Luzerner Tagung zu aktuellem Thema

Wenn schon Kinder ein Burn-out erleiden

Was tun, wenn das Kind nur noch am Smartphone hängt? (Symbolbild: Fotolia)

Neuste Erkenntnisse zeigen: Immer häufiger haben auch Kinder Burnout-Symptome. An der Fachtagung «11-jährig und ausgebrannt – Burnout bei Kindern?» der Stadt Luzern am Donnersag wurde über Ursachen gesprochen.

Vormittags Schule, nachmittags Nachhilfe, gegen 16 Uhr Saxophonstunde, um 18 Uhr Fussballtraining, bevor nach dem Abendessen zwei Stunden Hausaufgaben und vor dem Schlafengehen noch eine Stunde Xbox dran sind. Und via Smartphone ist man die halbe Nacht online. Was nach einem Mammutprogramm klingt, ist für viele Kinder und Jugendliche schlicht alltäglich.

Manche Kinder und Jugendliche sind derart eingespannt, dass ihnen kaum mehr Zeit zum Regenerieren bleibt. Schlaflosigkeit, Bauch- oder Kopfschmerzen, Angstzustände, vermindertes Selbstvertrauen, Erschöpfung und Apathie oder gar Suizidgedanken sind mögliche Folgen. Vermehrt sprechen Kinder- und Jugendärzte bei diesen Symptomen von Erschöpfungsdepressionen bei Kindern beziehungsweise von Burnout. Experten gehen davon aus, dass rund drei Prozent der Schweizer Kinder eine solche Erschöpfungsdepression entwickeln – Tendenz steigend. Gemäss einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bei Schweizer Schulkindern leiden 27 Prozent der Elfjährigen an Schlafproblemen, 2002 waren es 19 Prozent.

«Ausserordentlich leistungsorientiert»

«Unsere Beraterinnen und Berater der Jugend- und Familienberatung Contact Luzern stellen vermehrt fest, dass immer mehr Kinder und Jugendliche sowie ihre Eltern ausserordentlich leistungs- und erfolgsorientiert sind», sagt Christina Reusser, Bereichsleiterin Kinder-, Jugend- und Familienberatung der Dienstabteilung Kinder Jugend Familie (KJF) der Stadt Luzern. Sie hatte deshalb diesen Donnerstag eine Fachtagung mit Referaten und einer Podiumsdiskussion zum Thema organisiert.

«Die heutigen Kinder leiden unter extrem verplanter und fehlender selbstbestimmter Freizeit.»
Urs Kiener, Kinder- und Jugendpsychologe

Einer der Referierenden der Tagung war Urs Kiener, Kinder- und Jugendpsychologe von Pro Juventute Schweiz. Die Stiftung versucht dem zunehmenden Druck, welchem Kinder und Jugendliche ausgesetzt sind, entgegenzutreten. «Die heutigen Kinder leiden unter extrem verplanter und fehlender selbstbestimmter Freizeit», sagte Urs Kiener. Die Tatsache, dass Jugendliche heutzutage auch bei vergleichsweise geringen Problemen sehr schnell den Gedanken hätten, ihrem Leben ein Ende zu setzen, zeige die Überforderung. So hat sich der Anteil der beim Sorgentelefon (147) von Pro Juventute eingehenden Anrufe von Kindern und Jugendlichen mit schwerwiegenden persönlichen Problemen in den letzten acht Jahren mehr als verdoppelt.

Der Jugendpsychologe macht auch die neuen Medien als Ursache der Überforderung aus: «Die ersten Burnouts bei Kindern und Jugendlichen und die erste grosse Welle, mit welcher Kinder Zugang zu Smartphones erhielten, fallen zeitlich recht nahe zusammen», sagt er. 99 Prozent der 12-Jährigen in der Schweiz besitzen heute ein Smartphone. «Wenn man nicht ständig online ist, läuft man Gefahr, etwas zu verpassen. Das ist eine Angst der Jugendlichen, die zu einer ständigen Rastlosigkeit führt», sagte Urs Kiener. Wenn man da keine Pause mache, könne dies zur völligen Erschöpfung führen.

Kinder beobachten und früh professionelle Hilfe holen

Wichtig sei, dass Eltern ihr Kind genau beobachten. «Wenn sie klassische Erschöpfungssymptome wie Schlaflosigkeit oder tägliche Kopf- oder Bauchschmerzen feststellen, sollten sie nicht zögern, professionelle Hilfe herbeizuziehen», riet Kinder- und Jugendpsychologe Urs Kiener. Die Abteilung Kinder Jugend Familie der Stadt Luzern kann bei Fragen zum Thema Belastung von Kindern und Jugendlichen sowie bei weiteren Familienthemen Unterstützung leisten.

Das Thema beschäftigt: Aktuell führt das Theater actNow im Theaterpavillon Luzern ein Stück zum Thema Leistungsdruck bei Kindern und Jugendlichen auf. Hier die Rezension von «Leistung. Karriere. Scheisse.»

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