Innovatives Projekt in Wolhusen

Kinder lernen in der Natur für die Schule und das Leben

Die Projektleiterinnen Jolanda Bienz (links im Bild) und Monika Pfyl mit Kindern.

(Bild: zvg)

Zwölf Kinder aus verschiedenen Schulklassen verbringen in Wolhusen regelmässig einen Halbtag pro Woche in der Natur. Beim innovativen Projekt «IF +» steht für einmal nicht der Schulstoff im Vordergrund, sondern die persönlichen Bedürfnisse der Kinder. Davon profitieren die Kinder, Eltern und auch die Klassenlehrpersonen.

Als um 8.55 Uhr die ersten Sonnenstrahlen das Dorf Wolhusen erreichen, befinden sich die Kinder bei einer Brätelstelle hoch über dem Dorf. Es riecht nach Feuer, Tee und Schlangenbrot. Einige Kinder hacken Holz, andere sitzen am Tisch und haben bereits ihr Znüni ausgepackt. Hund Flocke, der auch immer dabei ist, liegt auf dem Rücken und lässt sich von einem Jungen kraulen. Zwei Kinder sind flink auf einen Baum geklettert und beobachten das Geschehen von oben.

Beobachten ist auch eine der Hauptaufgaben der beiden Lehrerinnen Monika Pfyl und Jolanda Bienz. «Wir machen bewusst nur wenig Programm», sagt Jolanda Bienz. «Wir wollen Raum schaffen für die Themen der Kinder. Und wollen spüren, was jedes einzelne Kind braucht, um sich wohl zu fühlen. Hier haben wir Zeit für viele Gespräche. Im Klassenzimmer mit 20 Kindern ist das fast nicht möglich.»

Persönlichkeit der Kinder stärken

Das Angebot steht allen Kindern offen. Oft kommen aber Kinder ins «IF +», die Mühe haben in der Schule oder mit dem Schulsystem. Sie arbeiten alle an einem individuellen Ziel – mit Erfolg. Da ist zum Beispiel ein Viertklässler, der im Unterricht vor allem durch Wutausbrüche auffiel. Jede neue Aufgabe löste bei ihm Angst und Aggressionen aus. Inzwischen hat er im «IF +» gelernt, neue Aufgaben anzupacken – und auch einmal zu scheitern.

«Das sind wichtige Erfahrungen», sagt Monika Pfyl. «Am Anfang konnte der Junge kaum auf einem unebenen Waldweg gehen und wurde schnell wütend. Nun meistert er das ohne Probleme und wagt sich an immer neue Aufgaben. Und das schafft er auch im Unterricht.»

Es sind aber auch Kinder dabei, die einfach eine kleine Auszeit vom kopflastigen Unterricht möchten. Oder sonst kaum Zeit in der Natur verbringen. Oder sehr ruhig sind und lernen wollen, sich in einer Gruppe einzubringen. Bei allen gilt aber: es geht hauptsächlich um emotionale Themen. Schulleiter Benedikt Küng sagt dazu: «Für manche Kinder gibt es Themen, die aufs Leben gesehen wichtiger sind als der Schulstoff. Da braucht es den Mut, lieber einen Test oder ein Thema wegzulassen und dafür zum Beispiel das Selbstvertrauen eines Schülers zu stärken.»

Hund Flocke hilft den Kindern, sich zu konzentrieren

Die Lehrerinnen spielen eine wichtige Rolle. Sie hören aufmerksam zu, sprechen Probleme direkt an und unterstützen die Kinder dabei, eigene Lösungswege zu suchen. Überhaupt scheinen sich die Kinder im «IF +» viele Gedanken über ihr Verhalten zu machen.

«Ein Junge hat zum Beispiel lernen müssen, dass er nur Hühner hochheben kann, wenn er nett und sorgsam ist.»

Monika Pfyl, Lehrerin

Ein zwölfjähriger Junge zum Beispiel erzählt, dass er vor allem wegen Hund Flocke gerne ins « IF +» komme, und es ihm geholfen habe, sich im Unterricht besser zu konzentrieren. Er sei jetzt nicht mehr ständig zappelig. Der Umgang mit Tieren spielt eine wichtige Rolle, nicht nur mit Hund Flocke. Oft besucht die Gruppe den Hof von Monika Pfyl ganz in der Nähe und kümmert sich dort um Esel, Ziegen und Hühner.

«Ein Junge hat zum Beispiel lernen müssen, dass er nur Hühner hochheben kann, wenn er nett und sorgsam ist. Diese Erfahrung, dass etwas zurückkommt, wenn man etwas gibt, hilft ihm auch im Umgang mit seinen Klassenkameraden,» erzählt Monika Pfyl. Für den Jungen ist diese Einsicht unbezahlbar. Er hält sein Lieblingshuhn wie einen Schatz in seinen Armen.

Positive Zwischenbilanz

Solche kleinen Glücksmomente zeigen Jolanda Bienz und Monika Pfyl, dass sie auf dem richtigen Weg sind. «Die Schülerinnen und Schüler kommen alle mindestens zehn Wochen lang zu uns und machen dabei enorme Fortschritte», erzählt Jolanda Bienz. «Und wenn wir dann den Eltern und Klassenlehrpersonen von unseren Erfahrungen berichten, lernen sie manchmal ihr Kind oder ihren Schüler von einer ganz neuen, positiven Seite kennen.»

Schulleiter Benedikt Küng spricht von einer Entlastung für die ganze Schule. «Wenn ein Kind im Unterricht einen Knopf hat, haben wir an der Schule eine eigene und kurzfristige Möglichkeit, um zu helfen, sagt er. «Oft erübrigen sich damit aufwändige Abklärungen mit externen Fachleuten, und das gibt uns allen ein gutes Gefühl.»

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