Nachträglich neue Gebührenordnung eingeführt

Pirat piesackt das Zuger Verwaltungsgericht – und wird zur Kasse gebeten

Der Steinhauser Pirat Stefan Thöni ist ein streitbarer Zeitgenosse in seiner Gemeinde.

(Bild: PD)

Per Zufall stiess Stefan Thöni, Präsident der Zentralschweizer Piratenpartei, auf einen bemerkenswerten Vorgang beim Zuger Verwaltungsgericht. Dieses hätte für ein Auskunftsbegehren eine neue Arbeitskraft einstellen müssen – und liess sich etwas einfallen.

Ein Unbekannter verlangte vom Verwaltungsgericht Zug Einsicht in die Urteile zur Invalidenversicherung der letzten drei Jahre – 220 Entscheide, die das Verwaltungsgericht allesamt hätte anonymisieren müssen. Das stellte die Zuger Richter vor ein Problem, denn es hätte zusätzliches Personal einstellen müssen. Sie berieten deshalb im Frühjahr letzten Jahres, was zu tun sei.

«Eine neue Gebühr quasi rückwirkend einzuführen, schlägt dem Fass den Boden aus.»

Stefan Thöni, Piratenpartei

«Wir haben eine hohhe Arbetislast und eine Budgetverantwortung», sagt Verwaltungsgerichtspräsident Aldo Elsener gegenüber zentralplus. Auch wenn man weiter auf jedes Auskunftsbegehren rasch und unkompliziert antworten wolle, so übersteige dieses Begehren die Mittel des Gerichts. Also führte man eine Gebührenordnung ein, die dem Gericht erlaubt, seine Dienstleistungen in Rechnung zu stellen. «Das wird bei allen schweizerischen Gerichten, auch dem Zuger Obergericht, praktiziert,», sagt der CVP-Richter.

Gebührenordnung gilt erst seit November

Pikanterweise wurde die Gebührenordnung aber erst im  November in Kraft gesetzt – ein halbes Jahr, nachdem die Zuger Richter das erste Mal über das Auskunftsgesuch gebrütet hatten.

Thöni stellte das Protokoll der Verwaltungsgerichtssitzung vom 16. März 2017 online.

Thöni stellte das Protokoll der Verwaltungsgerichtssitzung vom 16. März 2017 online.

«Eine neue Gebühr quasi rückwirkend einzuführen schlägt dem Fass den Boden aus», sagt Stefan Thöni, der streitbare Pirat. Der Steinhauser hatte ebenfalls zweimal Einsicht in Urteile verlangt – und war so auf den IV-Fall aufmerksam geworden. «Ich bin Jura-Student, deshalb interessieren mich die Urteile und Begründungen», sagt Thöni. Den IV-Antragssteller – laut Thöni der «eigentlich Gelackmeierte» – kenne er aber nicht.

«Unsere Mittel sind begrenzt.»

Aldo Elsener, Präsident des Zuger Verwaltungsgerichts

Thöni berief sich in der Folge auf das Öffentlichkeitsgesetz, bekam vom Verwaltungsgericht Einsicht in die Protokolle einer Justizverwaltung und kam der kreativen Problemlösungsstrategie des Zuger Verwaltungsgerichts auf die Schliche. «Für anonymisierte Urteile überhaupt eine Gebühr zu erheben ist unsinnig», findet er. «Transparenz ist für die Kontrolle der Gerichte durch die Öffentlichkeit und die Einschätzung der Erfolgsaussichten in neuen Verfahren entscheidend.»

Anonymisierung «sehr aufwändig»

Zudem dürften die Kosten für die Anonymisierung und Publikation aller Urteile im Promillebereich des Budgets des Verwaltungsgerichts liegen, meint der Pirat – zumindest wenn dafür zeitgemässe Hilfsmittel eingesetzt würden.

Dem widerspricht Also Elsener, der Präsident des Zuger Verwaltungsgerichts: Es sei im Gegenteil sehr aufwändig. Sensible Persönlichkeitsrechte müssten gewahrt werden und man gehe bei der Anonymisierung «äusserst sorgfältig» vor. Dies würden die Bürger vom Gericht erwarten. Was die Hilfsmittel betreffe, so sei das Gericht daran, im Hinblick auf das nächste Budget «elektronische und andere Verbesserungsmöglichkeiten zu schaffen».

Aldo Elsener wird von der CVP für den frei werdenden Sitz am Zuger Verwaltungsgericht nominiert.

Aldo Elsener ist Präsident des Zuger Verwaltungsgerichts und Mitglied der CVP.

(Bild: zvg)

Thöni selbst hatte bekanntlich in Steinhausen Einsicht in die Gemeinderatsprotokolle verlangt und war dann dort vom Gemeinderat mit einer hohen Abgeltungsforderung für die zu leistende Arbeit konfrontiert worden (zentralplus berichtete). Das Gleiche blühte ihm nun vor Verwaltungsgericht. Thöni wollte bei seinem zweiten Auskunftsbegehren Einsicht in 16 Entscheide nehmen, wofür ihm eine Gebühr von 1’750 Franken in Aussicht gestellt wurde.

Thöni will Verwaltungsrichter werden

Übrigens will Thöni selber als Verwaltungsrichter kandidieren. Was den Jus-Student im Fernstudium besonders foppen dürfte: Aldo Elsener stellt im Gespräch mit zentralplus für gewisse Einsichtsbegehren eine besonders entgegenkommende Behandlung in Aussicht: «Bei Studenten, die sich für ihr Einsichtsgesuch auf ein wissenschaftliches Interesse berufen, sieht unsere Kostenverordnung vor, dass die Gebühr reduziert oder erlassen wird», so Elsener. Man sei dafür bekannt, dass man sich immer um eine faire und verantwortbare Lösung bemühe.

 

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