Kommentar zu Radio 3FACH

Leider ist das kein 1. April-Scherz

«Radio 041» für einen Tag. Die Macher vom Jugendradio 3FACH sorgen mit ihrer Aktion für Aufregung. (Bild: zv)

Radio 3FACH gab am 31. März 2014 in einer Medienmitteilung bekannt, dass der Sendebetrieb eingestellt werden müsse. Bereits in der Nacht auf Montag verstummte der Sender und auch tagsüber war auf den gewohnten Frequenzen nichts mehr zu hören. Ziel war es, den eigentlichen 1. April-Scherz zu lancieren. Was aber nach dieser Medienmitteilung geschah, ist leider kein verfrühter 1. April-Scherz.

Radio 3FACH erlaubte es sich, mit seinem 1. April-Scherz einen Tag früher vorzulegen. Bereits in der Nacht auf Montag, pünktlich um Mitternacht, stellte der Sender seinen Betrieb ein. Das Radio habe einsehen müssen, dass in der heutigen Zeit ein nichtkommerzielles Radio nicht mehr rentiere, schrieb der Sender in seiner Mitteilung. Diese Nachricht – es ist ja noch nicht der 1. April – verbreitete sich in Windeseile durch die Schweiz. Die Schweizerische Depeschenagentur (SDA) zum Beispiel leitete erst die Nachricht ungeprüft weiter. Die Chronologie eines Drehbuchs, das am 1. April aus Radio 3FACH den neuen Sender «Radio 041» aus der Taufe hob und damit den von Roger Schawinski aufgekauften Jugendsender «Radio 105» parodiert.

SDA-Chef kritisiert Jugendsender scharf

«Ja, wir sind auf euren Scherz reingefallen», meldet sich Bernard Maissen, Chefredaktor der SDA, auf der Webseite von Radio 3FACH persönlich zu Wort. «In einem Anflug von Infantilität und in der Meinung, besonders originell zu sein, hat Radio 3FACH schon am 31. März einen Aprilscherz lanciert und den Konkurs vermeldet.» Zwar gesteht Maissen in seinem Kommentar ein, dass man die Falschmeldung hätte erkennen können, weist aber auch auf die journalistischen Standards hin: «Journalistinnen und Journalisten halten sich an die Wahrheit». Weiter führt er den Artikel 4 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) auf: «Sendungen mit Informationsgehalt müssen Tatsachen und Ereignisse sachgerecht darstellen.»

Natürlich kann man dem Jugendsender vorwerfen, mit einer Falschmeldung die Journalistenkollegen in die Irre geführt zu haben. Die SDA aber selbst leitete die Meldung an andere Medien weiter und erwähnte darin, dass sie den Sender noch nicht telefonisch erreichen konnte. Die Frage darf gestellt sein, ob die journalistischen Standards auch für die SDA gelten. In dem Sinne, dass Meldungen mit einer Zweitquelle geprüft werden, bevor man sie veröffentlicht oder im Falle der SDA weiteren Medien zugänglich macht.

3FACH entlarvt den Copy/Paste-Journalismus

Die Medienwelt ist hektisch und es stehen immer weniger Ressourcen zur Verfügung, um journalistische Leistungen zu erbringen. Oft ist in diesem Zusammenhang auch von «Copy/Paste-Journalismus» zu lesen: Meldungen werden nicht hinterfragt, übernommen und publiziert. Doch ausgerechnet jenes Medium, welchem die renommierten Zeitungshäuser gerne diese Copy/Paste-Mentalität vorwerfen, machte sich die Mühe, die Meldung mit einer Zweitquelle zu belegen. «20 Minuten» kontaktierte das Bundesamt für Kommunikation und fragte nach, ob es vom Sendeschluss wisse oder ob ein Antrag zum Weiterverkauf des Senders eingegangen sei.

Andere Medien übernahmen die Meldung unkritisch. «Radio 3FACH hat den Betrieb eingestellt», titelte etwa das Onlineportal «Klein Report». Natürlich machte es stutzig, dass auf der Frequenz von Radio 3FACH Totenstille herrschte. Ein Sendeausfall, den die jungen Radio-Macher einsetzten, um die Glaubwürdigkeit der Geschichte zu untermauern. Die Meldung machte die Runde und wurde von der «Handelszeitung« oder der renommierten «NZZ» aufgenommen, welche auf ihrem Online-Portal meldete: «Jugendsender Radio 3FACH hat kein Geld mehr.»

«SDA und 20 Minuten angeflunkert»

Wie schnell sich die Nachricht verbreitet hatte, überraschte sogar Radio 3FACH. «Wir wussten, dass der Scherz nach zwei Minuten auffliegt, wenn wir nicht einen oder mehrere Medienkanäle haben, welche die Meldung verbreiten», so 3FACH-Programmchef Dani Glur. Deshalb habe man sich dazu entschieden, «20 Minuten und die SDA anzuflunkern». Das ist zwar alles andere als ein Kavaliersdelikt, zeigt aber auf, wie unterschiedlich grosse Medienkanäle auf die Meldung reagierten.

«Das 20 Minuten hat gut reagiert», erklärt Glur. Man habe den Redaktor zwar mit Schauspielkünsten überzeugen können, «er hat die Meldung aber über eine zweite Quelle dementieren lassen. Das hat die SDA nicht gemacht». Sie hätten die Meldung ohne grosse Nachfragen geglaubt und verbreitet. «Sicher war das hinterlistig», gesteht Glur, «aber wenn Scherz, dann Scherz».

Chronologie der Ereignisse

Montag, 31. März 2014

00:00 Uhr: Radio 3FACH stellt den Sendebetrieb ein.

09:20 Uhr: Radio 3FACH verkündet den Konkurs via Medienmitteilung.

10:48 Uhr: Die SDA vermeldet den Konkurs von Radio 3FACH. Mehrere Medien nehmen die Nachricht auf.

11:15 Uhr: Radio 3FACH meldet sich bei der SDA und 20 Minuten und bestätigt die Geschichte.

15:00 Uhr: Die SDA verkündet, dass dem Bundesamt für Kommunikation nichts von einer Pleite bei Radio 3FACH bekannt sei.

16:00 Uhr: Radio 3FACH geht mit Katy Perry wieder auf Sendung.

17:00 Uhr: Radio 3FACH verkündet Sendestart von «Radio 041» mittels einer Medienmitteilung.

Dienstag, 1. April 2014

Ganzer Tag: Radio 3FACH sendet als Radio 041 und spielt Musik, welche man sonst eher von kommerziellen Stationen gewohnt ist. Die Aktion soll die Wichtigkeit nicht kommerzieller Medien unterstreichen.

Laut Bernard Maissen habe sich aber die SDA korrekt nach ihren Richtlinien verhalten: «Die Informationen wurden nach unseren Standards, wie sie auch weltweit für Agenturen gelten, weiterverbreitet.» Mit der heutigen Geschwindigkeit, wie Informationen verbreitet würden, «müssen wir davon ausgehen, dass die Meldungen, welche wir von einem klar identifizierbaren Absender erhalten, stimmen». Die SDA überlege sich, ob eine Meldung grundsätzlich stimmen könne oder nicht. «Ein Privatradio kann Konkurs gehen und gerade 3FACH schwimmt nicht im Geld. Daher haben wir die Mitteilung verbreitet.» Maissen bestätigt, dass weitere Ergänzungen jeweils erst in einem zweiten Schritt nachgeliefert würden.

3FACH steht in der Kritik – von den Reingelegten

Als Radio 3FACH im Verlaufe des Nachmittags mit einer zweiten Medienmitteilung den Sachverhalt auflöste, reagierten die erwähnten Medien harsch. «Schlechter Vor-Aprilscherz eines Radios», reagierte die NZZ und doppelt nach: «Mit Lügen gewinnt man kein Wohlwollen.» Ähnliches war beim Klein Report zu lesen: «Radio 3FACH befördert sich mit vorgezogenem April-Scherz ins Abseits.» Und wie schon erwähnt, meldete sich SDA-Chef Bernard Maissen auf der Webseite des Senders: «Wir könnten jetzt also an die Ombudsstelle gelangen, euch Verletzung der Konzession und des RTVG vorwerfen, und wir würden sicher überall recht bekommen», lässt er den Jugendsender verärgert wissen.

Ein solches Verfahren würde aber beim Sender Kräfte binden, welche dieser besser in die eigene journalistische Aus- und Weiterbildung investieren würde, erhebt Maissen in seinem Kommentar den Mahnfinger. 3FACH solle sich daran erinnern, dass Journalismus nicht nur aus «Spass und Tollerei» bestehe, sondern auch mit viel Verantwortung zu tun habe.

Diese Verantwortung versuchten die Macher von Radio 3FACH bei der Auflösung ihres eigentlichen 1. April-Scherzes zu übernehmen: Mit dem Programm «Radio 041» will der Sender darauf aufmerksam machen, «was nichtkommerzielle Radiostationen in der Radiolandschaft ausmachen». Und tatsächlich trällern aktuell Klänge von Lady Gaga oder anderen Hitparaden-Künstlern auf der 3FACH-Frequenz, welche unter normalen Umständen zur garantierten Kündigung des Musikchefs führen würden.

Das kleine Luzerner Jugendradio

Im Grunde hat Radio 3FACH nichts anderes aufgezeigt – ob gewollt oder nicht – wie die Medienlandschaft heute oft funktioniert. Dass die Geschwindigkeit und knappen Ressourcen zu einem Qualitätsverlust führen. Dass dabei journalistische Grundsätze gebrochen wurden, ist angesichts der Tatsache, wie unkritisch die Meldung verbreitet wurde, nur eine Randnotiz. Vorwerfen lassen muss sich der Sender, dass nach der ersten Meldung der SDA die Agentur von Radio 3FACH kontaktiert wurde und der Programmleiter Dani Glur auf der Echtheit der Meldung bestand.

Auf Anfrage von zentral+ bestätigt Bernard Maissen, dass ihm vor allem diese Notlüge missfällt: «Ein langjähriger Luzerner Korrespondent wurde brandschwarz angelogen. Bei solch einem Medium ist das nicht lustig und es ist kindisch, am 31. März einen 1. April-Scherz zu lancieren. Aber es ist so: Wir sind darauf reingefallen.» Maissen führt weiter aus, dass die Richtlinien der Nachrichtenagenturen vor Falschmeldungen nicht gefeit sind: «Wenn jemand eine Nachrichtenagentur reinlegen will, dann gelingt das, wenn die Falschmeldung nicht völlig abwegig ist.» Was diese Richtlinien für Konsequenzen haben können, zeigte der gestrige Tag, wo es das kleine Luzerner Jugendradio mit seiner Aktion bis in die NZZ – dem heiligen Gral des Printjournalismus – schaffte.

Wer unter euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein

Seit über einem Jahr ist zentral+ bemüht, dem Zentralschweizer Medienmonopol eine journalistische Alternative zu bieten. Dabei ist sicherlich auch unserer Redaktion schon der eine oder andere Fehler unterlaufen. Die Frage ist, wie man mit solchen Fehlern umgeht. Auffallend ist, dass die harschen Kritiken an der 3FACH-Aktion von jenen Medien kommen, welche auf den verfrühten Aprilscherz reingefallen sind. Lokale Medien, so etwa die Luzerner Zeitung oder Radio Pilatus, haben den Scherz erkannt. Hier in Luzern weiss man, dass lediglich eine Google-Suche nach «rettet Radio 3FACH – Crowdfunding» an der Echtheit der Geschichte hätte zweifeln lassen müssen.

Die Reaktionen auf «Radio 041» sind laut Glur durchwegs positiv. Man sei überwältigt davon, wie das Publikum mitmache und sich die Hits der 80er und 90er sowie die besten Charthits wünschen. «Bis auf ein paar verärgerte Journalisten, die auf den Scherz reingefallen sind, finden die Aktion die meisten lustig».

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Pirelli
    Pirelli, 01.04.2014, 15:18 Uhr

    Natürlich musste Dani Glur lügen, den der Scherz muss durchgezogen werden – 3FACH heisst heute Radio 041. Und es ist auch richtig, dass er das getan hat – was wäre das für ein Scherz, wenn man ihn nicht durchzieht? Unten meine Antwort an Maissen. Und dass er deräwäg grussig mit dem Erwachsenen-Mahnfinger zeigt – «Wir könnten euch anzeigen, aber ihr gebt das Geld besser aus, damit ihr endlich richtigen Journalismus lernt!» -, ist mehr als peinlich: SO sieht also richtiger Journalismus aus? Man muss dazu das Hirn abstellen?

    Meine Antwort:
    Geschätzter Herr Maissen – warum denn so ungemein griesgrämig? Oder ist das nun Ihr ureigener Aprilscherz? Wer diesen Hoax nicht innert 30 Sekunden durchschaut hat, dem ist wohl auch sonst auf der kognitiven Ebene nicht mehr zu helfen. DAS Zentralschweizer Jugendradio schliesst – und niemand hat im Vorfeld etwas davon gehört? Eine Radiokonzession, die einfach unter der Hand verkauft wird? Ein «Zürcher Betreiber», der grad am nächsten Tag – ja genau, der mit dem speziellen Datum – zu senden beginnt? Echt? So viele Newsportale übernahmen den Scherz ungeprüft – einzig «20 Minuten» (sic! ausgerechnet!) kam auf die Idee, kurz dem Bakom zu telefonieren, um nachzufragen, wie das jetzt genau geht mit der Konzession. Alle anderen haben schlicht ihren Job nicht gemacht – und jetzt deswegen über 3fach zu wettern, ist mehr als billig. Ich fand den Scherz deftig, aber gut. Nur weil fast alle Journis so dämlich und faul sind, dass sie ihn nicht entlarven, gibt ihnen das nicht das Recht, jetzt derart über meinen Lieblingssender herzufahren. Schaltet euer Hirn wieder ein, das ihr vor lauter Klickgeilheit längst an der Garderobe des WWW abgegeben habt, und macht endlich wieder euren Job. Dann haben auch solche Scherze keine Chancen mehr. Und hört auf, den Hofnarren fertig zu machen, der euch in eurer Faulheit und Inkompetenz den Spiegel vorhält!

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