Luzerner Studie untersucht den Klassik-Markt

Wo Spotify noch nicht mithalten kann

Man sah ihr die aufrichtige Freude an: Regula Mühlemann im KKL.

(Bild: Marco Masiello)

Rezensionen spielen eine grosse Rolle für Liebhaber klassischer Musik: Zu diesem Schluss kommt eine Umfrage der Hochschule Luzern. Sie zeigt auch, dass CDs im Klassikbereich noch immer einen hohen Stellenwert einnehmen – gleichzeitig aber ein beachtlicher Teil der Hörer nicht mehr für Musik bezahlt.

Gut zwei Drittel aller Klassikfans nutzen professionelle Musikkritiken, um sich zu informieren. Dabei schätzen sie vor allem Kritiken, die konstruktiv und nachvollziehbar begründet sind. Gleichzeitig bieten Rezensionen Orientierung in einem Musikmarkt, der immer unübersichtlicher wird. Das ergab eine gemeinsame Umfrage der Hochschule Luzern (HSLU) und der Universität Sheffield.

An der Online-Umfrage, die zwischen Januar 2017 und März 2018 auf deutsch- und englischsprachigen Web- Plattformen aufgeschaltet war, nahmen insgesamt 1’200 Personen aus 62 Ländern teil. Sie alle hören klassische Musik regelmässig oder gelegentlich, das Altersspektrum reichte von 17 bis 85 Jahren.

«Viele der Teilnehmenden haben keine vertiefte musikalische Ausbildung», wird Co-Projektleiterin Elena Alessandri vom Departement Musik der Hochschule Luzern in einer Mitteilung der HSLU zitiert. «Bei den meisten handelte es sich um Hörerinnen und Hörer mit einem eher breiten Musikgeschmack und einem lebhaften Interesse an Klassik.»

Was Freunde, Radio und Musikmagazine bewirken

Was die Umfrage auch zeigte: Die Hälfte die Teilnehmer (54%) hört Klassik oft oder sehr oft auf CD. Damit sind CDs immer noch doppelt so beliebt wie Spotify (28%) oder iTunes (21%). Immerhin jeder Zehnte hört Klassik für gewöhnlich auf Langspielplatten. 56 Prozent der Teilnehmenden nutzen regelmässig Youtube und genauso viele MP3 oder andere Dateiformate. Dazu passt, dass 45 Prozent aller Hörerinnen und Hörer nie für klassische Musik bezahlen.

Vom Nationalfonds unterstützt

Das Forschungsprojekt «Between Producers and Consumers: Music Critics’ Role in the Classical Music Market» wurde mitfinanziert vom Schweizerischen Nationalfonds. Es ist Teil einer grösseren Forschungsreihe über die Rolle von Musikkritik im Klassikmarkt. In einem nächsten Schritt analysiert die Forschungsgruppe publizistische Rezensionen in Zeitungen.

«Es kann sein, dass sie dabei Geld für bereits gekaufte Tonträger nicht berücksichtigen», erklärt Elena Alessandri. «Klar ist aber: Der Musikmarkt wird durch die verschiedenen Technologien immer komplexer und vielfältiger.» Um Orientierung zu finden, nutzen rund zwei Drittel oft oder sehr oft Informationen aus dem Radio (67%) oder fragen Bekannte und Freunde um Rat (58%). Letztere haben dabei den grössten Einfluss auf die Wahl und die Beurteilung von Musik (67%), gefolgt von Radio-Sendungen (66%) und Musikmagazinen (50%).

Zwei Drittel der Klassikfans lesen oder hören Musikkritiken

Die Online-Umfrage ergab weiter, dass 62 Prozent der Befragten Profi-Musikrezensionen regelmässig nutzen. «Das hat uns positiv überrascht», sagt Elena Alessandri. «Tatsächlich werden Musikkritiken immer noch gelesen oder gehört. Allerdings bringen diese Klassikfreunde im Schnitt auch eine höhere musikalische Bildung mit.»

Vier von fünf Musikfreunden finden dabei, Kritiken sollten konstruktiv, respektvoll, aufgeschlossen und unparteiisch informieren. «Zudem wird eine gut begründete Bewertung erwartet», so Co-Projektleiter Antonio Baldassarre. «Beispielsweise müssen die Beurteilungen über eine Interpretation oder den Klang nachvollziehbar sein.» Etwa zwei Drittel der Klassikfans lesen gerne Vergleiche mit anderen Aufnahmen, ebenso viele lassen sich von einer klaren und packenden Schilderung überzeugen.

«Die klassische Rezension darf nicht aussterben.»

Elena Alessandri, Co-Projektleiterin

«Die Kritikerinnen und Kritiker sollen bei all dem keine Autoritätspersonen sein, die normative Urteile fällen», ergänzt Elena Alessandri. Vielmehr seien sie als Experten und Unterhalterinnen gefragt, die Musik differenziert erklären und mit Leidenschaft nahebringen. Rezensionen würden als Leitfaden für das Hören und Kaufen dienen und den Konsumenten helfen, die Aufnahmen besser einzuschätzen.

Begleitende Interviews mit Musikkritikern zeigten deutlich deren Verunsicherung über die Bedeutung und Wirkung ihrer Arbeit, so Alessandri weiter. «Dabei lässt sich mit den Ergebnissen der aktuellen Studie deutlich sagen: Kritiken spielen eine wichtige Rolle, die klassische Rezension darf nicht aussterben, das Publikum liest sie oft und gern.» Offen ist jedoch, was ein Kritiker tun müssten, um jene Klassikfans zu erreichen, die sich bisher noch nicht für Musikkritiken begeistern.

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