Pflegezentrum Baar

Ist alles eine grosse Lüge?

Der Gemeinderat von Baar schützt die Leiterin des Pflegezentrums weiterhin. Ob und was wirklich falsch läuft, bleibt vermutlich für immer unklar. (Bild: dog)

Seit gut einem Jahr wird der Führungsstil der Leitung des Pflegezentrums Baar öffentlich kritisiert. Im Fokus steht dabei die Geschäftsleiterin, deren kompromissloses Vorgehen zu zahlreichen Kündigungen geführt haben soll. Nun bezieht der Gemeinderat zur Situation im Pflegezentrum Stellung.

Spardruck und ein schlechtes Betriebsklima. Verschiedene Medien berichteten über die angeblich unhaltbare Situation im Pflegezentrum Baar (PZB). Angehörige betroffener Pflegepatienten, ehemalige und aktuelle Mitarbeitende, suchten den Weg an die Öffentlichkeit und erzählten von einer schlechten Betriebskultur, einem «vergifteten Arbeitsklima» und diversen Kündigungen (zentral+ berichtete). Der Stiftungsrat um Präsident und Gemeinderat Paul Langenegger stellte sich derweil hinter die kritisierte Geschäftsleiterin Stephanie Schär.

Anlässlich der Gemeindeversammlung vom Dienstagabend nahm der Gemeinderat nun Stellung zur Situation im Pflegezentrum. Dies aufgrund einer Interpellation der ehemaligen SP-Kantonsrätin Malaika Hug, die Antworten auf verschiedene Fragen zum Führungsstil, zur finanziellen Situation und zur Haltung des Gemeinderates verlangte. Dabei wurde deutlich: Die Fronten sind und bleiben verhärtet. Auf der einen Seite Gemeinderat, Stiftungsrat und Mitarbeitende des Pflegezentrums, die hoffen, dass ab sofort Ruhe einkehrt. Auf der anderen Seite die Gruppe um Interpellantin Malaika Hug, gemäss welcher der Gemeinderat die Situation «schönredet».

Stiftungsrat stellt sich hinter Schär

Stephanie Schär leitet seit Dezember 2010 das PZB, das über 90 Betten verfügt und rund 160 Mitarbeitende beschäftigt. Laut Angaben mehrerer Personen führte sie damals sogleich einen fragwürdigen Führungsstil ein. Mittels Workshops, Seminaren und externen Coaches für die Belegschaft, sollte den Mitarbeitenden die neue Unternehmensphilosophie eingeprägt werden. Darunter habe schnell einmal die Zusammenarbeit zwischen der Geschäftsleitung und dem Personal gelitten, sagte eine ehemalige Mitarbeiterin gegenüber zentral+. Konstruktive Dialoge mussten einer «mit mir oder gegen mich»-Devise weichen. Für Kompromisse sei unter dem Diktat von Stephanie Schär kein Platz geblieben.

Die ehemalige Mitarbeiterin meinte weiter, dass damals etwa 20 Personen des Personals sich mit einem Brief an die Stiftungsleitung des PZB gewandt und um eine Klärung der angespannten Situation gebeten hätten. Genützt hätte es aber wenig, da sich der Stiftungsrat hinter die Geschäftsleiterin stellte.

Baarer Gemeinderat sieht kaum Probleme

Gemeindepräsident Andreas Hotz sagte gleich zu Beginn, dass die mediale Berichterstattung «grosse Emotionen im Pflegezentrum ausgelöst hat». Verschiedene Beispiele zeigen, dass das Thema die Gemüter in Baar bis heute bewegt. So nahmen zum Beispiel mehrere Mitarbeitende des Pflegezentrums an der Gemeindeversammlung teil, obwohl sie nicht in Baar wohnen und kein Stimmrecht besitzen.

Der Gemeinderat machte seine Haltung deutlich, indem er versuchte, jegliche Zweifel an der Betriebskultur und am Führungsstil im PZB unmissverständlich zu zerstreuen. Es herrsche eine «offene Kommunikationskultur», sagte Andreas Hotz. Und: «Der gesamte Gemeinderat unterstützt das Anliegen, dass im PZB eine offene und wertschätzende Betriebskultur gelebt und gepflegt wird.»

Zudem legten sowohl der Gemeinderat, der Stiftungsrat und die Mitarbeitenden des Pflegezentrums grossen Wert darauf, dass sich die Bewohner wohl fühlten.

«Heute wird im Pflegezentrum Baar ein kooperativer Führungsstil über sämtliche Leitungsebenen praktiziert», äusserte sich Gemeindepräsident Andreas Hotz. «Führungskräfte und Mitarbeitende arbeiten sowohl in der Entwicklung von Ideen, als auch in der Umsetzung von Projekten eng zusammen.»

«Heute wird im Pflegezentrum Baar ein kooperativer Führungsstil über sämtliche Leitungsebenen praktiziert.»

Andreas Hotz, Gemeindepräsident Baar

Malaika Hug bestätigte zwar, dass gemäss ihrer Information ein hoher partizipativer Austausch stattfinde. Sie sagte aber: «Die Meinung der Mitarbeitenden wird lediglich abgeholt. Schliesslich wird der Wille der Heimleitung umgesetzt.» Sie sehe sich gezwungen, den Gemeinderat zu rügen, fügte Hug sogar an, und sagte in Bezug auf die Stellungnahme des Gemeinderates:«Ich glaube, ich höre schlecht.» Es liege auf der Hand, dass im PZB nicht alles rund laufe.

Besteht Handlungsbedarf?

Hug sprach im Namen verschiedener Personen. Um wen es sich dabei handelt, offenbarte sie jedoch nicht. Sie sagte lediglich: «Es gibt Leute, die froh darüber sind, dass dieses Thema endlich angesprochen wird.»

«Es besteht Handlungsbedarf», sagte Hug weiter und schloss mit der Bitte, der Stiftungsrat mit den drei Gemeinderäten Andreas Hotz, Paul Langenegger und Berty Zeiter möge doch endlich etwas unternehmen.

Falsche und irreführende Berichterstattung

So entwickelte sich eine Diskussion, in der beide Seiten auf ihren Sichtweisen beharrten und zu keinen Eingeständnissen bereit waren – der Gemeinderat sieht keinen Handlungsbedarf, die andere Seite scheint langsam zu verzweifeln.

«Es gibt Leute, die froh darüber sind, dass dieses Thema endlich angesprochen wird.»

Malaika Hug, Interpellantin

Zu Wort meldete sich dann auch Damian Hotz, Vizepräsident der Bürgergemeinde Baar und ebenfalls Stiftungsrats-Mitglied des Pflegezentrums. Er sagte, ein «guter Teil» der in den Medien publizierten Sachverhalte sei «irreführend und falsch». Damit bezog er sich in erster Linie auf die Aussagen von Fritz Krähenbühl (siehe Box). Dieser präsidierte den Trägerverein des Alterszentrums im Kanton Aargau, in dem die aktuelle Leiterin des PZB zuvor gearbeitet hatte, und äusserte sich negativ über ihren Führungsstil.

Damian Hotz machte auch deutlich, dass er die anonymen Aussagen von ehemaligen Mitarbeitenden anzweifelt. Er vermutete, dass es sich bei den Presseberichten und Äusserungen von ehemaligen Mitarbeitenden um «persönliche Ressentiments, unnötige Dramatisierungen und eine Skandalsuche» handelte. Er kritisierte weiter die dramatisierende Form der Interpellation sowie die fehlende kritische Überprüfung der Medienberichte auf deren Wahrheitsgehalt. Auch Gemeindepräsident Andreas Hotz sagte: «Der Interpellationstext beruht auf Presseberichten, die in wesentlichen Teilen unwahr sind.»

Eine Kündigungswelle habe es nicht gegeben

Von einer «Kündigungswelle» wie in den Medien berichtet wurde – auch zentral+ schrieb davon – hätte man aber nicht sprechen können, sagte Stiftungsrats-Mitglied Damian Hotz weiter. Das sei eine «arge Verzerrung der Gesamtwahrheit», denn die Fluktuationsrate habe vor dem Amtsantritt von Stephanie Schär 27 Prozent betragen und sei seither kontinuierlich auf neun Prozent gesunken.

Auch der Gemeinderat bezog dazu Stellung. Die erhebliche Reduktion bei den Wechseln im Personal zeige, «dass sich der praktizierte Führungsstil die Betriebskultur und Struktur im Pflegezentrum verbessert hat.» Der Gemeinderat führte bezüglich der finanziellen Situation des PZB weiter überzeugt an, dass gegenwärtig nicht von einem Leistungsabbau gesprochen werden könne. Zudem sei auch nicht vorgesehen, Leistungen abzubauen, so Gemeinderatspräsident Andreas Hotz in seinen Ausführungen.

«Die Mitarbeitenden sollen jetzt endlich in Ruhe weiterarbeiten können.»

Damian Hotz, Vizepräsident der Bürgergemeinde und Mitglied des Stiftungsrates

Damian Hotz, aber auch der Gemeinderat in seinen Antworten auf die in der Interpellation gestellten Fragen, wiesen zum Schluss darauf hin, dass Mitarbeitende des PZB in der Öffentlichkeit aufgrund der Berichterstattung diskreditiert und beschimpft worden seien. «Die Mitarbeitenden sollen jetzt endlich in Ruhe weiterarbeiten können», appellierte Damian Hotz und riet, Betroffene sollten sich in Zukunft besser direkt an die zuständigen Behörden und nicht an die Medien wenden.

Die Frage, was im Pflegezentrum Baar wirklich abläuft, bleibt demnach weiter ungeklärt. Beide Seiten machen sich gegenseitig Vorwürfe, die Fronten sind verhärtet. Für den Gemeinderat scheinen weitere Diskussionen um das PZB nun vom Tisch. Stiftungsratspräsident und Gemeinderat Paul Langenegger wies darauf hin, dass der Gemeinderat bemüht sei, «ein gutes Klima zu schaffen.» Und er wiederholte: «Wir möchten, dass jetzt Ruhe einkehrt.»

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In Baar zum zweiten Mal in der Kritik

Erstaunlich an der ganzen Geschichte ist, dass sich Ähnliches offenbar bereits am vorherigen Arbeitsplatz von Stephanie Schär zugetragen hatte. Zwischen 2007 und 2010 leitete sie die Geschäfte des Alterszentrums Rohrdorferberg-Reusstal in der Gemeinde Fislisbach im Kanton Aargau – ein Zentrum mit 115 Betten und 100 Mitarbeitenden.

Wie in Baar soll es auch dort zu einer angeblichen Kündigungswelle gekommen sein. Der Grund soll damals verunsichertes Personal gewesen sein, das nicht mit der «Führungsphilosophie» der Geschäftsleiterin zurechtkam. zentral+ wollte Stephanie Schär im letzten Herbst mit den Vorwürfen konfrontieren. Sie wollte dazu allerdings keine Stellung nehmen.

Damals nahm auch Fritz Krähenbühl Stellung, ehemaliger Präsident der Trägerschaft des Alterszentrums in Fislisbach. Er kritisierte in einem Artikel von zentral+ Schär für ihren Führungsstil und die ergriffenen Massnahmen. Er wurde dafür von der Staatsanwaltschaft Baden aufgrund übler Nachrede zu einer bedingten Geldstrafe von insgesamt 2’100 Franken verurteilt. Der übrige Vorstand distanzierte sich entschieden vom Inhalt des Artikels.

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