachen packen», sagt er zum Abschluss.

Nach der Räumung der Häuser müsse laut Gemeinderat unverzüglich der Fels abgetragen und gesichert werden. Dies ist nötig, um das Steinsturz-Risiko während der Rückbauarbeiten der fünf Häuser möglichst tief zu halten. Mit diesem Entscheid setzt der Gemeinderat eine Massnahme um, die vorerst eigentlich eine von mehreren Varianten war. Diese wurde mit der Vorstudie zur Gemeindeabstimmung vom 30. November 2014 betreffend Masterplan Naturgefahren Weggis erarbeitet.

Die Gemeinde ihrerseits leistet ihren Beitrag bezüglich der Suche nach Ersatzwohnraum mit Telefonnummer und E-Mail-Adresse des Gemeindeammanns. Dort kann die Bevölkerung Hinweise und Tipps für temporäre oder dauerhafte Unterkunftsmöglichkeiten geben. Für die Häuser, die abgerissen werden, hat die Gebäudeversicherung Luzern den Bewohnern ihre Versicherungsleistungen zugesichert.

* Name der Redaktion bekannt

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1 Kommentar
  • Profilfoto von neverything
    neverything, 23.07.2014, 12:08 Uhr

    Aus meiner Sicht wäre es spannend nachzufragen welche Lösungen für die ehemaligen Bewohner gefunden wurden, ob das ein Fall für die Versicherung ist und wie sich die Gemeinde verhalten hat.

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